Normen
AVG §59 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §47;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220135.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerberin, einer serbischen Staatsangehörigen, wurde über ihren Antrag vom 21. Mai 2015 auf Grund ihrer Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger T S ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" nach § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt, der in der Folge zwei Mal verlängert wurde.
2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 13. November 2017 wurden diese drei rechtskräftig abgeschlossenen Aufenthaltstitelverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen und nach § 70 Abs. 1 AVG die zugrunde liegenden Anträge der Revisionswerberin gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG abgewiesen.
Die belangte Behörde sah es als erwiesen an, dass die Revisionswerberin die Ehe mit T S lediglich zu dem Zweck geschlossen habe, einen Aufenthaltstitel zu erschleichen. Es sei nie beabsichtigt gewesen, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zu führen. Im Hinblick darauf seien die drei Verfahren wiederaufzunehmen und die Anträge unter einem abzuweisen gewesen.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie vorbrachte, dass sie mit ihrem Ehemann keine Scheinehe eingegangen sei. Zum Beweis dafür wurden - neben ihrer eigenen Vernehmung und derjenigen ihres Ehemannes - drei weitere Personen namhaft gemacht.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Vernehmung der Revisionswerberin und ihres Ehemannes als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass sich die Revisionswerberin bei ihren Anträgen auf die aufrechte Ehe mit T S berufen habe. Bei dieser Ehe handle es sich um eine sogenannte Aufenthaltsehe, die von der Revisionswerberin nur deswegen eingegangen worden sei, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Diesbezüglich stützte sich das Verwaltungsgericht auf den Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 25. August 2017, auf die bei den Vernehmungen hervorgekommenen, näher dargestellten Widersprüche in den Aussagen, die nicht glaubwürdig bzw. plausibel geklärt worden seien, sowie auf die Modalitäten der Eheschließung. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt könne nicht von einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft ausgegangen werden. Den Beweisanträgen auf zeugenschaftliche Vernehmung dreier Personen zum Beweis dafür, dass "keine Scheinehe vorliegt", sei nicht nachzukommen gewesen, weil es das Verwaltungsgericht als im Wesen einer Aufenthaltsehe liegend ansah, diese Ehe Dritten gegenüber als "richtige Ehe" erscheinen zu lassen, und der Revisionswerberin deshalb zugestanden werde, dass die Ehe zwischen ihr und T S den Zeugen gegenüber nicht als Aufenthaltsehe in Erscheinung getreten sei.
In rechtlicher Hinsicht erachtete das Verwaltungsgericht den Tatbestand des Erschleichens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG dadurch als erfüllt, dass sich die Revisionswerberin auf ihre Ehe berufen habe, obwohl ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt worden sei. Durch diese objektiv unrichtige Angabe habe die Revisionswerberin die Behörde dazu bewegt, ihr einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme seien somit gegeben. Da der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG während des Bestehens der Aufenthaltsehe anwendbar sei, sei er von der belangten Behörde zu Recht für die Abweisung der Anträge herangezogen worden.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zur Zulässigkeit zum einen vor, das Verwaltungsgericht hätte nicht über die Wiederaufnahme und die Abweisung der Aufenthaltstitelanträge der Revisionswerberin absprechen dürfen, weil es vor der belangten Behörde kein förmliches Wiederaufnahmeverfahren gegeben habe. Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, im Spruch des bekämpften Bescheides der belangten Behörde seien lediglich die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen, nicht aber die Wiederaufnahme der Verfahren verfügt worden. Den Ausführungen unter der Überschrift "Rechtsgrundlage" sei nur zu entnehmen, dass die Behörde offensichtlich ein Wiederaufnahmeverfahren "einleiten wollte". Die belangte Behörde habe daher rechtswidriger Weise über bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nochmals abgesprochen, weshalb das Verwaltungsgericht der Beschwerde schon aus diesem Grund Folge geben hätte müssen.
