VwGH Ra 2019/22/0069

VwGHRa 2019/22/006928.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der S S in W, vertreten durch Mag. Julian Alen Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das am 17. Oktober 2018 mündlich verkündete und mit 17. Dezember 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/044/7869/2018-12, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

NAG 2005 §64 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220069.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Revisionswerberin, einer iranischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels "Studierende" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mangels ausreichenden Studienerfolges ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend stellte das VwG fest, die Revisionswerberin verfüge seit 2007 über immer wieder (zuletzt bis 18. Juli 2017) verlängerte Aufenthaltstitel für Studierende. Sie habe jedoch für das relevante Studienjahr 2017/2018 keinen Studienerfolg gemäß § 74 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen. Gründe, die der Einflusssphäre der Revisionswerberin entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar wären, lägen nicht vor. Ihre Krebserkrankung sei eigenen Aussagen zufolge und in Übereinstimmung mit den vorgelegten Unterlagen seit Juni 2017 ausgeheilt; somit sei das maßgebliche Studienjahr 2017/2018 davon nicht betroffen. Die Revisionswerberin habe zwar von September 2017 bis April bzw. Mai 2018 unter psychischen Problemen als Folge ihrer Krebserkrankung gelitten, diese hätten sie jedoch laut eigener Aussage in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht davon abgehalten, im Studienjahr 2017/2018 Lehrveranstaltungen zu besuchen oder positiv abzuschließen. 5 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin zunächst vor, das VwG weiche von der - nicht konkret genannten - "ständigen Judikatur der Höchstgerichte zur Frage des Vorliegens von Gründen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind" ab und habe dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Es liege auch ein Verfahrensmangel darin, dass das VwG ausführe, die Revisionswerberin habe die Frage verneint, ob ihre psychischen Schwierigkeiten sie davon abgehalten hätten, im Studienjahr 2017/2018 Lehrveranstaltungen zu besuchen oder positiv abzuschließen, "obwohl sie dies bejahte".

6 Die Revisionswerberin lässt jedoch offen, inwiefern weitere Feststellungen aus welchen rechtlichen Erwägungen zu treffen gewesen wären. Ein diesbezüglicher Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

Im Verhandlungsprotokoll wurde festgehalten, die Revisionswerberin habe die Frage, ob ihre psychischen Schwierigkeiten sie irgendwie davon abgehalten hätten, Lehrveranstaltungen zu besuchen oder positiv abzuschließen, verneint und dazu angegeben, dass sie trotzdem regelmäßig an den Lehrveranstaltungen teilgenommen habe; dies gelte für das Studienjahr 2017/2018. Es kann somit keine Rede davon sein, dass die Revisionswerberin diese Frage bejaht habe. Den Verfahrensakten ist auch nicht zu entnehmen, dass gegen das Verhandlungsprotokoll Einwendungen erhoben worden wären. Dieses Protokoll liefert somit vollen Beweis (§ 17 VwGVG iVm § 15 AVG).

Selbst wenn man vom Vorliegen von Gründen, die der Einflusssphäre der Revisionswerberin entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, ausginge, ist auf die ständige hg. Rechtsprechung hinzuweisen, wonach solche Hinderungsgründe nicht dauerhaft sein dürfen; konnte wegen einer Erkrankung in zwei Studienjahren kein ausreichender Studienerfolg erbracht werden, kann von einem bloß vorübergehenden Hindernis im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG nicht die Rede sein (vgl. VwGH 3.10.2013, 2012/22/0048; 13.10.2011, 2009/22/0305, mwN). Aus den Verfahrensunterlagen geht hervor, dass die Revisionswerberin (zumindest) in den Studienjahren 2016/2017 und 2017/2018 keinen ausreichenden Studienerfolg nachweisen konnte. Auch insofern ist nicht zu erkennen, dass das VwG von der ständigen hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

