VwGH Ro 2018/13/0017

VwGHRo 2018/13/001720.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. Juli 2018, Zl. RV/7106296/2015, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2008 bis 2013 (mitbeteiligte Partei:

S GmbH in W, vertreten durch die BDO Austria GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1100 Wien,

Am Belvedere 4), zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art135 Abs1;
61995CJ0002 SDC / Skatteministeriet VORAB;
62005CJ0455 Velvet und Steel Immobilien VORAB;
62017CJ0005 DPAS VORAB;
UStG 1994 §6 Abs1 Z8 lite;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018130017.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, erbringt Zahlungsverkehrsdienstleistungen. Sie ist ein österreichisches Kreditkartenunternehmen, welches sowohl als kartenausgebende Bank ("Issuer") als auch in der Akquisition von Vertragspartnern (Vertragshändlern; "Acquirer") tätig ist.

2 Im Rahmen von Berufungen gegen Bescheide des Finanzamtes, mit denen im Gefolge einer Außenprüfung bzw. einer Nachschau Umsatzsteuer für die Jahre 2008 bis 2011 festgesetzt worden war, machte die Mitbeteiligte - erstmals - geltend, Leistungen, die eine schweizerische Aktiengesellschaft (in der Folge X CH) an die Mitbeteiligte erbracht habe, seien als unecht befreite Umsätze (§ 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994) zu behandeln (in den Folgejahren wurde die Steuerfreiheit in den Abgabenerklärungen geltend gemacht). Sie führte hiezu aus, sie beziehe von der X CH, die in Österreich über keine feste Niederlassung verfüge, Zahlungsverkehrsdienstleistungen. Diese seien bisher als steuerpflichtig behandelt worden, wobei die Rechnungen an die Mitbeteiligte netto unter Anwendung des Reverse-Charge-Mechanismus ausgestellt worden seien. Eine umsatzsteuerliche Prüfung des zu Grunde liegenden Sachverhaltes habe aber ergeben, dass diese unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 zu subsumieren und daher zwingend als unecht steuerbefreit zu behandeln seien.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den (nunmehr) Beschwerden betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 teilweise Folge und änderte die Umsatzsteuerbescheide ab.

4 Das Bundesfinanzgericht behandelte die von der X CH an die Mitbeteiligte erbrachten Leistungen als steuerbefreit.

5 Im Rahmen der Schilderung des Verfahrensgangs verwies das Bundesfinanzgericht u.a. auf einen Vorhalt vom Dezember 2017.

6 Aus der Vorhaltbeantwortung ergebe sich, dass die Mitbeteiligte die X CH mit der Durchführung folgender Leistungen beauftragt habe:

7 a) "Acquiring Processing": Darunter sei die händlerseitige Verarbeitung der Kartenzahlungen ("POS-Acquiring") und Bargeldabhebung an Geldausgabeautomaten ("ATM-Acquiring"; diese Leistungen seien bis zur Abspaltung des Teilbetriebes am 30. Juni 2011 an die Mitbeteiligte erbracht worden) zu verstehen.

8 Die Transaktionen (Zahlungen am POS bzw. Abhebung am ATM) würden von der X CH entgegengenommen, wo eine Autorisierungsprüfung (liegt ein gültiger Vertrag mit dem Händler oder der Bank vor, ist das Terminal berechtigt, die Transaktion durchzuführen usw.) erfolge. Sodann erfolgten weitere Verarbeitungsschritte (u.a. im "Fraud Monitoring System", um auffällige Verhaltensmuster zu erkennen und drohende Schäden abzuwenden). Die X CH verwalte Stammdaten der Vertragsunternehmer, erstelle "Zahlungsfiles" für die Verrechnung mit Vertragsunternehmen und den Bankinstituten der ATM-Standorte und wickle Reklamationen mit den "Card Schemes" ab. Weitere von ihr durchgeführte Funktionen umfassten die Verdichtung der Transaktionsdaten und deren Übergabe sowie die Rechnungserstellung für die Verrechnung mit den Vertragsunternehmen sowie die Übergabe der Transaktionsdaten. Sie stelle sicher, dass die Transaktionsdaten richtig abgerechnet würden. Weiters übermittle sie komprimierte Daten sowie Buchungsdaten an die Finanzbuchhaltung der Mitbeteiligten.

