Normen
BauO Wr §60 Abs1 litd idF 2018/037
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050046.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 4. Juli 2018 wurde die Bauführung zum Abbruch des Gebäudes auf der Liegenschaft M-Straße Nr. 115 gemäß § 127 Abs. 8a in Verbindung mit § 127 Abs. 8 lit. a Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) eingestellt. Begründet wurde dies damit, dass gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO (zu ergänzen: in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018) u.a. der Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtet worden seien, bewilligungspflichtig sei, wenn der Anzeige des Abbruches keine Bestätigung des Magistrates angeschlossen sei, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse bestehe. Eine solche Bestätigung liege gegenständlich nicht vor, folglich handle es sich um einen bewilligungspflichtigen Abbruch, für den keine Bewilligung erteilt worden sei. Dieser Bescheid erging an die R. KG als Bauführerin und wurde der Revisionswerberin als "Grund(mit)eigentümerIn, (Mit‑)Eigentümerin der Baulichkeit" "in Abschrift" übermittelt.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 28 VwGVG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei Eigentümerin und "Bauwerberin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft". Die R. KG habe als Bauführerin mit den Abbrucharbeiten am 28. Juni 2018 begonnen. Das Gebäude sei vor dem 1. Jänner 1945 errichtet worden. Die Abbrucharbeiten seien zum Zeitpunkt der Erlassung der Baueinstellung noch nicht abgeschlossen gewesen. Der Baueinstellungsbescheid sei nicht an die Revisionswerberin ergangen, sondern dieser lediglich in Abschrift übermittelt worden. Da die Revisionswerberin im amtswegigen behördlichen Verfahren mangels Zustellung des Bescheides keine Parteistellung gehabt habe und das Beschwerderecht ein Parteienrecht sei, komme ihr kein Beschwerderecht zu.
7 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird zusammengefasst ausgeführt, es gehe im Kern um die Frage, ob der Liegenschaftseigentümerin, die gleichzeitig Bauwerberin sei, jedenfalls eine Parteistellung im Baueinstellungsverfahren zukomme, auch wenn der Baueinstellungsbescheid an den Bauführer ergangen und der Liegenschaftseigentümerin als Bauwerberin nur in Abschrift zugestellt worden sei. Selbst wenn man eine Parteistellung des Bauführers bejahte, käme der Revisionswerberin als Grundeigentümerin und Bauherrin/Bauwerberin Parteistellung zu (wird näher ausgeführt).
8 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen (vgl. VwGH 31.5.2019, Ro 2018/03/0022, mwN). 9 Mit der Neufassung des § 60 Abs. 1 lit. d BO durch die am 30. Juni 2018 in Kraft getretene Novelle LGBl. Nr. 37/2018 wurde normiert, dass für den Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtet wurden, dann eine Baubewilligungspflicht gegeben ist, wenn der Anzeige des Abbruches keine Bestätigung des Magistrates angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Auf dem Boden dieser Rechtslage erging die Baueinstellung wegen fehlender Baubewilligung. 10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gleichgelagerten Fall, in welchem mit Abbrucharbeiten bereits vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 37/2018 begonnen worden war und diese auch im Zeitpunkt der Erlassung des Baueinstellungsbescheides des Magistrates noch nicht abgeschlossen waren, ausgesprochen, dass für die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich ist, die Rechtslage, die bei Beginn der Ausführung des Bauvorhabens (hier: des Abbruches) gegolten hat, heranzuziehen ist (VwGH 28.5.2019, Ro 2019/05/0012).
11 In einem Fall wie dem gegenständlichen, in welchem unbestritten mit den Abbrucharbeiten am 28. Juni 2018 begonnen wurde und diese auch über den Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus andauerten, bestand im Zeitpunkt des somit maßgeblichen Beginns des Abbruches auf Grund des § 60 Abs. 1 BO in Verbindung mit § 62a BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 37/2018 keine Baubewilligungspflicht (vgl. hierzu mit ausführlicher Begründung wiederum VwGH 28.5.2019, Ro 2019/05/0012). 12 Angesichts der damit im vorliegenden Fall fehlenden rechtlichen Grundlage für ein Baueinstellungsverfahren mangels Baubewilligung hätte eine Beantwortung der in den Revisionszulässigkeitsgründen aufgeworfenen Frage betreffend die Parteistellung der Revisionswerberin in einem solchen Verfahren nur hypothetischen Charakter. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG aber nicht zuständig (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/10/0063, mwN).
13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2020
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