European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180486.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens aus der Provinz Basra, beantragte am 20. August 2015 internationalen Schutz und brachte zusammengefasst vor, er sei von schiitischen Milizen bedroht worden und fürchte deren Verfolgung auch im Falle einer Rückkehr in den Irak. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. November 2016 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, von schiitischen Milizen bedroht worden zu sein, sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft, weshalb ihm kein Asyl zuzuerkennen sei. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren. Das BVwG verkenne die - näher umschriebene - prekäre Sicherheitslage für die Provinz Basra zwar nicht, die Gefahrendichte sei aber nicht so beschaffen, dass aufgrund der bloßen Präsenz des Revisionswerbers in der Provinz Basra von einer Gefährdung seiner durch § 8 Abs. 1 AsylG 2005 geschützten Rechte ausgegangen werden müsse. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Revisionswerbers seien im Verfahren nicht hervorgekommen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Wie das BVwG feststelle, stamme der Revisionswerber aus der irakischen Provinz Basra, in der die Sicherheitslage prekär sei. Der Revisionswerber habe angegeben, von Milizen verfolgt worden zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits erkannt, dass ein reales Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK abgesehen von Fällen extremer genereller Gewalt auch dann gegeben sein könne, wenn sich aufgrund besonderer Unterscheidungsmerkmale die Situation eines Betroffenen kritischer darstelle als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (Hinweis auf VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137). Genau diesen Nachweis habe der Revisionswerber dadurch erbracht, dass er "auf die Problematik mit den unterschiedlichen Religionen und der Verfolgung durch die Milizen hingewiesen" habe. Zudem widerspreche das BVwG auch der eigenen Rechtsprechung, weil in einem (zitierten) anderen Erkenntnis des BVwG einem irakischen Staatsangehörigen sunnitischen Glaubens, der von schiitischen Milizen bedroht worden sei, Asyl gewährt worden sei. Es erscheine geradezu willkürlich, wenn in einer Rechtssache Asyl gewährt werde und in der anderen nicht, obwohl die Fluchtgründe und Feststellungen gleich seien, sie aus der gleichen Region stammten und von den gleichen Milizen bedroht würden.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
6 Die Revision verweist zunächst zutreffend darauf, dass sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Rechtsfrage, inwieweit eine prekäre Sicherheitslage die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 rechtfertigt, wiederholt und insbesondere grundlegend in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0137, beschäftigt hat. Danach ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen. Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. Rn. 25 und 26 des zitierten Erkenntnisses). 7 Im Folgenden entfernt sich die Revision allerdings (ohne nähere Begründung) von den Feststellungen des BVwG im angefochtenen Erkenntnis, nach denen dem Revisionswerber die behauptete Verfolgung durch schiitische Milizen in seiner Heimatprovinz gerade nicht geglaubt wurde. Insofern vermag die Revision auch nicht aufzuzeigen, dass im Falle des Revisionswerbers die nach der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz erfüllt wären und das BVwG mit seiner Entscheidung von den höchstgerichtlichen Leitlinien abgewichen ist.
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2020
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