VwGH Ra 2019/19/0132

VwGHRa 2019/19/013210.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des B S, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2019, L508 1211194-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §53
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190132.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein 1969 geborener iranischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 12. April 1996 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, der - letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. Oktober 2008 - abgewiesen wurde. Mit Bescheid vom 15. März 2013 stellte die Landespolizeidirektion Wien fest, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. 2 Am 21. August 2013 stellte der Revisionswerber den nunmehr gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, im Iran drohe ihm Verfolgung, weil er einerseits in Österreich an Demonstrationen und anderen oppositionellen Aktivitäten gegen die Regierung des Iran teilgenommen habe und andererseits aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei und sich dem Christentum zugewandt habe.

3 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Februar 2014 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, weil er am 23. Mai 2013 einen anderen unter Verwendung einer Schusswaffe absichtlich schwer am Körper verletzt hatte. Das Urteil erlangte am 6. August 2014 Rechtskraft.

4 Mit Bescheid vom 27. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Folgeantrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unberechtigt ab (Spruchpunkte I. und II.). Unter einem erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.), setzte keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), erließ ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.) und sprach aus, dass der Revisionswerber das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 9. Mai 2018 verloren habe (Spruchpunkt IX.).

5 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 3. Jänner 2019 aufschiebende Wirkung zu. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. des Bescheides als unbegründet ab. Hinsichtlich der Spruchpunkte VI., VIII. und IX. gab es der Beschwerde insoweit Folge, als es die Frist zur freiwilligen Ausreise mit drei Monaten festlegte, die Dauer des Einreiseverbots auf fünf Jahre herabsetzte und aussprach, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 6. August 2014 verloren habe. Den im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wies das BVwG mangels Zuständigkeit zurück. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7 Das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers in seinem - aus der Untersuchungshaft gestellten - Folgeantrag vom 21. August 2013 erachtete das BVwG nicht als glaubhaft. Hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten führte das BVwG aus, eine Rückkehr des Revisionswerbers in den Iran stelle auch unter Berücksichtigung der Erkrankungen des Revisionswerbers (insbesondere Abhängigkeit von Suchtmitteln) auf der Grundlage der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - etwa auch zur medizinischen Versorgung - keine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK dar. Unter Beachtung von Feststellungen zu den persönlichen bzw. familiären Verhältnissen des Revisionswerbers erachtete das BVwG eine Rückkehrentscheidung als zulässig und ein Einreiseverbot von fünf Jahren als angemessen. Zu Lasten des Revisionswerbers berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vorrangig die strafgerichtliche Verurteilung bzw. die Art der Tatbegehung und die Persönlichkeit des Revisionswerbers sowie ferner, dass sein Aufenthalt sich zunächst nur auf einen abgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz gestützt und der Revisionswerber vor seiner Inhaftierung seinen Lebensunterhalt insbesondere durch "Schwarzarbeit auf Baustellen" bestritten habe. 8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe es unterlassen, seiner Entscheidung aktuelle Länderberichte zur Lage im Iran - insbesondere auch zur Bedrohung von Christen und Oppositionellen - zugrunde zu legen. Zu "den Ergebnissen der Beweisaufnahme" sei keine Stellungnahme eingeräumt worden, weshalb das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör verletzt worden sei. Auch zum Familienleben des Revisionswerbers in Österreich sowie zu seiner Erkrankung hätten weitere Erhebungen durchgeführt werden müssen.

12 Mit diesem Vorbringen werden Verfahrensmängel geltend gemacht. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht ausreichend ist, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzutun (vgl. etwa VwGH 27.5.2019, Ra 2018/01/0302; 10.9.2018, Ra 2017/19/0431 (im Besonderen zur Aktualität von Länderberichten); 8.6.2018, Ra 2017/17/0679 (zur Verletzung des Parteiengehörs); jeweils mwN).

13 Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren pauschalen Ausführungen nicht gerecht. Das BVwG hat entgegen der Revision insbesondere Feststellungen zur Lage von Oppositionellen und Christen im Iran, sowie zu den persönlichen Verhältnissen des Revisionswerbers - insbesondere zu seinem Gesundheitszustand und seiner sozialen Integration - getroffen. Die Revision legt nicht dar, welche weiteren Feststellungen zu treffen bzw. konkret welche weiteren Umstände zu erheben gewesen wären bzw. welches Vorbringen der Revisionswerber im Verfahren noch erstatten hätte können. Die Revision übersieht in diesem Zusammenhang auch, dass das BVwG das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers - eine Konversion zum Christentum sowie eine exponierte Teilnahme an oppositionellen Aktivitäten gegen die iranische Regierung - nicht als glaubhaft erachtet und schon deshalb die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran verneint hat. 14 Die Revision richtet sich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Übrigen gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose bzw. für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. etwa VwGH 27.8.2018, Ra 2018/18/0351, mwN).

15 Das BVwG hat neben den den Revisionswerber belastenden Tatsachen - insbesondere seine strafgerichtliche Verurteilung - entgegen der Revision auch die maßgeblichen zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Umstände - insbesondere die Dauer seines Aufenthaltes im Inland und seine privaten Bindungen - in seine Abwägung miteinbezogen. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Interessenabwägung bzw. die Gefährdungsprognose fallbezogen auf mangelhafter Grundlage bzw. unvertretbar erfolgt wären.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Juli 2019

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