VwGH Ra 2018/14/0208

VwGHRa 2018/14/020817.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, 1. in der Rechtssache des Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Revisionsfrist und

2. in der Revisionssache des A B C in X, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2018, W103 1302519-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
VwGG §46 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140208.L00

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die für den Revisionswerber bestimmte Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses wurde seinem rechtsfreundlichen Vertreter vom Bundesverwaltungsgericht im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt.

2 Nach den Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Revision wurde das angefochtene Erkenntnis am 14. September 2018 zugestellt. Dies steht im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verfahrensakten. Dem im Akt des Bundesverwaltungsgerichts erliegenden und den hier in Rede stehenden Zustellvorgang betreffenden Übermittlungsprotokoll zufolge gelangte das im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelte Dokument am 13. September 2018 in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers. Somit galt es gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG ("Als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter Ausfertigungen von Erledigungen des Bundesverwaltungsgerichtes und Eingaben (Abs. 1) gilt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten.") als am 14. September 2018 (Freitag) zugestellt. Ausgehend davon war der letzte Tag der gemäß § 26 Abs. 1 VwGG einzuhaltenden sechswöchigen Revisionsfrist - unter Bedachtnahme darauf, dass es sich beim 26. Oktober 2018 (Freitag) um einen gesetzlichen Feiertag gehandelt hat - der 29. Oktober 2018 (Montag).

3 Die im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachte Revision ist am 29. Oktober 2018, 16.19 Uhr, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

4 Somit wurde die Revision zwar am letzten Tag der Revisionsfrist, jedoch außerhalb der in § 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) festgesetzten Amtsstunden (diese sind festgelegt für jeden Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages sowie des 24. und des 31. Dezembers, von 8.00 bis 15.00 Uhr), an das Bundesverwaltungsgericht übersendet.

5 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht (vgl. etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0147 bis 0149, mwN).

6 Somit wurde, weil demnach im vorliegenden Fall die Revision erst mit Dienstag, dem 30. Oktober 2018, als eingebracht gilt, die Revision verspätet erhoben.

7 Dies stellt der Revisionswerber auch nicht in Abrede. In seinem wegen Versäumung der Revisionsfrist gestellten Antrag vom 30. November 2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erachtet er allerdings die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG für gegeben, weil "der Kanzlei" seines rechtsfreundlichen Vertreters die Bestimmung des § 20 Abs. 1 GO-BVwG nicht ausreichend bekannt gewesen sei. Die ansonsten äußerst zuverlässige Kanzleileiterin sei der Ansicht gewesen, dass es - wie in den Verfahren nach der ZPO - zur Fristwahrung ausreichend sei, die Revision am letzten Tag der Frist elektronisch abzufertigen. All die Jahre zuvor seien die an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerden mit eingeschriebenem Brief versendet worden. Zwar habe die Kanzleileiterin gewusst, dass die Revision per "webERV" eingebracht werden könne. Der Umstand, dass dies nur innerhalb der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts zulässig sei, sei ihr aber nicht bekannt gewesen. Dem rechtsfreundlichen Vertreter habe dies nicht auffallen können, weil er zum Zeitpunkt der Abfertigung der Revision bei einem Termin "außer Haus" gewesen sei. Da die Revision an sich zeitgerecht eingebracht worden sei, liege bloß ein minderer Grad des Versehens vor.

8 Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

9 Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Dasselbe gilt auch hinsichtlich des ausführenden Verhaltens eines Rechtsanwaltsanwärters oder eines anderen juristischen Mitarbeiters (vgl. auch dazu VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0147 bis 0149, mwN).

10 Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag war der vom Rechtsvertreter mit der Abfertigung des Revisionsschriftsatzes beauftragten Mitarbeiterin das Erfordernis der Einbringung der Revision vor 15.00 Uhr nicht bekannt. Es hätte daher einer entsprechenden Unterweisung durch den Rechtsvertreter bedurft. Dass eine solche unterblieben ist, stellt jedenfalls keinen minderen Grad des Versehens dar (vgl. in diesem Sinn in Bezug auf eine juristische Mitarbeiterin eines Rechtsanwalts nochmals den bereits mehrfach erwähnten Beschluss VwGH Ra 2018/19/0147 bis 0149).

11 Nach dem Gesagten war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen und die Revision, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zu ihrer Behandlung eignet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2018

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