9 b) "Debit Issuing Processing": Darunter sei die karteninhaberseitige Verarbeitung von Kartenzahlungen und Bargeldabhebungen mit Debit-Karten, sowie die Kartenausgabe und - verwaltung zu verstehen. Ab 30. Juni 2011 seien nach Abspaltung eines Teilbetriebes keine diesbezüglichen Leistungen der X CH an die Mitbeteiligte erbracht worden.

10 Hiebei überprüfe die X CH die Gültigkeit der Karte, PIN, Kreditlimit. Es erfolge eine finanzielle Autorisierung durch die Banken; bei Nichterreichbarkeit der Banken erfolge die Autorisierung über "Fallback Limits", die bei der X CH gespeichert seien. Für das Clearing und Settlement mit den Banken und "Card Schemes" würden die Daten aufbereitet sowie Tagessummen für die Bankengruppen errechnet und an diese übermittelt. Die Kontoführung wie auch Belastung der Kundenkonten sei Aufgabe der jeweiligen Bank.

11 c) "Quick Processing" (Be- und Entladungen der elektronischen Geldbörse, Durchführung der Zahlungen, sowie Kartenausgabe und -verwaltung).

12 Der Karteninhaber müsse hiezu ein ausreichendes Guthaben auf der Quick-Karte zur Verfügung haben; diese Aufladung erfolge an ATM, Quick-Ladestationen oder Banken. X CH erhalte die Transaktionsdaten über die Terminalinfrastruktur (POS-Terminals oder Bankomaten). X CH liefere komprimierte Daten an die Mitbeteiligte, die für Auswertungen, Reporting und zur Kundenstammpflege herangezogen werden könnten. Daneben würden Buchungsdaten an die Finanzbuchhaltung der Mitbeteiligten übergeben.

13 Die X CH verfüge über einen "technischen Zugriff" auf Settlement-Konten der Mitbeteiligten, was bedeute, dass die Verrechnungsdaten in einem Format erstellt würden, das Buchungen ohne weiteren Zugriff der Mitbeteiligten zulasse.

14 Im Rahmen der "rechtlichen Würdigung" führte das Bundesfinanzgericht zu den "Finanzdienstleistungen" aus, die Mitbeteiligte habe zwei "Verarbeitungsverträge", die zwischen ihr und der X CH abgeschlossen worden seien, vorgelegt.

15 Im Vertrag vom Februar 2008 ("Acquiring von Debit- und Kreditkarten") würden die Leistungen der X CH wie folgt umschrieben: Gegenstand des Vertrages sei das "Processing" für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit Produkten der Mitbeteiligten in dem von der Mitbeteiligten gewünschten Umfang, insbesondere die Erbringung von Verarbeitungs- und sonstigen Dienstleistungen, die sich aus der Abwicklung des Acquiring-Geschäftes in Bezug auf Kredit- und Debitkarten sowie Elektronische Geldbörse ergäben. Als "Processing" seien entsprechend einer im Vertrag enthaltenen Definition EDV-Dienstleistungen zu verstehen, die dazu dienten, Zahlungsverkehrstransaktionen technisch entsprechend den Vorgaben der "Card Schemes" abzuwickeln. Das Processing beinhalte in der Regel zusätzliche technische Dienstleistungen, wie

z. B. Rechnungsdruck oder Erstellen von Statistiken.

16 Gegenstand des Vertrags vom Juli 2008 sei das "Processing" für die Herausgabe ("Issuing") von Debitkarten und Elektronischer Geldbörse sowie für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit diesen Produkten in dem von der Mitbeteiligten gewünschten Umfang, insbesondere die Erbringung von Verarbeitungs- und sonstigen Dienstleistungen, die sich aus der Abwicklung des Issuing-Geschäftes ergäben. "Processing" im Sinne dieses Vertrages seien EDV-Dienstleistungen, die dazu dienten, die Herausgabe (Issuing) von Debitkarten und Elektronischer Geldbörse technisch entsprechend den Vorgaben der "Card Schemes" abzuwickeln. Das Processing beinhalte in der Regel zusätzliche technische Dienstleistungen, wie z.B. das Kartenmanagement (Bestellen, Mutieren, Sperren etc. von Zahlungskarten), Drucken und Versand von PIN, EDV-Dienstleistungen für die Autorisierung sowie das Clearing und Settlement, Erstellen von Statistiken.

