Normen
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160084.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Instanzenzug gegenüber der mitbeteiligten Gesellschaft m.b.H. (Mitbeteiligten) die jährliche Kanalbenützungsgebühr für eine näher genannte Liegenschaft mit Wirkung ab 1. Jänner 2017 unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 2.404,35 m2, eines Einheitssatzes von 3,39 EUR und einer Minderung von 71 % mit 2.363,72 EUR fest. Das Landesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse stellte das Landesverwaltungsgericht fest, das auf der streitgegenständlichen Liegenschaft errichtete Objekt sei mit zwei Geschoßen an den Ortskanal angeschlossen. Die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Geschoßfläche sei unstrittig. Das an den Kanal angeschlossene Kellergeschoß weise eine Geschoßfläche von 785,91 m2 auf, wobei die Lagerflächen eine Fläche von 366,79 m2 ausmachten. Gang und Vorraumflächen dienten zur Erreichung sowohl der Lagerräume als auch der spezifisch gewerblich genutzten Räumlichkeiten und dienten daher weder dem einen noch dem anderen Zweck vorrangig. Das Archiv stelle eine geordnete Sammlung meist historischer Schriftstücke dar, weshalb dabei der Lagerungsaspekt überwiege. Gleiches gelte für eine Garderobe, die der Ablage (Lagerung) von Kleidungsstücken diene. Der Heizraum und der Kompressorraum würden allgemeinen Zwecken und nicht vorrangig der gewerblichen Nutzung dienen. Aber selbst wenn man bei diesen Räumen von einer vorrangig gewerblichen Nutzung ausgehe, überwögen die Lagerräume im Kellergeschoß dennoch deutlich. Deshalb sei das Kellergeschoß wegen Überwiegens der Lagerflächen bei der Ermittlung der Berechnungsfläche nicht zu berücksichtigen. 3 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Stadtrates der Stadtgemeinde Purkersdorf (der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht) legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.
4 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); Revisionsbeantwortungen langten keine ein. 5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der revisionswerbende Stadtrat (Revisionswerber) trägt zur Zulässigkeit seiner Revision u.a. vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, was unter dem Begriff eines Lagerraumes im Sinn des § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 zu verstehen sei, zumal sich eine gesetzliche Definition des Lagerraumes im NÖ Kanalgesetz nicht finde. Dabei stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage nach der Auslegung des Ausnahmetatbestandes "ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen" in § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977. Nach dem Sprachverständnis sei ein Lagerraum ein Raum, in dem entweder benötigte Rohstoffe und Materialien zum Zwecke der nachfolgenden Verarbeitung im Betrieb oder aber fertiggestellte Produkte zum Zweck der Auslieferung und des Verkaufs gelagert würden. Unter den Begriff "Lager" würden aber Garderoben und Archive zweifellos ebenso wenig fallen wie das Öllager und der Raum, in welchem sich die Prozesswasseraufbereitung sanlage befinde, sowie ein Heizraum.
8 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis berechtigt. 9 Gemäß § 5 Abs. 1 des NÖ Kanalgesetzes 1977 ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles.
10 § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 lautet:
"(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre."
11 Gemäß § 1a Z 6 NÖ Kanalgesetz 1977 ist die Geschoßfläche die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche und bleiben nicht konstruktiv bedingte, nachträglich an bestehende Außenwände ab dem 1. Jänner 2009 angebrachte Wärmeschutzverkleidungen unberücksichtigt.
12 Das Landesverwaltungsgericht nahm die gesamte Geschoßfläche des unstrittig an die Kanalanlage angeschlossenen Kellergeschoßes des in Rede stehenden Gebäudes von der Berechnungsfläche nach § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 aus. Es begründete dies damit, dass die in § 5 Abs. 3 leg. cit. angeführten Lagerräume flächenmäßig überwögen, wobei das Landesverwaltungsgericht Gang und Vorraumflächen bei der Berechnung des Flächenverhältnisses ausnahm, weil sie zur Erreichung sowohl der Lagerräume als auch der spezifisch gewerblich genutzten Räumlichkeiten, daher weder dem einen noch dem anderen Zweck vorrangig dienten. Ebenso würden der Heizraum und der Kompressorraum allgemeinen Zwecken und nicht vorrangig der gewerblichen Nutzung dienen.
