VwGH Ra 2018/19/0461

VwGHRa 2018/19/046118.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des Z A, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das am 3. Oktober 2017 mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, schriftlich ausgefertigt am 10. Jänner 2018 unter der Geschäftszahl W245 2142966-1/16E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190461.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit einem auf den Iran bezogenen Vorbringen sowie der allgemeinen Lage in Afghanistan begründete. Im Laufe des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der Vertreter des Revisionswerbers vor, der Revisionswerber leide an einem Schädel-Hirn-Trauma mit Halluzinationen und sei nicht einvernahmefähig.

2 Mit Beschluss des BG Baden vom 14. September 2016 wurde für den Revisionswerber ein Sachwalter bestellt.

3 Mit Bescheid vom 17. November 2016 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

4 Die gegen die Abweisung in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer Verhandlung - mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 3. Oktober 2017 als unbegründet ab und sprach aus, eine Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Begründend führte das BVwG (soweit für das Revisionsvorbringen relevant) unter Bezugnahme auf die getroffenen Länderfeststellungen im Wesentlichen aus, dem Revisionswerber drohe in Afghanistan aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung weder eine auf seine Person bezogene Verfolgung, noch sei aus den Länderberichten eine Gruppenverfolgung von Menschen mit (psychischen) Behinderungen ableitbar.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 598/2018-7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 21. Juni 2018, E 598/2018-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 Gegen das oben dargestellte Erkenntnis des BVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsvorbringen im Wesentlichen vorgebracht wird, das BVwG habe sein Erkenntnis mangelhaft begründet und hätte aufgrund der herangezogenen Länderberichte zum Ergebnis kommen müssen, psychisch Erkrankten drohe in Afghanistan systematische Verfolgung. Das BVwG vermische überdies die Fragen der Eingriffsintensität und der Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In Bezug auf die Situation von Menschen mit (psychischen) Behinderungen und psychisch Kranken in Afghanistan stellte das BVwG fest, dass es zwar einerseits an einem Konzept für psychisch Kranke fehle und sie "nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen ‚behandelt'" würden. Andererseits stellte es jedoch fest, dass es aktuelle Bemühungen gäbe, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken. Die afghanische Region finanziere Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Betreuung in Afghanistan. Das größte Problem von Menschen mit Behinderung sei deren Abschottung von der Gesellschaft. Sie seien verbalen und physischen Misshandlungen ausgesetzt, es gebe nur wenige Möglichkeiten der Bildung und des Lebensunterhalts, kaum Aussicht auf Heirat und Familie und die erforderliche Gesundheitsfürsorge sei unzureichend.

11 Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich mit den Länderberichten zur Lage psychisch Kranker in Afghanistan auseinander und kam vertretbar zur Auffassung, dass das Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder (auch schweren) psychischen Behinderung keine asylrelevante Verfolgung erwarten ließe.

12 Soweit die Revision vorbringt, dass nach den Länderberichten Personen, deren Behinderung angeboren ist bzw. nicht mit eindeutig identifizierbaren Vorfällen zusammenhängt ("mayub"), systematisch ausgestoßen würden und das Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend geprüft habe, ob der Revisionswerber als "mayub" einzustufen sei, ist angesichts der auch in der Revision wiedergegebenen Feststellung, die Behinderung des Revisionswerbers sei auf einen Motorradunfall zurückzuführen, kein Bezug zum vorliegenden Fall ersichtlich. Personen, die "erworbene" Behinderungen - das sind solche, die mit eindeutig identifizierbaren Vorfällen wie etwa Kriegsverletzungen oder Arbeitsunfällen in Zusammenhang stehen - aufweisen, werden als "malul" bezeichnet und sind in weit geringerem Ausmaß Stigmatisierungen und Diskriminierungen ausgesetzt als "mayub". Ungeachtet dessen ist aber auch aus der Berichtslage nicht ableitbar, dass Menschen, die an psychischen Erkrankungen oder psychischen Behinderungen leiden, einer systematischen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wären (vgl. VwGH 19.6.2018, Ra 2018/20/0262). Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Unterscheidung zwischen der Eingriffsintensität und der Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs im vorliegenden Fall nicht an.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 18. Oktober 2018

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