17 Die von der X CH zu erbringenden Leistungen würden in "Service Level Agreements" näher beschrieben. Hiezu führte das Bundesfinanzgericht in den Service Level Agreements näher genannte Leistungen an ("Processing Services", "Hosting Services").

18 Die Mitbeteiligte erbringe im Falle von Debit/Kreditkartenzahlungen bzw. der Verwendung der elektronischen Geldbörse als Issuer/Acquirer-Bank Leistungen an Kunden- /Händlerbanken und bediene sich ihrerseits der X CH zur Erbringung umfangreicher Finanzdienstleistungen. Die im Fall von Zahlungen mit Debit- und Kreditkarte bzw. Auszahlungen über ATM-Automaten ("Bankomaten") betroffenen Konten, die im Zuge von Transaktionen belastet (Karteninhaber) oder dotiert (Vertragsunternehmen) würden, von denen somit Geld übertragen werde, würden von den Banken der Karteninhaber bzw. Vertragshändler geführt, wobei die Kreditinstitute der Kunden die jeweiligen Transaktionen über Nachfrage freigeben bzw. Freigabekriterien im Voraus festgelegt hätten.

19 Hinsichtlich dieser (dispositiven) Entscheidungsprozesse trügen die Mitbeteiligte (über deren Konten die Zahlungsabwicklung erfolge) bzw. die X CH keine Verantwortung.

20 Die X CH erbringe Leistungen im Bereich des "Acquiring-Processing", "Debit Issuing Processing" bzw. "Quick Processing". Die X CH führe die Autorisierung der Zahlungen, das Clearing und die Ermittlung des Settlement Betrages durch. Die X CH erbringe Leistungen, die eine Übertragung von Geldern bewirkten, die sowohl bei der Mitbeteiligten als auch bei der kartenausgebenden Bank zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führten. Sämtliche Datensätze (Buchungsbelege) würden von der X CH erstellt, der die gesamte technische Abwicklung der Transaktionen obliege. Die Mitbeteiligte verfüge über die Konten und das Geld, welches durch die Processing-Leistungen der X CH "bewegt" werde. Die X CH habe über die von ihr erzeugten Buchungen einen technischen Zugriff auf die Kundenkonten. Die Mitbeteiligte übernehme die von der X CH erzeugten Buchungen als ihre eigenen. Die Mitbeteiligte habe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Zahlung. Beim Bankomatkartengeschäft prüfe die X CH die Authentifizierung des Karteninhabers, sie führe die "kryptologische Absicherung" durch und prüfe, aus welchem Land die Bankomatkarte stamme. Die X CH verfüge über sämtliche Informationen über die von ihr abgewickelten Zahlungen oder Überweisungen. Die X CH trage die uneingeschränkte Verantwortung für die datenverarbeitungstechnischen Abläufe in Zusammenhang mit der Abwicklung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs für die Kunden der Mitbeteiligten. Die X CH erbringe weiters Nebenleistungen, wie z. B. Rechnungsdruck, Übergabe von Transaktionsdaten an die Mitbeteiligte für deren Buchhaltung, Reports oder Verrechnungsaufstellungen. Die X CH sei gegenüber der Mitbeteiligten für ihre Tätigkeiten verantwortlich und zwar insbesondere für Fehler, die bei Änderungen der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation auftreten können. Sie hafte sowohl für Hard- wie auch für Softwarefehler und garantiere die Fehlerfreiheit der für die Mitbeteiligte verbindlich zu übernehmenden Buchungssätze. Fehlerhafte Buchungssätze oder Auszahlungen, die zu einem "Eigentümerverlust" und Schadenersatzansprüchen führen, würden von der Mitbeteiligten geltend gemacht und der X CH in Rechnung gestellt, die letztendlich den Schaden tragen müsse.

