VwGH Ra 2018/22/0038

VwGHRa 2018/22/00384.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des K A in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Oktober 2017, VGW- 151/036/2286/2017-17, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41;
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62005CJ0016 Tum und Dari VORAB;
ABGB §1151;
ABGB §1153;
ARB1/80 Art6 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
UGB §161;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220038.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, verfügte seit 2010 durchgehend über Aufenthaltsbewilligung für Studierende, zuletzt mit Gültigkeitsdauer bis 17. Februar 2017. Am 14. Juni 2016 stellte er einen Antrag auf Zweckänderung auf einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und begründete dies damit, dass er neben seinem Studium seit 2. Juni 2015 durchgehend bei derselben Arbeitgeberin (K KG) beschäftigt sei. Der Arbeitgeberin sei auch eine Beschäftigungsbewilligung für den Revisionswerber mit Gültigkeit bis 28. Mai 2017 erteilt worden.

5 Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) wies die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Revisionswerber habe zunächst (ab 2. Juni 2015) bei der K KG als Fahrer gearbeitet; für diese Tätigkeit sei auch eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden. Ab 1. Oktober 2015 sei er jedoch als Geschäftsführer und unbeschränkt haftender Gesellschafter tätig gewesen. Spätestens ab 1. Oktober 2015 sei von einer unbewilligten Beschäftigung des Revisionswerbers auszugehen, weil die Beschäftigungsbewilligung für einen Fahrer für maximal zehn Wochenstunden nicht die Tätigkeit als Geschäftsführer umfasse. Er könne daher keine Ansprüche aus dem ARB 1/80 (dem Beschluss des Assoziationsrats vom 19. September 1980) ableiten; er sei keiner ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinn des Art. 6 ARB 1/80 nachgegangen, weil seine Tätigkeit als Geschäftsführer nicht von der Beschäftigungsbewilligung umfasst und somit nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Auch aus der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 und aus Art. 41 des Zusatzprotokolls (ZP) zum Assoziierungsabkommen sei für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil er keine Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben habe. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

6 In ihrer Zulässigkeitsbegründung führt die Revision zusammengefasst aus, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil die sich aus Art. 6 ARB 1/80 ergebenden Rechte dem Revisionswerber unmittelbar zustünden und eine - deklarative - Beschäftigungsbewilligung dafür keine Voraussetzung sei (Hinweis auf VwGH 24.5.2017, Ra 2017/09/0014). Darüber hinaus habe das VwG die Anwendbarkeit des Art. 41 ZP ohne Prüfung der neuen Beschränkungen seit dem 1. Jänner 1995 verneint, obwohl der Revisionswerber seit 12. November 2015 zusätzlich eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe.

7 Fallbezogen ist unstrittig, dass der Revisionswerber seit 1. Oktober 2015 als Geschäftsführer und unbeschränkt haftender Gesellschafter der K KG tätig ist. Nach der ständigen hg. Judikatur kann jemand, der in einem Unternehmen in rechtlicher Hinsicht (sei es als Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person, sei es als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft) einen beherrschenden Einfluss ausübt, nicht Dienstnehmer sein. Dem Revisionswerber als Geschäftsführer und unbeschränkt haftendem Gesellschafter fehlt somit die Eigenschaft als Dienstnehmer. Zwischen einer KG und ihrem uneingeschränkt vertretungs- und weisungsbefugten Komplementär kann es auch keinen Dienstvertrag geben (vgl. VwGH 10.4.2013, 2013/08/0042, mwN). Das Vorbringen zu Art. 6 ARB 1/80 ist daher schon aus diesem Grund nicht zielführend.

Im Übrigen wäre das Vorbringen des Revisionswerbers zu Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 auch aus jenen Gründen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. August 2018, Ro 2017/22/0015, ausführte, nicht zielführend.

8 Die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 ZP kann einem türkischen Staatsangehörigen kein Niederlassungsrecht und kein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht verleihen, das sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergäbe (vgl. EuGH 20.9.2007, Tum und Dari, C-16/05 , Rn. 52; 21.10.2003, Abatay/Sahin, C-317/01 und C-369/01 , Rn. 62). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Leistungserbringer gegenüber dem Staat, in dem er ansässig ist, auf Art. 41 ZP nur dann berufen, wenn die Leistungen an Leistungsempfänger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (vgl. nochmals EuGH, Abatay/Sahin, Rn. 107), was fallbezogen jedoch nicht vorgebracht wurde. Selbst wenn neue innerstaatliche Beschränkungen des Niederlassungsrechts in Bezug auf Art. 41 ZP eingeführt wurden, kann aus dieser Bestimmung keinesfalls ein Recht auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgeleitet werden, der einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt einräumt. Auch das Vorbringen zu Art. 41 ZP führt daher nicht dazu, dass dem Revisionswerber der beantragte Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen gewesen wäre.

Die Abweisung der Revision durch das VwG war daher rechtens. 9 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2018

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