Normen
SDG 1975 §10 Abs1 Z1
SDG 1975 §2 Abs2 lite
SDG 1975 §2 Abs2 Z1 lite
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030105.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 6. September 2018 entzog die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien dem Revisionswerber die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für die Fachgebiete 23.05 und
23.65 (Länderkunde; Afghanistan (23.05) sowie andere asiatische Staaten (23.65), nur für Irak, Syrien). Gleichzeitig wies sie den Antrag des Revisionswerbers auf Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die Fachgebiete 23.20, 23.65 und 23.60 (Länderkunde; Pakistan (23.20), andere asiatische Staaten (23.65), nur für Sudan, Somalia und Eritrea) ab.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 3 Begründend stützte es sich darauf, dass der Revisionswerber die gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG erforderliche Vertrauenswürdigkeit als Sachverständiger nicht (mehr) aufweise. Der Revisionswerber habe in einem in der Tageszeitung "X" vom 3. November 2017 abgedruckten Interview zur Behandlung von Asylanträgen afghanischer Asylwerber unter anderem auf die Frage des Journalisten, wie viele Afghanen aus Sicht des Revisionswerbers tatsächlich verfolgt würden, geantwortet: "Ich würde sagen, 70 Prozent der Leute, die von Afghanistan nach Österreich kommen, sind Wirtschaftsflüchtlinge." Überdies habe er in einem Zeitungsartikel der "Y" vom 18. August 2018 das gegen ihn geführte gegenständliche Entziehungsverfahren wie folgt kommentierte: "Es gibt offensichtlich eine ganz intensive Zusammenarbeit zwischen dem für das Verfahren zuständigen Landesgericht für Zivilrechtssachen und den NGOs. Sie wollen mich zerstören." Jede dieser Äußerungen sei nach Auffassung des BVwG geeignet, die Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Zweifel zu ziehen. Mit dem ersten Zitat habe der Revisionswerber den Eindruck vermittelt, er sei der Ansicht, 70 Prozent der afghanischen Asylwerber seien Wirtschaftsflüchtlinge, was in einer objektiven Wahrnehmung impliziere, dass diesen kein internationaler Schutz zustehe. Dies sei schon mit den Asylstatistiken des Bundesministers für Inneres von 2017 nicht in Einklang zu bringen. Schon diese Äußerung mache ihn für Asylverfahren afghanischer Asylwerber objektiv befangen. Mit der Behauptung, die belangte Behörde im Entziehungsverfahren arbeite intensiv mit NGOs zusammen, um den Revisionswerber zu zerstören, werde der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen - zu Unrecht - ein gesetzwidriges Verhalten vorgeworfen. Bei der Bewertung dieser Aussage sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber den Kontakt mit dem Journalisten von sich aus gesucht und den Text des Interviews ausdrücklich genehmigt habe. All das führe ebenfalls zum Verlust der Vertrauenswürdigkeit als Sachverständiger.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2237/2019-5, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde. 5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber in der Zulassungsbegründung geltend, der Verwaltungsgerichtshof stelle im Rahmen seiner bisherigen Rechtsprechung zur Beurteilung des Verlustes der Vertrauenswürdigkeit bei Sachverständigen ausschließlich auf strafrechtlich relevantes bzw. gesetzwidriges Verhalten ab. Zur Frage, ob die Vertrauensunwürdigkeit auch in Zusammenhang mit öffentlichen Meinungsäußerungen in Medien verloren gehe, fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung. Der Revisionswerber vertrete die Rechtsansicht, dass die Beurteilung des BVwG, wonach eine fachlich fundierte Meinungsäußerung des Revisionswerbers in den Medien geeignet sei, den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit zu begründen, weder gesetzlich gedeckt noch rechtlich vertretbar sei. Dies gelte auch für eine in den Medien geäußerte begründete sachliche Kritik an der Parteilichkeit der belangten Behörde als berechtigte Reaktion auf ein an Willkür grenzendes und jedenfalls mangelhaftes Verhalten. Bei dieser Äußerung des Revisionswerbers sei zu berücksichtigen, dass er medial unerfahren sei und ihm eine zugespitzte Formulierung in den Mund gelegt worden sei. 6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs betrifft die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen im Sinn des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. e SDG seine persönlichen Eigenschaften. Es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Unmaßgeblich ist, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Sachverständigen überhaupt zukommt oder nicht. Es kann daher auch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Sachverständigentätigkeit steht, Vertrauensunwürdigkeit begründen (vgl. etwa VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025, 3.6.2019, Ra 2019/03/0060, jeweils mwN). 8 Mit diesen rechtlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich auch der vorliegende Einzelfall lösen, ohne dass es weiterer höchstgerichtlicher Leitlinien bedürfte.