21 Schon die von der X CH übernommenen Funktionen im Bereich der Autorisierung umfassten wesentliche Leistungselemente. Im Unterschied zum Sachverhalt des "EuGH Bookit" werde die X CH nicht im Auftrag eines Vertragshändlers, sondern für ein Kreditinstitut (die Mitbeteiligte) tätig, das Leistungen gegenüber kontoführenden Banken von Karteninhabern bzw. Vertragshändlern erbringe.

22 Die den jeweiligen Bankinstituten verbleibenden Aufgaben im Bereich des Zahlungs-/Überweisungsverkehrs mit Debit-/Kredit- /Quickkarten bzw. der Auszahlungen am ATM, wie die finanzielle Autorisierung derartiger Transaktionen bzw. die Kontoführung, stellten sich gegenüber den von der X CH im Auftrag der Mitbeteiligten übernommenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten als deutlich eingeschränkt dar.

23 Daraus folge, dass der Aufgabenbereich der X CH die gesamte "End-to-End" Verarbeitung vom Kauf beim Händler ("POS") bzw. der Bargeldbehebung am Automaten bis zur Abrechnung mit dem Kreditinstitut des Karteninhabers und den Kartenorganisationen bzw. des jeweiligen Bankinstituts am Standort des ATM umfasse. Sie erbringe damit eine im "Großen und Ganzen eigenständige Leistung". Die X CH übernehme wesentliche Leistungen des Überweisungs- und Zahlungsverkehrs.

24 Die X CH erzeuge Buchungssätze, die zu Zahlungsströmen führten, sie verdichte und koordiniere sie, nehme aber selbst unmittelbar keine Belastungen, Gutschriften oder Umbuchungen zwischen den betreffenden Konten vor.

25 Die Transaktionen würden von der X CH dem betroffenen Kreditinstitut mittels Abrechnungsdateien bekannt gegeben und stellten damit Zahlungsaufforderungen in elektronischer Form dar, die (nach Freigabe) ohne weitere Änderungsmöglichkeiten rechtliche und finanzielle Änderungen bewirkten.

26 Eine Beschränkung der Haftung der X CH auf bestimmte von ihr ausgeübte Funktionen sei nicht erkennbar. Sie erfülle spezifische und wesentliche Funktionen einer steuerbefreiten Leistung. Die von ihr übernommene Verantwortung für spezifische und wesentliche Elemente sei daher in ausreichendem Ausmaß gegeben.

27 Es lägen gravierende Unterschiede im Leistungsumfang zwischen Bookit und der von der X CH erbrachten Dienstleistung vor. Folge man der Aussage des EuGH (in der Rechtssache Bookit) vorbehaltlos, könnte ein im Debit- /Kreditkartengeschäft tätiges, den Zahlungsverkehr übernehmendes Dienstleistungsunternehmen nicht steuerfrei gestellt werden, da es immer der Käufer oder die Person, die am ATM (Geldausgabeautomaten) Bargeld abhebe, sei, die die Entscheidung über diesen Vorgang treffe. Der EuGH würde sich damit in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung (in der Rechtssache SDC) setzen, wonach das tatsächliche Eigentum an den Geldern nicht unbedingt erforderlich sei, sondern auch das "potentielle Eigentum" oder die "spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Übertragung" für die Annahme einer steuerbefreiten Leistung ausreichend sein könnten, aber ebenfalls nicht zwingend erforderlich seien.

28 Da eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Steuerfreiheit von Finanzdienstleistungen bisher noch nicht ergangen sei, sei die Revision zulässig.

29 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (ordentliche) Revision des Finanzamts insoweit, "als das Bundesfinanzgericht die von der (X CH) an die (Mitbeteiligte) erbrachten Umsätze aus Dienstleistungen im Bereich des Acquiring von Debit- und Kreditkarten, des Issuing-Processing von Debitkarten sowie der elektronischen Geldbörse als gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 steuerfrei angesehen hat, obwohl es sich nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt um rein materielle, technische und administrative Leistungen zum Zwecke der Vorbereitung der Zahlungs- und Überweisungsdurchführung handelte."

