VwGH Ra 2019/22/0211

VwGHRa 2019/22/021123.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der D B H, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Juli 2019, VGW-151/089/8916/2019- 2, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

EURallg
NAG 2005 §64 Abs2
NAGDV 2005 §8 Z8 litb
UniversitätsG 2002 §52 Abs1
UniversitätsG 2002 §74 Abs6
VwGG §42 Abs1
32016L0801 Studenten-RL Art21 Abs2 litf

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220211.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika, verfügte von September 2013 bis Oktober 2016 über mehrmals verlängerte Aufenthaltstitel als Studentin. Am 9. März 2018 stellte sie neuerlich einen Erstantrag für einen Aufenthaltstitel "Student", der ihr mit Gültigkeitsdauer von 14. März 2018 bis 14. März 2019 erteilt wurde.

2 Verfahrensgegenständlich ist der Verlängerungsantrag der Revisionswerberin vom 28. Februar 2019, der vom Landeshauptmann von Wien (Behörde) mangels Nachweis eines ausreichenden Studienerfolges abgewiesen wurde.

3 Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das VwG aus, gegenständlich sei auf das Studienjahr 2017/2018 (1.10.2017 bis 30.9.2018) abzustellen. In diesem habe die Revisionswerberin nur eine Prüfung im Ausmaß von sieben ECTS-Punkten positiv absolviert. Selbst unter Berücksichtigung des "Quereinstieges" ins Studienjahr im März 2018 und Halbierung des in § 74 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) geforderten Studienerfolges von 16 ECTS-Punkten hätte die Revisionswerberin keinen ausreichenden Studienerfolg nachweisen können. Dass sie im Wintersemester 2017 noch nicht zum Studium zugelassen gewesen sei und daher in diesem Zeitraum keine Prüfungen hätte ablegen können, könne nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Hindernis iSd § 64 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) qualifiziert werden, weil gesetzliche Bestimmungen und darauf beruhendes Verwaltungshandeln nicht als ein solches Hindernis anzusehen seien.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Die Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist angesichts der fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, wie § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG im Fall von Studierenden, die - wie im vorliegenden Fall - ihr Studium im Sommersemester aufnehmen, auszulegen ist, zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. 7 Gemäß § 52 Abs. 1 UG beginnt das Studienjahr am 1. Oktober und endet am 30. September des Folgejahres. Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten oder 8 Semesterwochenstunden abgelegt hat (§ 74 Abs. 6 UG). § 8 Z 8 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) sieht vor, dass Studierende im Fall eines Verlängerungsantrages einen schriftlichen Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder der öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere einen Studienerfolgsnachweis gemäß § 74 Abs. 6 UG, vorzulegen haben. Gemäß § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG kann, sofern Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.

8 Aus der oben wiedergegebenen Rechtslage ergibt sich, dass im Fall eines Verlängerungsantrages grundsätzlich positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten im vorausgegangenen Studienjahr nachgewiesen werden müssen. Insofern ist dem VwG auch kein Verfahrensfehler dahin gehend vorzuwerfen, dass es die im Wintersemester 2018 (Februar 2019) bestandene Prüfung für den Nachweis des Studienerfolges unberücksichtigt ließ, weil diese Prüfung außerhalb des Beurteilungszeitraumes (1. Oktober 2017 bis 30. September 2018) abgelegt wurde. 9 Der Revisionswerberin ist insofern zuzustimmen, als der Umstand, dass sie im Wintersemester 2017 noch nicht zum Studium zugelassen war und daher keine Prüfungen ablegen konnte, dem Grunde nach ein der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogenes, unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis iSd § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG darstellt. Es kann jedoch nur dann zu einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung trotz fehlenden Studienerfolges führen, wenn die Revisionswerberin nachweist, dass diese Hinderungsgründe kausal für das Unterbleiben eines ausreichenden Studienerfolges waren.

Dazu bringt die Revisionswerberin nichts vor. Laut Curriculum beträgt der Arbeitsaufwand für das von der Revisionswerberin betriebene Masterstudium Anglophone Literatures and Cultures insgesamt 120 ECTS-Punkte, was einer vorgesehenen Studiendauer von vier Semestern entspricht. Es wäre Aufgabe der Revisionswerberin gewesen, konkret nachzuweisen, aufgrund welcher Umstände es ihr nicht möglich gewesen sei, bis zum 30. September 2018 den erforderlichen Studienerfolg zu erbringen.

10 Da - wie oben ausgeführt - § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG eine Prüfung der jeweils im Einzelfall vorgebrachten Umstände, die der Erbringung eines ausreichenden Studienerfolges entgegenstanden, erfordert, ist kein Widerspruch mit Art. 21 Abs. 2 lit. f der Richtlinie (EU) 2016/801 (Studentenrichtlinie) und deren Zielen zu erkennen. Angesichts dessen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu dem von der Revisionswerberin angeregten Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof veranlasst.

11 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2020

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