9 Es trifft, wie schon aus dem oben wiedergegebenen Rechtssatz ersichtlich ist, entgegen dem Vorbringen in der Revision nicht zu, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen nur auf strafrechtlich relevantes bzw. gesetzwidriges Verhalten des Sachverständigen Bedacht genommen hätte. Es wurde vielmehr immer wieder betont, dass in Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt und Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen darf und dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist. Eben das hat das BVwG im gegenständlichen Fall getan und sich dabei innerhalb der vom Höchstgericht vorgegebenen rechtlichen Leitlinien gehalten. 10 Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, dass es dem Revisionswerber offenstand, in einem Interview mit einem Journalisten seinen Rechtstandpunkt in einem seine Person betreffenden laufenden Entziehungsverfahren zu äußern und dabei auch, wie die Revision argumentiert, "begründete sachliche Kritik an der Parteilichkeit der belangten Behörde" zu erheben. Allerdings zeigt die Revision nicht auf, worin diese begründete sachliche Kritik im konkreten Fall gelegen sein sollte. Mit der Äußerung, es gebe eine intensive Zusammenarbeit zwischen der für das Entziehungsverfahren zuständigen Behörde und den NGOs, um ihn zu zerstören, unterstellt der Revisionswerber dem handelnden Organ im Ergebnis ein amtsmissbräuchliches und damit strafgesetzwidriges Vorgehen zu seinen Lasten. Diesen massiven Vorwurf leitet der Revisionswerber daraus ab, dass gegen ihn ein - wie er meint - "an Willkür grenzendes und jedenfalls mangelhaften Verfahren" geführt werde, ohne diese Kritik nachvollziehbar machen zu können. Von ihm als einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, der mit dem Behördenalltag vertraut ist, wäre zu erwarten gewesen, die gesetzlich gebotene Vorgangsweise der Behörde bei eingehenden Anzeigen gegen den Sachverständigen sachlich zu analysieren und bei seiner Beurteilung des behördlichen Vorgehens zu berücksichtigen. Derartiges lässt die Vorgangsweise des Revisionswerbers zur Gänze vermissen. 11 Das BVwG hat zudem ausdrücklich hervorgehoben, dass der Revisionswerber die strittige Äußerung aus eigenem Antrieb getätigt hat. Er hat den Kontakt mit dem Journalisten von sich aus gesucht und den veröffentlichten Text auch ausdrücklich freigegeben. Der Revisionswerber hat somit das Interview dazu eingesetzt, in eigener Sache öffentlichen Druck auf die belangte Behörde auszuüben zu versuchen, und zu diesem Zweck sachlich nicht begründete Kritik an der Unbefangenheit des entscheidenden Organs geübt. Insgesamt vermag der Verwaltungsgerichtshof deshalb die Einschätzung des BVwG, diese Vorgangsweise des Revisionswerbers sei geeignet gewesen, Bedenken an seiner Gesetzestreue und Korrektheit zu begründen, nicht als fehlerhaft zu erkennen. 12 In Bezug auf die weiteren vom BVwG herangezogenen medialen Äußerungen des Revisionswerbers ist festzuhalten, dass es dem Revisionswerber selbstverständlich freistand, zu Fachfragen in einem Fachgebiet, für das er in die Sachverständigenliste als Experte eingetragen ist, in allgemeiner Art und Weise in einem Medium Stellung zu nehmen. Auch war es ihm nicht verwehrt, einzelne Fragen überspitzt oder pointiert zu beantworten; selbst einzelne und unwesentliche fachliche Unrichtigkeiten, die ihm dabei unterlaufen, mögen für sich genommen keinen Grund bilden, die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu entziehen.
13 Allerdings betraf das vom Bundesverwaltungsgericht zur Gänze festgestellte Interview des Revisionswerbers im November 2017 im "X" den Kernbereich der Tätigkeit des Revisionswerbers als Sachverständiger für Afghanistan. Die kritisierte Äußerung des Revisionswerbers, "70% der Leute, die von Afghanistan nach Österreich kommen, sind Wirtschaftsflüchtlinge", wurde vom BVwG unter Hinweis auf gegenteilige Statistiken des Bundesministers für Inneres aus dem Jahr 2017 als unrichtig eingestuft. Dass diese Erwägungen des BVwG nicht zuträfen, legt die Revision nicht dar, weshalb sie auch nicht darzulegen vermag, dass die Ausführungen des Sachverständigen "fachlich fundiert" gewesen seien.
14 Entscheidend ist aber, dass der Beurteilung des BVwG, der Revisionswerber habe durch diese Äußerung den Anschein der Voreingenommenheit erweckt, auch unter Bedachtnahme auf das gesamte Interview nicht als rechtswidrig angesehen werden kann. So beantwortete der Revisionswerber beispielsweise auch die Frage, ob Geflüchtete (nach Afghanistan) einfach zurückkehren könnten,
undifferenziert dahingehend, das sei "im Grunde ... kein Problem".
Dem Einwand des Journalisten, man höre aber immer wieder Geschichten von getöteten Verwandten oder Drohungen, kommentierte der Revisionswerber (ohne erkennbares Problembewusstsein dafür, einen potentiellen Verfolger zum Wahrheitsgehalt einer Verfolgungsbehauptung zu befragen) damit, sich mit einem Taliban-Führer getroffen zu haben, der eine Person bedroht haben sollte. Dieser habe gelacht und gemeint, er habe den Drohbrief gar nicht schreiben können, weil er Analphabet sei.
15 Alle diese der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemachten Äußerungen des Revisionswerbers stützen die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber habe dadurch zumindest den Anschein seiner Voreingenommenheit (gegenüber afghanischen Asylwerbern) begründet. Von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen wäre aber zu erwarten, dass er seine öffentlichen Äußerungen zu Fachfragen seines Fachgebiets mit Bedacht wählt und kein Verhalten setzt, dass seine Unvoreingenommenheit in Frage stellt.
16 In einer Gesamtbetrachtung erweist sich daher die Beurteilung des BVwG, der Revisionswerber habe die für einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen erforderliche Vertrauenswürdigkeit nicht (mehr), als nicht zu beanstanden.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