30 Das Finanzamt macht zusammengefasst geltend, die von der X CH erbrachten zahlreichen Einzelleistungen seien als einheitliche Leistung zu beurteilen. Es fehle aber im vorliegenden Fall an der Voraussetzung, dass diese einheitliche und eigenständige Leistung die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Überweisung bzw. Zahlung erfülle. Dabei komme es auf den "eigenständigen Charakter" der Leistung an. Eine Leistung, die zwar einzelne Elemente einer Finanzdienstleistung enthalte, könne nicht steuerfrei sein, wenn das Gesamtleistungspaket seinem Wesen und seiner Art nach durch datenverarbeitungstechnische und administrative Leistungen sowie Informationsdienstleistungen charakterisiert sei, die zwar im Zusammenhang mit der Abwicklung von Kartenzahlungen und Geldbehebungen am Automaten erforderlich seien, aber lediglich der Vorbereitung der letztlich von den beteiligten Banken ausgelösten Zahlungs- und Überweisungsvorgänge sowie der Unterstützung und Servicierung dienten. Es lägen somit reine Vorstufenleistungen vor, die die wesentlichen und spezifischen Funktionen einer Zahlung bzw. Überweisung, nämlich die Übertragung der Gelder und die Bewirkung der Änderung der rechtlichen und finanziellen Eigentumsverhältnisse, nicht erfüllten. Erst durch die, wenn auch unveränderte, Übernahme der von der X CH fertig erstellten Buchungssätze durch die Mitbeteiligte bzw. die beteiligten Banken werde die Übertragung von Geldern und damit die Änderung der rechtlichen oder finanziellen Verhältnisse ausgelöst. Die Erstellung von Zahlungsaufforderungen in elektronischer Form bewirke noch nicht die Übertragung der Gelder. Das von der X CH an die Mitbeteiligte erbrachte Leistungspaket sei als EDV-Dienstleistung, als Serviceleistung und als administrative Leistung anzusehen; es erfülle nicht die wesentlichen und spezifischen Funktionen des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs. Auch die Verantwortung bzw. Haftung der X CH beziehe sich nur auf datenverarbeitungstechnische und administrative Dienstleistungen, die nicht als spezifisch und wesentlich für die Änderung der Eigentumsverhältnisse anzusehen seien.

31 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Sie macht zusammenfassend geltend, die von der X CH ausgeübten Funktionen und Tätigkeiten, wozu datenverarbeitungstechnische Abläufe in Zusammenhang mit der Abwicklung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs für die Kunden der Mitbeteiligten nötig seien, und ihre diesbezügliche Verantwortung schlössen die Annahme rein technischer und administrativer Leistungen zum Zwecke der Vorbereitung der Zahlungs- und Überweisungsdurchführung aus. Die Leistungen der X CH für die Mitbeteiligte wiesen einen eigenständigen Charakter auf und erfüllten die für den Zahlungs- und Überweisungsverkehr spezifischen und wesentlichen Funktionen. Sie seien daher steuerfrei iSd § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994.

 

32 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

33 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 sind die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr einschließlich Zahlungs- und Überweisungsverkehr sowie das Inkasso von Handelspapieren steuerfrei.

34 Diese Bestimmung hat ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 2006/112/EG (zuvor Art. 13 Teil B Buchstabe d Z 3 der Richtlinie 77/388/EWG , in der Folge: Sechste Richtlinie; die Rechtsprechung zu jener Bestimmung ist weiterhin relevant, vgl. EuGH 26.5.2016, Bookit, C- 607/14 , Rn. 32). Diese Bestimmung lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

(...)

d) Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;"

35 Die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 ist - richtlinienkonform - im Sinne der Rechtsprechung des EuGH auszulegen (vgl. - zu § 6 Abs. 1 Z 8 lit. f UStG 1994 - VwGH 21.9.2016, 2013/13/0096, Rz 9; vgl. auch deutscher Bundesfinanzhof 16.11.2016, XI R 35/14, Rz 19).

