VwGH Ra 2019/08/0027

VwGHRa 2019/08/002721.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des M S in O, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2018, Zl. W167 2014679- 1/10E, betreffend Beiträge nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §68 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080027.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GKK) vom 29. April 2013 wurde der Revisionswerber verpflichtet, für vier bei ihm beschäftigte Dienstnehmer Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt EUR 15.930,07 zu entrichten. Der dagegen erhobene Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Dezember 2013 abgewiesen.

2 Die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Februar 2014 abgelehnt, und mit Beschluss vom 14. April 2014 wurde sie dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Dieser wies die ergänzte Beschwerde mit Erkenntnis vom 10. September 2014, Ro 2014/08/0069, ab.

3 Bereits am 28. April 2014 erging gegenüber dem Revisionswerber ein Rückstandsausweis der GKK, mit dem ihm Beiträge in Höhe von EUR 16.286,32 (die mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 rechtskräftig festgestellten Beiträge von EUR 15.930,07 zuzüglich EUR 356,25 Wohnbauförderungsbeitrag) für das Jahr 2012 sowie Verzugszinsen in Höhe von EUR 8.719,73 (gerechnet bis 31. März 2014) vorgeschrieben wurden (insgesamt EUR 25.006,05).

4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Rückstandsausweis mit Schriftsatz vom 16. Juni 2014 Einwendungen. Er machte im Wesentlichen geltend, dass ihm niemals ein Bescheid zugestellt worden sei, "mit welchem ihm die Zahlung von Beiträgen in Höhe von EUR 16.286,32 aufgetragen worden wäre"; ebenso wenig sei ihm ein Bescheid über Verzugszinsen in Höhe von EUR 8.719,73 zugestellt worden. Es seien daher hinsichtlich der angeblichen Beitragsforderungen keine Rechtskraft und Vollstreckbarkeit eingetreten. Im Jahr 2012 habe er keine Dienstnehmer beschäftigt. Außerdem seien die Forderungen zwischenzeitlich verjährt.

5 Die GKK stellte daraufhin mit Bescheid vom 26. September 2014 fest, dass die Einwendungen nicht gerechtfertigt seien und dass am 28. April 2014 auf dem Beitragskonto des Revisionswerbers ein offener Rückstand von EUR 25.006,05 zuzüglich 7,88 % Verzugszinsen aus EUR 16.286,32 ab 1. April 2014 bestanden habe.

6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich, führte es nach Darstellung des unstrittigen Verfahrensgangs aus, der Revisionswerber habe in der Beschwerde vorgebracht, dass sich die GKK nicht mit der Verjährung nach § 68 ASVG auseinandergesetzt habe. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass die Höhe der Beiträge bereits mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 rechtskräftig festgestellt worden sei und daher eine Feststellungsverjährung nach § 68 Abs. 1 ASVG nicht mehr eintreten könne. Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG verjähre das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, sodass auch keine Einforderungsverjährung eingetreten sei. Betreffend die Verjährung von Verzugszinsen sei darauf hinzuweisen, dass eine Maßnahme, die zur Unterbrechung der Verjährungsfrist für die Feststellung der Beiträge führe, grundsätzlich auch hinsichtlich der Frist für die Feststellung der Verzugszinsen verjährungsunterbrechend wirke. Die Höhe der Verzugszinsen sei von der GKK im Bescheid vom 26. September 2014 nachvollziehbar dargelegt worden, wogegen die Beschwerde kein konkretes Vorbringen enthalte.

7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt zunächst vor, dass dem angefochtenen Erkenntnis keine Auseinandersetzung mit der von Amts wegen wahrzunehmenden Einforderungsverjährung nach § 68 Abs. 2 ASVG zu entnehmen sei, wobei das Bundesverwaltungsgericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen gehabt hätte. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber vor dem Hintergrund des unstrittigen Verfahrensgangs zu Recht die Einforderungsverjährung verneint: Die zweijährige Frist nach § 68 Abs. 2 ASVG konnte erst nach Abschluss des Verfahrens betreffend die strittige Beitragsschuld (letztlich durch die Bestätigung des Bescheides vom 9. Dezember 2013 mit dem hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ro 2014/08/0069) zu laufen beginnen. Die GKK hatte bereits mit der Erlassung des Rückstandsausweises vom 28. April 2014 eine Einbringungsmaßnahme gesetzt, an die sich auf Grund der Einwendungen des Revisionswerbers ein Verfahren vor der GKK und dem Bundesverwaltungsgericht anschloss, dem ebenfalls verjährungsunterbrechende Wirkung zukam und während dessen Dauer die Einforderungsverjährungsfrist nicht (weiter) laufen konnte (vgl. VwGH 25.6.2013, 2013/08/0036).

12 Soweit der Revisionswerber - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung rügt, ist ihm zu erwidern, dass das Absehen von der Verhandlung im vorliegenden Fall ausnahmsweise gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG gerechtfertigt war. Die Höhe der eingeforderten Beitragsschuld war (mit Ausnahme des als solchen unstrittigen Wohnbauförderungsbeitrags) bereits rechtskräftig festgestellt, und die für die Beurteilung der Einforderungsverjährung wesentlichen Tatsachen waren ebenfalls unstrittig, sodass insofern nur mehr eine - vom Verwaltungsgerichtshof schon ausjudizierte - Rechtsfrage zu lösen war. Was aber die Verzugszinsen betrifft, so ging es lediglich um eine Berechnungsfrage, bei der nicht ersichtlich ist, inwiefern es zu ihrer Klärung einer mündlichen Erörterung bedurft hätte (vgl. zum Absehen von einer Verhandlung, wenn keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen sind, die Tatsachen nicht bestritten werden und das Gericht auf der Grundlage der schriftlichen Stellungnahmen und der Aktenlage entscheiden kann, sowie bei eher technischen Fragen wie etwa in Sozialversicherungsfällen zB auch EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Rn 97 ff).

13 Schließlich bringt der Revisionswerber vor, dass die lange Dauer des Verfahrens im Widerspruch zu seinem Recht auf Entscheidung in einem fairen Verfahren innerhalb angemessener Frist nach Art. 6 EMRK stehe. Von der Dauer des Verfahrens hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aber nicht ab. Verzögerungen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wären vielmehr mit Säumnisbeschwerde geltend zu machen gewesen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Februar 2019

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