VwGH Ra 2018/19/0578

VwGHRa 2018/19/057823.1.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler sowie Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des A H J, vertreten durch Mag. Ulrike Veronik-Pongratz, Rechtsanwältin in 8552 Eibiswald, Eibiswald 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2018, Zl. W259 2159612-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190578.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er stellte am 16. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Begründung bracht er vor, er habe Afghanistan schon im Alter von zwei Jahren verlassen. Er sei in Pakistan aufgewachsen, wo Schiiten verfolgt würden. In Afghanistan sei es nicht sicher; bei einer Rückkehr habe er Angst vor Anschlägen.

2 Mit Bescheid vom 10. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit hier maßgeblich - zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, eine Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatprovinz Ghazni sei aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht zumutbar. Dem Revisionswerber stehe jedoch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif offen. Beides seien vergleichsweise sichere und über internationale Flughäfen direkt erreichbare Städte. Das Fehlen sozialer und familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan führe nicht zur Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative, zumal der Revisionswerber durch seine in Pakistan lebende Familie finanziell unterstützt werden könne. Der Revisionswerber sei ein arbeitsfähiger, gesunder, junger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Er habe vier Jahre die Schule besucht, verfüge über Berufserfahrung, spreche eine der Landessprachen und sei aufgrund seiner Sozialisierung mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Eine besondere Vulnerabilität des Revisionswerbers liege nicht vor.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision wendet sich ausschließlich gegen die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Das Bundesverwaltungsgericht habe diese rechtlich nicht begründet. Aus den angeführten Länderberichten gehe zudem hervor, dass eine Reintegration ohne familiäres Netzwerk eine große Herausforderung darstelle und die Arbeitslosigkeit hauptsächlich gering qualifizierte, bildungsferne Personen wie den Revisionswerber betreffe. Darauf gehe das Bundesverwaltungsgericht nicht ein. Das Bundesverwaltungsgericht habe verkannt, dass beim Revisionswerber derartige, die Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative begründende Umstände kumulativ vorliegen würden, und habe verabsäumt, diesbezügliche Feststellungen zu treffen. Hätte es "die genannten wesentlichen Verfahrensvorschriften" nicht außer Acht gelassen, hätte es zu einer inhaltlich anders lautenden Entscheidung gelangen müssen.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0352, mwN).

10 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision, insoweit sie lediglich allgemein die Verletzung nicht näher genannter Verfahrensvorschriften behauptet, bei deren Einhaltung das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, nicht gerecht.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Hinblick auf das ihr unter anderem innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit erfordert (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2017/19/0431, mwN). Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).

12 Insoweit die Revision bloß behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe wegen des fehlenden familiären Netzwerkes in Afghanistan und der dem Revisionswerber drohenden Arbeitslosigkeit zu Unrecht eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative angenommen, kann sie vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung nicht darlegen, dass diese Beurteilung allein aus den in der Revision genannten Gründen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit leidet.

13 Die Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht habe die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht begründet bzw. Umstände, die die Unzumutbarkeit einer solchen begründen würden, nicht berücksichtigt, ist nicht zutreffend.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2019

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