7 Die Revision bringt weiter vor, es fehle an höchstgerichtlicher Judikatur zum Freundschafts- und Niederlassungsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran vom "4.04.1966". Art. 3 dieses Vertrages beinhalte ein Niederlassungsrecht und eine Meistbegünstigungsklausel, wonach Angehörige des Kaiserreiches Iran in Österreich keine ungünstigere Behandlung als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation erfahren dürften. Im Hinblick auf die Regelungen für EWR-Bürger in den §§ 51 f NAG hätte dem Antrag der Revisionswerberin stattgegeben werden müssen, weil es auf einen Erfolg in Zusammenhang mit der Absolvierung einer Ausbildung in § 51 Abs. 1 (gemeint wohl: Z 3) NAG nicht ankomme.

8 Auf dieses - erstmals in der Revision geäußerte - Vorbringen ist an sich nicht einzugehen, weil die Revisionswerberin unstrittig die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels gemäß § 64 NAG beantragte und sich nicht auf ein allenfalls auf diesen Vertrag gestütztes Aufenthaltsrecht berief.

Im Übrigen ist dieses Vorbringen aus folgendem Grund nicht zielführend:

Art. 3 und 14 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran, BGBl. Nr. 45/1966, lauten auszugsweise:

"Artikel 3

Die Angehörigen einer Hohen Vertragschließenden Partei werden auf dem Gebiet der anderen Partei gemäß den Grundsätzen und der Übung des Völkerrechtes aufgenommen. Sie genießen daselbst bezüglich ihrer Person, ihres Eigentums und ihrer Rechte und Interessen den durch die Gesetze und die sonstigen Vorschriften gewährleisteten Schutz. Sie haben das Recht, das Gebiet der anderen Partei zu betreten und zu verlassen, daselbst zu reisen, ihren Aufenthalt zu wählen, sich niederzulassen und jede Erwerbstätigkeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auszuüben, vorausgesetzt, daß sie sich hiebei den Gesetzen und sonstigen Vorschriften unterwerfen, die auf dem Gebiet dieser Partei in Kraft stehen. Die Gesetze und sonstigen Vorschriften beider Hoher Vertragschließender Parteien, betreffend das Paßwesen und die Aufenthaltsbedingungen für Ausländer, werden durch die vorangehenden Vertragsbestimmungen in keiner Weise berührt.

Jede der Hohen Vertragschließenden Parteien kann jederzeit Verfügungen treffen, um die Einwanderung auf ihrem Gebiet zu regeln oder zu verbieten, vorausgesetzt, daß es sich hiebei nicht um diskriminierende Maßnahmen handelt, die speziell gegen alle Angehörigen der anderen Partei gerichtet sind.

Die Angehörigen der beiden Hohen Vertragschließenden Parteien genießen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit eine nicht ungünstigere Behandlung als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.

...

Artikel 14

Es besteht Einverständnis darüber, daß die Bestimmungen des vorliegenden Vertrages, denen zufolge die Angehörigen und die in Artikel 6 bezeichneten Gesellschaften einer der Hohen Vertragschließenden Parteien auf dem Gebiet der anderen Partei die gleiche Behandlung wie die Angehörigen oder Gesellschaften der meistbegünstigten Nation erfahren, nicht anwendbar sind:

a) auf Begünstigungen, die eine der Hohen Vertragschließenden Parteien dritten Staaten auf Grund einer multilateralen Vereinbarung gewährt oder in Zukunft gewähren sollte,

b) ..."

Aus Art. 14 lit. a des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran ergibt sich eindeutig, dass die Meistbegünstigungsklausel nicht auf Begünstigungen anwendbar ist, die eine Vertragspartei dritten Staaten aufgrund einer multilateralen Vereinbarung gewährt oder in Zukunft gewähren sollte. Somit kann sich die Revisionswerberin nicht auf die Unionsrecht umsetzenden Bestimmungen der §§ 51 f NAG berufen. 9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

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