Normen
AlVG 1977 §10
AlVG 1977 §7
AVG §59 Abs1
VwGVG 2014 §14
VwGVG 2014 §15
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §31
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018080011.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 9. September 2016 sprach die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass die Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum 27. Juli 2016 bis 6. September 2016 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe; Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend führte das AMS aus, dass die Mitbeteiligte eine ihr vom AMS zugewiesene, zumutbare Wiedereingliederungsmaßnahme verweigert habe bzw. zum Termin nicht erschienen sei.
2 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Das AMS erließ daraufhin eine Beschwerdevorentscheidung vom 14. Dezember 2016, mit der es den Bescheid vom 9. September 2016 dahingehend abänderte, dass die Notstandshilfe für die Zeit vom 28. Juli 2016 bis zum 4. September 2016 gemäß § 38 iVm § 7 AlVG eingestellt werde. Dies wurde damit begründet, dass die Mitbeteilige in diesem Zeitraum auf Grund ihrer in der Beschwerde ins Treffen geführten Betreuungspflichten nicht für eine Beschäftigung verfügbar gewesen sei.
3 Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag. 4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde "gemäß § 28 Abs. 5" VwGVG stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 14. Dezember 2016 "aufgehoben" werde. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das AMS mit der Beschwerdevorentscheidung den Verfahrensgegenstand überschritten habe. Es habe die Beschwerdevorentscheidung daher mit Rechtswidrigkeit belastet. Sie sei somit aufzuheben gewesen. Abschließend gab das Bundesverwaltungsgericht noch Hinweise "in Hinblick auf ein allenfalls beabsichtigtes, weiteres Verfahren unter Heranziehung der Rechtsgrundlage des § 7 AlVG".
5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil bisher keine inhaltlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema "Austausch des Verfahrensgegenstandes des Ursprungsbescheids durch eine Beschwerdevorentscheidung" ergangen seien.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht, in dem die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen hat:
6 Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten Grund, auf den die Revision ebenfalls zurückkommt, zulässig, da sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht ausdrücklich zur Frage der Sache des Verfahrens im Fall der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung geäußert hat. Sie ist im Ergebnis auch berechtigt.
7 Die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG ist - nicht anders als die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 28 und 31 VwGVG - eine Entscheidung über die Beschwerde, die diese, soweit kein Vorlageantrag gestellt wird, auch endgültig erledigt. Schon daraus folgt, dass die Sache des Verfahrens in diesem Stadium nicht anders begrenzt werden kann als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst. § 14 VwGVG verweist zudem (auch) ausdrücklich auf § 27 VwGVG, der den zulässigen Prüfungsumfang für das Verwaltungsgericht festlegt. Zur Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0031-0032).
8 Das Bundesverwaltungsgericht hat richtig erkannt, dass das AMS mit der Beschwerdevorentscheidung die so zu verstehende Sache des Verfahrens überschritten hat. Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides war ein Anspruchsverlust gemäß § 38 iVm § 10 AlVG; mit der im Gegensatz dazu auf § 38 iVm § 7 AlVG gestützten Einstellung der Notstandhilfe blieb schon auf Grund der abweichenden, auf andere Voraussetzungen abstellenden Rechtsgrundlage die Identität der Sache nicht gewahrt. Es mögen zwar auf Grund eines Lebenssachverhalts zunächst - zu Beginn des Ermittlungsverfahrens - sowohl ein Anspruchsverlust gemäß § 10 AlVG als auch eine Einstellung der Leistung gemäß § 7 AlVG in Betracht kommen und zu prüfen sein (wie im vom AMS ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 19.9.2007, 2006/08/0324, zum Ausdruck gebracht wurde); wurde aber einmal - auf Grund der Bejahung der Voraussetzungen einer der beiden Normen - ein Bescheid erlassen, so kann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht mehr auf die andere Variante "umgestiegen" werden.
9 Die Überschreitung der Sache durch die Beschwerdevorentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht aber noch nicht zu deren Behebung berechtigt. Auf Grund des Vorlageantrags hatte das Bundesverwaltungsgericht nämlich selbst über die Beschwerde - innerhalb der durch den Ausgangsbescheid begrenzten Sache des Verfahrens - zu entscheiden (vgl. dazu grundlegend VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026). Das Bundesverwaltungsgericht hätte somit die Berechtigung der Beschwerde zu prüfen und eine Entscheidung in der Sache - somit im vorliegenden Fall über den Anspruchsverlust gemäß § 38 iVm § 10 AlVG - zu treffen gehabt, die dann an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung getreten wäre (vgl. dazu etwa auch Gruber in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 § 14 VwGVG Rz 23). Sollten ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das AMS gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgelegen sein (wofür hier aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind), so wäre die Beschwerdevorentscheidung nach dieser Bestimmung aufzuheben gewesen.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am 8. Mai 2018
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