Normen
EisbKrV 2012 §102 Abs3;
EisbKrV 2012 §65;
EisbKrV 2012 §66;
EisbKrV 2012 §67;
EisbKrV 2012 §69 Abs1;
EisbKrV 2012 §69;
EisbKrV 2012 §70;
EisbKrV 2012 §71;
EisbKrV 2012 §72;
EisbKrV 2012 §73;
EisbKrV 2012 §75;
EisenbahnG 1957 §49 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030037.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin und Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke "Wien Zentralverschiebebahnhof Ausfahrgruppe - Felixdorf".
2 Die Eisenbahnkreuzungen an der oben angeführten Eisenbahnstrecke in km 33,619 mit der L-157 und in km 33,628 mit einer Gemeindestraße im Ortsgebiet von T sind gegenwärtig laut Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Februar 1992 gemäß § 8 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 durch eine gemeinsame vierteilige mechanische Vollschrankenanlage mit Läutewerk gesichert. Diese wird durch den Fahrdienstleiter vom Bahnhof T mit einem Kurbelwerk bedient.
3 Mit Bescheid vom 2. Juli 2015 ordnete der Landeshauptmann von Niederösterreich an, dass die genannten Eisenbahnkreuzungen künftig jeweils durch Lichtzeichen mit Schranken gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 38 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) zu sichern seien, wobei die Schranken als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen seien. Als Bauausführungsfrist wurde ein Zeitraum von zwei Jahren bestimmt. Zudem wurde festgestellt, dass die vorgesehenen Maßnahmen im Störungsfall "gemäß § 85 EisbKrV" (richtig: § 95 EisbKrV) ausreichend seien.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis (mit einer Maßgabebestätigung) als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig.
5 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die gegenständlichen Eisenbahnkreuzungen seien derzeit gemäß § 8 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 mittels einer vierteiligen mechanischen Vollschrankenanlage mit Läutewerk gesichert. Diese Anlage entspreche den Sicherheitsvorgaben der EisbKrV nicht mehr. Diese Einschätzung beruhe auf einem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten eines Amtssachverständigen für Eisenbahntechnik und -betrieb, an dessen Richtigkeit das LVwG nicht zweifle. Auch die Revisionswerberin wende sich nicht gegen die vorgeschriebene künftige Sicherung im Speziellen, sondern rüge lediglich, dass der bescheiderlassende Landeshauptmann die Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 3 EisbKrV nicht angewandt habe, derzufolge die gegenständliche Altanlage - nach Ansicht der Revisionswerberin - noch weiter bestehen dürfe.
6 Demgegenüber vertrete das LVwG die Rechtsansicht, dass die Übergangsvorschrift des § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV keinen Bestandschutz für die gegenständliche Anlage gewähre. § 102 Abs. 3 EisbKrV verlange nämlich für das Fortbestehen alter Sicherungsanlagen die Anpassbarkeit an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 EisbKrV. Dabei regelten diese Normen allesamt die erforderliche Annäherungszeit bei "fahrtbedingter Anschaltung" der Anlage (außer § 67 EisbKrV, welcher die Dauer des Anhaltegebotes bestimme). Die EisbKrV enthalte auch Bestimmungen, wie zum Beispiel die §§ 64 und 69 leg. cit., welche bei nicht fahrtbewirkt eingeschalteten Anlagen zur Anwendung kämen; diese Bestimmungen seien jedoch explizit nicht in der Aufzählung des § 102 Abs. 3 EisbKrV enthalten. Die Bestandschutzregelung des § 102 Abs. 3 EisbKrV könne somit nur bei fahrtbewirkt eingeschalteten Anlagen zum Tragen kommen, nicht aber bei der gegenständlichen Anlage, deren Schließung nicht fahrtbedingt, sondern durch den Fahrdienstleiter des nahen Bahnhofes erfolge.
7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das LVwG damit, dass seine Entscheidung nicht von der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche und sich auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen könne.