36 Danach sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen - damals - nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen (EuGH 5.6.1997, SDC, C-2/95 , Rn. 20). Die Befreiungen stellen autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts (Unionsrechts) dar, die im Gesamtzusammenhang des durch die Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (EuGH SDC, Rn. 21; vgl. auch EuGH 25.7.2018, DPAS, C-5/17 , Rn. 28 f, mwN).

37 Die befreiten Umsätze sind durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert (EuGH SDC, Rn. 32; EuGH DPAS, Rn. 31).

38 Die Überweisung ist ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie gegebenenfalls zwischen den Banken führt. Der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, ist allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten unabhängig von deren Grund. Da die Überweisung nur ein Mittel zur Übertragung der Gelder ist, sind die funktionellen Aspekte für die Frage entscheidend, ob ein Vorgang eine Überweisung im Sinne dieser Bestimmung darstellt (EuGH SDC, Rn. 53; EuGH DPAS, Rn. 33).

39 Die Befreiungsbestimmung schließt nach ihrem Wortlaut grundsätzlich nicht aus, dass der Überweisungsvorgang in verschiedene einzelne Leistungen zerfällt, die dann "Umsätze im Überweisungsverkehr" sind (EuGH SDC, Rn. 64). Die Befreiung kann sich aber nur auf Umsätze beziehen, die ein eigenständiges Ganzes bilden, das im Großen und Ganzen die Wirkung hat, die spezifischen und wesentlichen Funktionen solcher Überweisungen insofern zu erfüllen, als es die Übertragung von Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt, die diese Übertragung verwirklichen (EuGH DPAS, Rn. 34).

40 Eine Überweisung kann durch eine tatsächliche Übertragung von Geldern oder durch Buchungsvorgänge vorgenommen werden (EuGH DPAS, Rn. 35).

41 Die steuerbefreiten Dienstleistungen sind von der Erbringung rein materieller, technischer oder administrativer Leistungen zu unterscheiden. Zu diesem Zweck ist insbesondere der Umfang der Verantwortung des in Rede stehenden Dienstleistungserbringers zu untersuchen und namentlich die Frage, ob diese Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt ist oder sich auf die spezifischen und wesentlichen Funktionen erstreckt, die die Umsätze auszeichnen (EuGH DPAS, Rn. 36).

42 Zweck der Befreiung dieser (und anderer in Art. 13 Teil B Buchstabe d der Sechsten Richtlinie genannten) Finanzdienstleistungen ist es, Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer verbunden sind, zu beseitigen und eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden (vgl. EuGH 19.4.2007, Velvet & Steel, C-455/05 , Rn. 24; EuGH DPAS, Rn. 46).

43 Dienstleistungen der elektronischen Nachrichtenübermittlung, mit denen Zahlungsanweisungen in geschützter und zuverlässiger Weise von einem Finanzinstitut an das andere übermittelt werden und deren einziger Zweck in der Übertragung von Daten besteht, erfüllen keine der Funktionen eines der von Art. 13 Teil B Buchstabe d Z 3 und 5 der Sechsten Richtlinie erfassten Umsätze, d.h. der Umsätze, die die Übertragung von Geld oder Wertpapieren bewirken (vgl. EuGH 28.7.2011, Nordea Pankki Suomi, C-350/10 , Rn. 34).

44 Der Umstand, dass der betreffende Dienstleistungserbringer selbst unmittelbar Belastungen und/oder Gutschriften auf einem Konto oder Umbuchungen zwischen den Konten ein und desselben Inhabers vornehmen kann, lässt grundsätzlich den Schluss zu, dass die Bedingungen für eine Befreiung der betreffenden Dienstleistung von der Steuer erfüllt sind. Doch kann die bloße Tatsache, dass diese Dienstleistung nicht unmittelbar eine solche Aufgabe umfasst, nicht von vornherein ausschließen, dass sie unter die in Rede stehende Steuerbefreiung fällt (vgl. EuGH 26.5.2016, Bookit, C-607/14 , Rn. 42).

45 Daraus, dass eine Dienstleistung für die Bewirkung eines befreiten Umsatzes unerlässlich ist, kann nicht ihre Befreiung hergeleitet werden (vgl. EuGH Bookit, Rn. 45).

