VwGH Ra 2019/14/0391

VwGHRa 2019/14/039130.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2019, W107 2194199-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140391.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der aus Afghanistan stammende Revisionswerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 11. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 23. März 2018 ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung abgewichen, weil die Voraussetzungen von der Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nicht vorgelegen seien. Das Verwaltungsgericht habe es für erforderlich erachtet, seiner Entscheidung ein aktualisiertes Länderinformationsblatt zugrunde zu legen. Damit habe es ergänzende Feststellungen zur Situation im Heimatland des Revisionswerber getroffen.

8 Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn dieser Bestimmung "geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:

9 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht muss die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0103, mwN).

10 Dem Revisionswerber gelingt es nicht, darzutun, dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten hat, dass die Durchführung einer Verhandlung geboten ist, wenn das Bundesverwaltungsgericht zur Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers aktuelle Länderberichte einholt und die Feststellungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ergänzt (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0131). Die Revision, die behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe den Sachverhalt ergänzt, bleibt es aber schuldig darzustellen, welche für die Entscheidung maßgeblichen Feststellungen aufgrund welcher Berichte ergänzt worden wären. Vielmehr verweist der Revisionswerber an anderer Stelle darauf, dass das Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht habe, der betreffend die Lage im Heimatland des Revisionswerbers entscheidungswesentliche Sachverhalt habe sich nicht geändert. Im Übrigen hat der Revisionswerber im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Richtigkeit der aus der Berichtslage ersichtlichen und ihm zur Kenntnis gebrachten Tatsachen nicht infrage gestellt, sodass auch aus diesem Blickwinkel nicht zu sehen ist, weshalb die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, es habe fallbezogen ein geklärter Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgelegen, unvertretbar gewesen wäre (vgl. insofern anders gelegen, weil dort in Bezug auf den Inhalt der Länderberichte ein substantiiertes Vorbringen erstattet wurde, VwGH 19.4.2016, Ra 2014/01/0216).

11 Der Revisionswerber wendet sich weiters in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision - unter Hinweis auf das Vorliegen eines Ermittlungsmangels - gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das zu den Gründen seiner Flucht erstattete Vorbringen.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434; 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

13 Mit dem Hinweis auf den Inhalt von aus den Jahren 2015 und 2017 stammenden und im Internet veröffentlichten Artikeln gelingt es der Revision nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers in Bezug auf die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen. Das Bundesverwaltungsgericht ist nämlich nicht davon ausgegangen, dass die in diesen Berichten geschilderten Kämpfe nicht stattgefunden hätten. Vielmehr hat es den Angaben des Revisionswerbers zu einer ihn aus asylrelevanten Gründen konkret betreffenden Verfolgung die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Dass diesen Berichten Umstände zu entnehmen wären, wonach die Angaben des Revisionswerbers in einem anderen Licht zu sehen wären, vermag die Revision nicht darzutun. 14 Weiters behauptet der Revisionswerber, mit den Regelungen über den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber seien die Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) nur unzureichend und daher unionsrechtswidrig umgesetzt worden. Erkennbar der Sache nach Bezug nehmend auf die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommene Abwägung macht er geltend, es sei vom Verwaltungsgerichtshof zu klären, ob "die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Antragstellers angesichts der unionsrechtswidrigen Gestaltung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber als Kriterium für die Beurteilung des Grades der Integration herangezogen werden" dürfe. Warum die Revision von dieser Frage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt, wird in ihr aber nicht aufgezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Beurteilung auf das Fehlen der Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers nicht abgestellt. Die ins Treffen geführte Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft hat das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt, ihr aber keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dass der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht sonst festgestellten Umstände fallbezogen eine solche Bedeutung zukäme, die zu einem anderen Ergebnis führen könnte, ist im Übrigen nicht zu sehen. Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0397, mwN). Es gelingt der Revision nicht, darzutun, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung als unvertretbar anzusehen wäre.

15 Auf weiteres Vorbringen, das sich allein in den Revisionsgründen findet, ist zufolge § 34 Abs. 1a und § 28 Abs. 3 VwGG bei der Beurteilung, ob sich eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig darstellt, nicht weiter einzugehen (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434). Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch diesem - sich in erster Linie auf die Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz beziehenden - Vorbringen keine Berechtigung zukommt. 16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. Oktober 2019

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