VwGH Ra 2018/18/0503

VwGHRa 2018/18/05036.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H M, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2018, Zl. W123 2190020- 1/12E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision in einer Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §52;
VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180503.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 17. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 9. Februar 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan fest und setzte eine näher bestimmte Frist zur freiwilligen Ausreise fest.

3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 7. Mai 2018 zur Gänze ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 In der Folge brachte die Rechtsvertreterin des Revisionswerbers, die Rechtsberatungsorganisation ARGE Rechtsberatung, am 2. August 2018 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) eine außerordentliche Revision samt dem gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist beim BVwG ein.

5 Der Revisionswerber brachte im Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen vor, die Rechtsberatungsorganisation habe das gegenständliche Erkenntnis am 9. Mai 2018 mittels eingeschriebenen Briefs an den Revisionswerber gesandt. Am 11. Mai 2018 sei der Brief mit dem vom Postzusteller angebrachten Vermerk "verzogen" als unzustellbar retourniert worden. Die Rechtsberatungsorganisation habe sodann eine Abfrage im Zentralen Melderegister vorgenommen, bei welcher keine andere Adresse hervorgekommen sei und somit habe die Rechtsberatungsorganisation nicht davon ausgehen können, dass der Revisionswerber an der angeführten Adresse wohnhaft sei. Am 9. Juli 2018 habe der Revisionswerber vom BFA ein Schreiben zugestellt erhalten, in dem ihm die Erlassung eines Einreiseverbots wegen nicht fristgerechter freiwilliger Ausreise angedroht worden sei. Daraufhin habe der Revisionswerber bei der für die Regionalbetreuung im Rahmen der Grundversorgung zuständigen Caritas der Erzdiözese Salzburg zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 19. Juli 2018, vorgesprochen. Nach Erkundigungen einer dortigen Mitarbeiterin bei der ARGE Rechtsberatung habe dem Revisionswerber mitgeteilt werden können, dass das Erkenntnis bereits ergangen sei, ihm aber auf dem Postweg nicht habe zugestellt werden können. Am 20. Juli 2018 sei dem Revisionswerber im Zuge einer Vorsprache bei der ARGE Rechtsberatung dann das Erkenntnis persönlich ausgefolgt worden, weshalb er erst ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von dessen Inhalt erlangt habe.

Dem Zustellmangel liege offenkundig ein Fehler des Postzustellers zugrunde, zumal der Revisionswerber, wie sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergebe, seit dem 1. August 2017 durchgehend an der genannten Adresse wohnhaft und gemeldet sei. Der Rechtsberatungsorganisation sei kein Verschulden anzulasten, da diese durch Abfrage im Zentralen Melderegister den Versuch unternommen habe, die aktuelle Anschrift des Revisionswerbers zu eruieren.

6 Mit Beschluss vom 31. August 2018 wies das BVwG den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In der Begründung führte das BVwG nach Darstellung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen der Bewilligung einer Wiedereinsetzung, insbesondere zur Unabwendbarkeit und Unvorhergesehenheit eines Ereignisses, zum zulässigen Grad des Verschuldens und der Zurechnung des Handelns eines Rechtsvertreters, fallbezogen aus, das Vorliegen eines unabwendbaren oder unvorhergesehenen Ereignisses sei zunächst schon mangels Angabe des Namens und der ladungsfähigen Anschrift des für das Verfahren des Revisionswerbers zuständigen Mitarbeiters der Rechtsberatungsorganisation und mangels Antrag, diesen einzuvernehmen, nicht glaubhaft gemacht worden. Ferner sei ein allfälliger Mangel in der Kommunikation zwischen dem Revisionswerber und dessen Vertreter kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG. Selbst unter Annahme eines solchen Grundes stelle es keinen nur minderen Grad des Versehens dar, dass die Rechtsberatungsorganisation keinen weiteren "nicht eingeschriebenen Brief" an den Revisionswerber übermittelt oder auf sonstigem, etwa telefonischem bzw. jedem anderen möglichen Wege versucht habe, mit dem Revisionswerber Kontakt aufzunehmen, obwohl der Rechtsvertreterin die Wichtigkeit der Angelegenheit bewusst sein habe müssen. Angesichts der aufrechten Hauptwohnsitzmeldung laut eingeholtem Auszug aus dem Zentralen Melderegister hätte die Rechtsberatungsorganisation nicht davon ausgehen dürfen, dass der Revisionswerber nicht mehr an derselben Adresse wohne. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung könne daher nicht stattgegeben werden.

7 Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In dieser wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht, vom Verwaltungsgerichtshof sei noch nicht geklärt worden, ob bei einem Vertretungsverhältnis nach § 52 BFA-VG die Pflicht zur vorsorglichen Ergreifung eines Rechtsbehelfs - insbesondere an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - bestehe. Insoweit das BVwG in seinem Beschluss der Rechtsberatungsorganisation vorwerfe, sie hätte versuchen müssen, den Revisionswerber auf anderen Kommunikationswegen zu erreichen, sei dem BVwG ferner ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot anzulasten. Bei Konfrontation mit diesem - zuvor im Verfahren nicht erörterten - Vorhalt hätte der Revisionswerber vorbringen können, dass die Rechtsberatungsorganisation über keine weiteren Kontaktdaten von ihm verfügt habe. Somit begründe die unterlassene Kontaktaufnahme kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden. Weiters sei dem BVwG eine unschlüssige Beweiswürdigung anzulasten, weil der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund nicht auf ein Fehlverhalten des zuständigen Mitarbeiters der Rechtsberatungsorganisation abstelle, sondern vielmehr auf einen Fehler des Postzustellers. Alles was der Revisionswerber zu den Abläufen in der Rechtsberatungsorganisation vorgebracht habe, sei in den angefochtenen Beschluss eingeflossen, weshalb davon auszugehen sei, dass dem Revisionswerber die Glaubhaftmachung dieser Vorgänge - auch aus Sicht des BVwG - gelungen sei.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Mit ihrem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung gelingt es der Revision nicht, aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Verhalten der Rechtsberatungsorganisation, welches sich der Revisionswerber zurechnen lassen muss (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113), ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden darstellt, fehlerhaft wäre. In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Einzelfalls erweist sich die Vorgangsweise der Rechtsberatungsorganisation, die sich angesichts der aufrechten Meldung des Revisionswerbers mit einem Zustellversuch begnügt hat, obwohl nach Retournierung ihres Schreibens an den Revisionswerbers noch fünf Wochen Frist zur Erhebung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs offen standen, und auch keine anderweitigen Kontaktdaten zwecks Kontaktaufnahme mit dem von ihr vertretenen Revisionswerber erhoben hatte, als grob fahrlässig.

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2018

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