46 Jemand, der Übertragungen oder die Verbuchung in den betreffenden Bankkonten nicht selbst vornimmt, sondern nur Kreditinstitute anweist, diese Übertragungen vorzunehmen, erbringt nur eine Vorstufe zu dem Umsatz im Überweisungs- oder Zahlungsverkehr (vgl. EuGH DPAS, Rn. 40 bis 42).

47 Die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d bis f der Richtlinie 2006/112 befreiten Umsätze sind, auch wenn sie nicht unbedingt von einer Bank oder einem Kreditinstitut getätigt werden müssen, ihrer Art nach Finanzgeschäfte; Dienstleistungen administrativer Natur sind nicht befreit (vgl. EuGH DPAS, Rn. 45).

48 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die von der X CH an die Mitbeteiligte erbrachten Leistungen diesen Voraussetzungen entsprechen.

49 Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, muss die Begründung eines Erkenntnisses erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt VwGH 31.1.2019, Ra 2017/15/0010, mwN).

50 Diesen Anforderungen an eine Begründung genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.

51 Hiezu ist zunächst zu bemerken, dass das angefochtene Erkenntnis keine gesonderten Feststellungen zum Sachverhalt enthält; damit ist auch etwa nicht erkennbar, worauf sich der Verweis (auf Seite 57 im angefochtenen Erkenntnis) beziehen soll, wenn auf den "Sachverhaltsteil" verwiesen wird. Die darauf folgenden Ausführungen - im Rahmen der "rechtlichen Würdigung" - im angefochtenen Erkenntnis vermengen aber offenkundig Sachverhaltsfeststellungen und rechtliche Beurteilung, wenn etwa ausgeführt wird, X CH erbringe Leistungen, die eine Übertragung von Geldern bewirkten.

52 Soweit allenfalls die Schilderungen zur Beantwortung des Vorhalts vom Dezember 2017 (Seiten 18 bis 22 im angefochtenen Erkenntnis) als "Sachverhaltsteil" gemeint sein sollen, so scheinen diese aber nicht im Einklang mit den Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu sein, die insbesondere die zentrale Frage der Bewirkung der Übertragung von Geldern betreffen. Im Rahmen dieser rechtlichen Würdigung führt das Bundesfinanzgericht etwa aus, die X CH habe "technischen Zugriff" auf die "Kundenkonten". Im Rahmen der Schilderung der Beantwortung des Vorhalts wurde hingegen lediglich ausgeführt, die X CH verfüge über einen technischen Zugriff auf die Settlement-Konten der Mitbeteiligten (also offenbar gerade nicht der Kundenkonten). Auch führte das Bundesfinanzgericht aus, die Kontoführung wie auch Belastung der Kundenkonten seien die Aufgabe der jeweiligen Bank bzw. die Belastung des Kundenkontos erfolge nach Ermessen der Bank, also jeweils gerade nicht durch die X CH oder die Mitbeteiligte.

53 Aus den zum Teil auch schwer verständlichen Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis kann wohl abgeleitet werden, dass die X CH für die Mitbeteiligte umfangreiche Dienstleistungen erbracht hat, die sich auf den Zahlungs- und Überweisungsverkehr bezogen haben. Das Ergebnis dieser Dienstleistungen waren aber offenbar jeweils Abrechnungsdateien, die den jeweiligen Vertragspartnern der Mitbeteiligten (Banken und Händlern) zur Verfügung gestellt wurden. Damit erscheint aber fraglich, was gemeint ist, wenn das Bundesfinanzgericht ausführt, die Leistungen der X CH bewirkten die Übertragung von Geldern bzw. die Processing-Leistungen der X CH würden Gelder "bewegen".

54 Damit kann nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich bei den von der X CH erbrachten Leistungen um bloße Vorstufen zu einem Umsatz im Überweisungs- oder Zahlungsverkehr handelt oder schon um einen derartigen Umsatz.

55 Hat der Begründungsmangel - wie hier - zur Folge, dass dem Verwaltungsgerichtshof die inhaltliche Prüfung des Erkenntnisses verwehrt bleibt, führt der Begründungsmangel zu dessen Aufhebung.

56 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 20. Februar 2019

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