VwGH Ra 2018/06/0298

VwGHRa 2018/06/029819.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision der Mag. M-L M in S, vertreten durch Dr. Martin Salcher und Mag. Richard Salzburger, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Georg-Pirmoser-Straße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. Oktober 2018, LVwG-2018/40/2166-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: Z gesellschaft mbH in W, vertreten durch die Dwyer-Embacher-Lechner Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Sankt Johanner Straße 49a/15; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Tir 2018 §34;
BauO Tir 2018 §6 Abs4 lita;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018060298.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kitzbühel vom 22. August 2018 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für Zu- und Umbaumaßnahmen sowie die teilweise Änderung des Verwendungszweckes des bestehenden Wohn- und Gastronomiegebäudes auf Grundstück X der Liegenschaft EZ Y, KG K., erteilt.

2 Im Rahmen der im Spruch erfolgten Baubeschreibung wurde unter anderem ausgeführt, an der Nordostseite des Gebäudes bestehe ein (aktenkundiger) konsenslos errichteter Anbau im Obergeschoss. Dieser werde im Zuge der Baumaßnahmen abgebrochen, um den bewilligten Zustand in diesem Bereich herzustellen. Da es sich um einen konsenslos errichteten, abzubrechenden Gebäudeteil handle, sei dieser in den Plänen weder als Abbruch noch als Bestand dargestellt.

3 Ferner lautet der Auflagenpunkt II.3.:

"Jener Bereich des Flachdaches über dem Lagerraum (im Plan als "Ostterrasse" eingezeichnet), welcher in die Mindestabstandsfläche von 3,00 m zur Grundstücksgrenze zu Gst.Nr. Z hineinragt und mehr als 1,5 m über dem angrenzenden Gelände liegt, ist so abzuschranken, dass eine Begehbarkeit dieses Bereiches verhindert wird."

4 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des nordöstlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks Nr. Z. Sie erhob gegen den Bewilligungsbescheid vom 22. August 2018 Beschwerde, die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 23. Oktober 2018 abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht erachtete eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis als unzulässig.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das Erkenntnis zu beheben.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision (Punkt 4. der Revision) vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu zwei Rechtsfragen.

10 Hinsichtlich des bestehenden, unstrittig konsenslos errichteten Anbaues im Obergeschoss an der Nordostseite des auf dem Baugrundstück befindlichen Gebäudes sei es von entscheidender Bedeutung, dass in einem Baubescheid konkrete Auflagen zur Entfernung (des konsenslosen Anbaus) determiniert seien. Es müsse aus generalpräventiven Gründen öffentlich-rechtlich sichergestellt werden, dass "Schwarzbauten" rückzubauen bzw. zu entfernen seien.

11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. Eine Beeinträchtigung der Nachbarrechte ist daher nur anhand des in den Einreichplänen dargestellten Projektes zu beurteilen, und es kommt in diesem Verfahren nicht darauf an, welcher tatsächliche Zustand besteht oder ob die Bauausführung tatsächlich anders erfolgt, als im beantragten Projekt angegeben ist (VwGH 24.10.2017, Ra 2017/06/0191, mwN).

12 Der erwähnte konsenslose Gebäudeteil ist in den der Baubewilligung zugrunde liegenden Plänen nicht dargestellt. Er ist damit nicht Gegenstand der der mitbeteiligten Partei erteilten Baubewilligung. Die Revisionswerberin kann somit im gegenständlichen Verfahren durch das von ihr bemängelte Fehlen einer Auflage, die den Abbruch des Gebäudeteiles vorschreibe, im Bewilligungsbescheid in keinen Rechten verletzt sein; eine solche Rechtsverletzung wird auch nicht geltend gemacht.

13 Nach der bereits im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides enthaltenen Beschreibung des Bauvorhabens, deren Richtigkeit die Revisionswerberin nicht anzweifelt, ist der Abbruch des konsenslosen Gebäudeteiles überdies Voraussetzung für die Herstellung des nun bewilligten Zustandes in diesem Bereich. Selbst wenn - wovon nach dem Vorgesagten aber nicht auszugehen ist - nach Durchführung der nun bewilligten Maßnahmen der in Rede stehende konsenslose Gebäudeteil oder ein Teil desselben nach wie vor existieren sollte, wäre er durch den gegenständlichen Bewilligungsbescheid nicht bewilligt worden und damit nach wie vor konsenslos.

14 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird dazu in der Revision nicht aufgezeigt.

15 Nach dem zweiten Teil der Zulässigkeitsbegründung der Revisionswerberin sei die Frage zu klären, ob bei Errichtung potentiell begehbarer Dächer in Mindestabstandsflächen ohne Zustimmung des Nachbarn mit einer Abschrankung das Auslangen gefunden werden könne oder ob es zusätzlich einer baulichen Ausführung bedürfe, die eine Begehung von vornherein verhindere. Mit einer bloßen Abschrankung werde nicht dem Gesetz (§ 6 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018) entsprochen.

16 § 6 Abs. 4 lit. a TBO 2018 spricht von der "Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern".

17 Bereits in seinem zur Rechtslage nach der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, ergangenen Erkenntnis vom 17. Februar 1994, 93/06/0235, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens eines begehbaren Daches etwa das Vorhandensein einer konsensgemäßen Türe nicht die baubehördliche Bewilligung für das Benützen des dahinterliegenden Flachdaches ersetze, zumal die Türe verschlossen werden könne.

18 Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Die "Begehbarkeit" des Daches wurde bereits durch eine entsprechende Planänderung, die eine nicht begehbare Ausführung (Abschrankung) vorsieht, ausgeschlossen (zur Maßgeblichkeit unter anderem der Einreichpläne in einem Baubewilligungsverfahren, vgl. nochmals VwGH 24.10.2017, Ra 2017/06/0191, mwN). Gegen diese Vorgangsweise bestehen keine Bedenken (zur Bedeutung entsprechender Korrekturen auf dem Einreichplan im Zusammenhang mit der Nichtbewilligung einer "begehbaren Terrasse" vgl. erneut VwGH 93/06/0235). Zusätzlich schreibt die oben wiedergegebene, mit dem angefochtenen Erkenntnis aufrechterhaltene Auflage II.3. des erstinstanzlichen Bescheides vom 22. August 2018 vor, das der maßgebliche Bereich so abzuschranken sei, dass eine Begehbarkeit dieses Bereiches wirksam verhindert werde. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung wurde damit den - im Übrigen eine Rechtsfrage betreffenden - Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten Rechnung getragen. Dass diese Auflage ungenau formuliert wäre, behauptet die Revisionswerberin nicht. Eine baubehördliche Bewilligung für die Benützung des abgeschrankten Bereiches des Daches wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht erteilt.

19 Angesichts dessen fehlt zur in Rede stehenden Frage weder einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch ist das Verwaltungsgericht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2018

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