VwGH Ra 2018/19/0654

VwGHRa 2018/19/065426.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in den Revisionssachen 1. des A B und 2. der M H, beide in W und beide vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 11. Oktober 2018, 1) Zl. W156 2180985-1/14E und

2) Zl. W156 2180986-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylGDV 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190654.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien, zwei afghanische Staatsangehörige, stellten am 25. Juli 2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen damit begründeten, dass die Zweitrevisionswerberin mit dem Onkel des Erstrevisionswerbers verheiratet gewesen sei. Sie habe ihre Ehe nicht ertragen können und sei daher mit dem Erstrevisionswerber in den Iran geflüchtet. Der Onkel würde sie bei einer Rückkehr beide umbringen.

2 Mit Bescheiden vom 24. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge vollinhaltlich ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen gegen die Revisionswerber und stellte fest, dass deren Abschiebungen nach Afghanistan zulässig seien. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen vom 11. Oktober 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

4 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In den vorliegenden Revisionen wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe nicht beachtet, dass außerehelicher Geschlechtsverkehr in der auf der Scharia basierenden Rechtsordnung in Afghanistan strafbar sei. Die Revisionswerberin habe als verheiratete Frau eine Beziehung zum Neffen ihres Ehemannes gehabt. Ihr drohe in Afghanistan womöglich die Todesstrafe. Es komme zudem immer wieder zu Attacken durch die Taliban. Diese seien inzwischen in der Lage, Personen praktisch überall ausfindig zu machen, weshalb auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme.

Die revisionswerbenden Parteien würden auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu den Tadschiken und Sunniten massive Verfolgung erleiden und könnten in Afghanistan nicht Fuß fassen. Das BVwG habe nicht erkannt, dass die revisionswerbenden Parteien im Fall einer Abschiebung in eine ausweglose Lebenssituation geraten würden. Sie hätten weder einen Beruf erlernt noch könnten sie sich in Afghanistan selbst ernähren.

7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGG hat ein Revisionswerber einerseits konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte, und andererseits konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich beantwortet hat oder dass dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt fehlt (vgl. etwa jüngst VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712, mwN). Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0352, mwN).

8 Diesen Anforderungen entsprechen die vorliegenden Revisionen mit ihren bloß allgemeinen Ausführungen zur Zulässigkeit nicht.

9 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. etwa VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0476, mwN). Im vorliegenden Fall entfernen sich die revisionswerbenden Parteien mit ihren Ausführungen zur Strafbarkeit des Ehebruches insofern vom festgestellten Sachverhalt, als das BVwG nicht feststellen konnte, dass die Zweitrevisionswerberin (mit einem anderen Mann) verheiratet gewesen sei.

10 Wenn die revisionswerbenden Parteien darüber hinaus auf die Strafbarkeit außerehelichen Geschlechtsverkehrs verweisen, ist ihnen zu erwidern, dass einer Berücksichtigung eines erstmals in den Revisionen erstatteten Vorbringens bereits das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegensteht (vgl. jüngst VwGH 24.1.2019, Ra 2018/01/0376, mwN). Das Neuerungsverbot steht auch der in den Revisionen erstmals vorgebrachten Behauptung einer Verfolgung durch die Taliban entgegen.

11 Soweit sich die Revisionen gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz wenden, ist ihnen entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0078, mwN).

12 Die Revisionen zeigen mit ihrem allgemeinen Vorbringen, sie würden bei einer Abschiebung nach Afghanistan in eine ausweglose Lebenssituation geraten, nicht auf, dass die Beurteilung der gegenständlichen Fälle durch das Bundesverwaltungsgericht unter Beachtung der obigen Grundsätze unvertretbar erfolgt wäre.

13 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. März 2019

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