13 Dass es sich beim in Rede stehenden Kellergeschoß um ein solches im Sinn des § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 handelt (zur Begriffsbestimmung des Kellergeschoßes vgl. auch VwGH 29.4.2002, 2001/17/0178) ist im Revisionsfall unstrittig. 14 Das NÖ Kanalgesetz 1977 enthält keine Begriffsbestimmung des Lagerraumes. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist darunter ein Raum zu verstehen, der zur Lagerung (Aufbewahrung) von Gegenständen dient und in welchem eine sonstige Tätigkeit nicht oder allenfalls nur in völlig untergeordneter Bedeutung stattfindet. Dementsprechend zählen aber ein Heizraum und ein Kompressorraum genauso wenig zu den Lagerräumen wie Gang und Vorraumflächen.
15 Die vom Revisionswerber in der Revision vertretene Einschränkung, dass es sich um die Lagerung von Rohstoffen oder Materialien zum Zwecke der nachfolgenden Verarbeitung im Betrieb oder von fertig bestellten Produkten zum Zweck der Auslieferung des Verkaufs handeln müsse, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem Gesetz nicht zu entnehmen. Daher können entgegen der Ansicht des Revisionswerbers Garderoben und Archive ebenso wie ein "Öllager" (ein Raum, in welchem sich lediglich ein Öltank, nicht auch wie in einem Heizraum der Brenner befindet) als Lagerraum dienen. Bei Garderoben wird darauf abzustellen sein, ob dort lediglich die abgelegten Kleidungsstücke und allenfalls Schuhe aufbewahrt werden oder ob diese Räumlichkeiten auch als Umkleideraum verwendet werden. 16 § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 normiert, dass angeschlossene Kellergeschoße dann berücksichtigt werden, "wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen".
17 Das Landesverwaltungsgericht stellt bei der Beurteilung des Kellergeschoßes auf ein Überwiegen der Lagerräume an der Geschoßfläche ab. Es nimmt bei einem Überwiegen der Flächen der Lagerräume gegenüber den Flächen einer sonstigen gewerblichen Nutzung unter Ausklammerung allgemeiner oder keinem der beiden Zwecke vorrangig dienender Flächen das gesamte Kellergeschoß bei der Ermittlung der Berechnungsfläche aus.
18 Demgegenüber versteht der Verwaltungsgerichtshof die gesetzliche Anordnung des § 5 Abs. 3 zweiter Satz des NÖ Kanalgesetzeses 1977 so, dass angeschlossene Kellergeschoße, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, grundsätzlich zur Gänze zu berücksichtigen sind. Auch eine Verwendung von Räumen dieses Geschoßes als Lagerräume kann eine gewerbliche Nutzung darstellen. 19 So hat der Verwaltungsgerichtshof auch bei der ähnlichen Frage eines Gebäudeteiles im Sinn des § 1a Z 7 des NÖ Kanalgesetzeses 1977, welcher als Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerbliche oder industrielle Lager oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftlichen Zwecken definiert ist, ausgesprochen, dass das Gesetz insoweit keine Einschränkung normiert oder auf ein "Überwiegen" der begünstigten Nutzung der Einheiten abstelle (vgl. VwGH 20.11.2002, 2002/17/0155).
20 Die in § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 enthaltende Wortfolge "ausgenommen Lagerräume" bedeutet, dass die Flächen solcher Lagerräume bei der Berechnung der Geschoßfläche des gewerblich genutzten Kellergeschoßes auszunehmen sind. 21 Solcherart durfte das Landesverwaltungsgericht sohin bei der Ermittlung der Berechnungsfläche nicht darauf abstellen, ob die Flächen der Lagerräume im Kellergeschoß überwiegen, sondern hätte von der Fläche des Kellergeschoßes, welches vor diesem rechtlichen Hintergrund gewerblich genutzt wird, jene Flächen abzuziehen gehabt, die sich auf Lagerräume im Sinn des § 5 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzeses 1977 beziehen.
22 Aus diesem gegenüber den in der Revision gerügten Mängeln vorrangigen Grund war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 29. Mai 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
