VwGH Ra 2019/19/0429

VwGHRa 2019/19/042927.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M alias M Y, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17- 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2018, W251 2153073-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190429.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 8.  Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan aus Angst vor den Taliban und wegen Bombenanschlägen neben seinem Geschäft verlassen. 2 Mit Bescheid vom 17. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, der Revisionswerber könne in seine Heimatstadt Kabul zurückkehren. Ihm stehe auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif offen. 5 Mit Beschluss vom 25. Februar 2019, E 393/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 12. März 2019, E 393/2019-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision, die sich ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, das BVwG sei bei der Beurteilung der Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul von den Richtlinien des UNHCR abgewichen, ohne dies auf entgegenstehende Länderinformationen zu stützen. Auch habe das BVwG keine ganzheitliche Würdigung der dem Revisionswerber bei einer Rückkehr drohenden Gefahren vorgenommen und seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara und seine westliche Wertehaltung nicht berücksichtigt. Weiters habe das BVwG seine Entscheidung hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif nicht auf aktuelle Länderberichte gestützt. 10 In diesem Zusammenhang ist einerseits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben sich die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. Dies gilt auch für die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN).

12 Dies gelingt der Revision nicht. Das BVwG legte seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2018 das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 11. September 2018, und somit aktuelle Länderinformationen zu Afghanistan zu Grunde. Es ging bei seiner Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative davon aus, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden, jungen und arbeitsfähigen Mann mit zehnjähriger Schulbildung, einer zweijährigen Berufsausbildung und jahrelanger Berufserfahrung als Elektrotechniker handle, der Dari spreche, mit den afghanischen Gewohnheiten vertraut sei und bei einer Rückkehr von seiner in Afghanistan befindlichen Familie unterstützt werden könne. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN; 13.2.2020, Ra 2019/19/0278; 13.2.2020, Ra 2019/19/0412; jeweils zu einem schiitischen Hazara). 13 Vor diesem Hintergrund hängt die Entscheidung über die Revision von der Frage, ob das BVwG zu Recht von der Möglichkeit einer Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatstadt Kabul ausgegangen ist, nicht mehr ab.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2020

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