8 Im bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 13. November 2017 wird zunächst ausgesprochen, dass die drei Anträge der Revisionswerberin auf Erteilung von Aufenthaltstiteln abgewiesen werden. Sodann wird unter der Überschrift "Rechtsgrundlage", aber vor der Überschrift "Begründung" angeordnet, dass die drei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren wiederaufgenommen und gleichzeitig die drei Anträge der Revisionswerberin auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgewiesen werden. Auch wenn die Gliederung bzw. Kennzeichnung des Spruchs klarer hätte ausfallen können, ist die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen, es sei in diesem Bescheid keine Wiederaufnahme verfügt worden, nicht im Recht.
9 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin lässt sich dem bekämpften Bescheid nämlich klar entnehmen, dass damit nicht bloß - wie die Revisionswerberin meint - der Wille kundgetan wurde, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, sondern dass damit normativ eine amtswegige Wiederaufnahme der drei bezogenen Verfahren verfügt worden ist. Der diesbezügliche Bescheidwille der belangten Behörde kommt angesichts der gewählten Formulierung unmissverständlich zum Ausdruck (vgl. allgemein dazu, dass der Bescheidwille aus der Formulierung mit der gebotenen Deutlichkeit erkennbar sein muss, VwGH 9.3.2000, 99/07/0115; vgl. weiters VwGH 18.10.2001, 2000/07/0054, wonach der normative Abspruch auch aus der Formulierung erschließbar ist, sich der Wille der Behörde, in einer Verwaltungssache hoheitlich abzusprechen, jedoch eindeutig aus der Erledigung ergeben muss). Die vorangestellte Überschrift "Rechtsgrundlage" vermag daran nichts zu ändern, zumal sich aus § 59 Abs. 1 AVG, wonach der Spruch die Angelegenheit unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu erledigen hat, ergibt, dass die Rechtsgrundlage dem Spruch zuzurechnen ist. Die Überschrift "Rechtsgrundlage" führt somit nicht dazu, dass eine danach erfolgte Anordnung nicht mehr dem Spruch des Bescheides zuzuordnen ist. Zudem wurden die entsprechenden Anordnungen in der Begründung des Bescheides mehrfach als "Spruchpunkte" bezeichnet.
10 Es deutet auch nichts darauf hin, dass die Revisionswerberin durch die vorliegende Formulierung bzw. Gliederung des Spruchs in ihren Rechtsschutzmöglichkeiten beeinträchtigt worden wäre (vgl. VwGH 28.1.2004, 2000/12/0311, wonach die Bestimmungen über Inhalt und Form des Bescheides auch im Zusammenhang mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz auszulegen sind). Schließlich hat die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde selbst festgehalten, dass mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. November 2017 die drei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren in den Stand zurückversetzt worden seien, in dem sie sich vor Erteilung des Aufenthaltstitels befunden hätten.
11 Zum anderen bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht habe ihre Beweisanträge betreffend die Vernehmung dreier Personen, die das Vorliegen einer echten Ehe hätten bezeugen können, grundlos abgelehnt.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (siehe VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, mwN).
13 Vor diesem Hintergrund ist zwar zunächst anzumerken, dass der Hinweis des Verwaltungsgerichtes darauf, eine Aufenthaltsehe werde Dritten gegenüber stets als "richtige Ehe" dargestellt, die Ablehnung der Beweisanträge für sich genommen nicht zu tragen vermag. Allerdings wird eine Relevanz des damit in Rede stehenden Begründungsmangels bzw. des behaupteten Verfahrensmangels der unterbliebenen Zeugenvernehmung nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Vernehmung der Zeugen zum Beweis dafür beantragt worden sei, dass keine Scheinehe vorliege (vgl. zur Konkretisierung des Beweisthemas auch VwGH 10.5.2011, 2007/18/0890). Seitens der Revisionswerberin wird nicht substantiiert dargelegt, zu welchen Feststellungen die Vernehmungen der Zeugen geführt hätten und welche Aspekte eines gemeinsamen Familienlebens dadurch nachgewiesen worden wären (vgl. VwGH 17.9.2012, 2011/23/0431). Die Revisionswerberin hat auch kein - gegebenenfalls durch die Aussage der beantragten Zeugen belegbares - konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand geltend gemacht, wodurch die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hätte in Frage gestellt werden können (vgl. VwGH 21.7.2011, 2008/18/0409).
14 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 9. August 2018
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