8 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit geltend, dass - soweit ersichtlich - zu der für die vorliegende Eisenbahnsache wesentlichen Rechtsfrage, ob der Bestandschutz für bestehende Schrankenanlagen gemäß der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV nur für bestehende fahrtbewirkte Schrankenanlagen oder auch für mechanisch betriebene Schrankenanlagen gelte, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe. Der Lösung dieser Rechtsfrage komme erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zu, und es trage ihre Lösung durch den Verwaltungsgerichtshof zum Erhalt der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit sowie zur Rechtsentwicklung des verwaltungsrechtlichen Eisenbahnrechts bei; dies auch in der Hinsicht, als zur Auslegung der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV generell noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
9 In der Sache führt die Revision aus, der Verordnungsgeber räume in § 102 Abs. 3 EisbKrV u.a. Schrankenanlagen mit Läutewerk Bestandschutz bis 17 Jahre nach Inkrafttreten der EisbKrV ein, sohin bis 31. August 2029. Der Bestandschutz gelte nicht nur für bestehende fahrtbewirkte Schrankenanlagen, sondern auch für bestehende mechanische Schrankenanlagen. Erforderlich sei nur, dass die bestehende Schrankenanlage an die jeweils passende Bestimmung der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 EisbKrV anzupassen seien, wobei nie alle diese Bestimmungen, die verschiedene Konstellationen beträfen, gleichzeitig anzuwenden seien. Im gegenständlichen Fall habe die Revisionswerberin im Verfahren aufgezeigt, dass die bestehende mechanische Schrankenanlage mit Läutewerk an die Bestimmung des "§ 70 Abs. 3 EisbKrV" (richtig: § 71 Abs. 3 EisbKrV) angepasst werden könne und daher beizubehalten sei. Die Erstbehörde und das LVwG hätten daher ein Beweisverfahren zu dieser Frage führen müssen und nicht bereits vorab den Bestandschutz gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV verneinen dürfen.
10 Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist im Sinne der Zulassungsbegründung zulässig, zumal die Rechtslage - entgegen den Ausführungen des LVwG - nicht eindeutig ist und der Auslegung bedarf.
12 Die Revision ist jedoch nicht begründet:
13 Unstrittig ist, dass die in Rede stehende Eisenbahnkreuzung derzeit durch eine Schrankenanlage gemäß § 8 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 gesichert ist. Diese Vollschrankenanlage mit Läutewerk wird nicht fahrtbewirkt (also ausgelöst durch das herannahende Schienenfahrzeug) angeschaltet, sondern mechanisch mit einem Kurbelwerk durch den Fahrdienstleiter vom Bahnhof T bedient.
14 Vorauszuschicken ist auch, dass der im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogene Amtssachverständige für Eisenbahntechnik und -betrieb insbesondere ausgeführt hatte, dass eine Beibehaltung der bestehenden Schrankenanlage - mit näherer Begründung - für nicht vertretbar angesehen werde, weil dies "aufgrund der Hörbarkeit für Kraftfahrzeuglenker im Zuge der L 157 keinesfalls dem Stand der Technik" entspreche. 15 Ungeachtet dessen strebt die Revisionswerberin eine
(vorläufige) Aufrechterhaltung der bestehenden Sicherungsanlagen an und stützt sich dabei auf die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012, BGBl. II Nr. 216/2012 (EisbKrV), die - auszugsweise - folgenden Wortlaut hat:
16 "... Bestehende Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 ..., bei denen den Straßenbenützern ... mit Läutewerk allein oder durch das Schließen der Schrankenbäume allein Halt geboten wird, dürfen, sofern sie an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden können, längstens 17 Jahre ab Inkrafttreten dieser Verordnung beibehalten werden. ..."
17 Die EisbKrV trat am 1. September 2012 in Kraft. Ausgehend davon können bestehende Schrankenanlagen mit Läutewerk (eine Sicherungsart, die nach der EisbKrV nicht mehr vorgesehen ist) grundsätzlich bis längstens 31. August 2029 beibehalten werden. Dabei handelt es sich, wie der Wortlaut des § 102 Abs. 3 EisbKrV erkennen lässt, um eine maximale Übergangsfrist, die nicht in jedem Fall vollständig ausgeschöpft werden darf. Entscheidend ist vielmehr, welche Art der Sicherung die Behörde gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) im Einzelfall nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse für erforderlich erachtet, um darauf aufbauend beurteilen zu können, ob und wie lange eine bestehende Altanlage noch in dieser Form weiter beibehalten werden darf. Dabei kommt - fallbezogen - der Einschätzung des Amtssachverständigen, der die Beibehaltung der bestehenden Anlage aus Gründen der Verkehrssicherheit für nicht mehr vertretbar angesehen hatte, große Bedeutung zu.
18 Ungeachtet dessen setzt die Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV auch voraus, dass die bestehende Anlage "an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden" kann. Über die Auslegung dieser Wendung besteht zwischen der Verwaltungsbehörde bzw. dem LVwG einerseits und der Revisionswerberin andererseits Uneinigkeit. Tatsächlich lässt diese Vorschrift Klarheit über ihre Bedeutung vermissen und es kann auch dem Einführungseinlass zur EisbKrV vom 27. August 2012, GZ BMVIT-265.000/0004-IV/SCH2/2012, nicht entnommen werden, welche Zielvorstellungen der Verordnungsgeber mit dieser Wendung im Einzelnen verfolgt hat. Die verwiesenen Normen beschäftigen sich zum einen mit der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges bei fahrtbedingter Anschaltung einer durch Lichtzeichen gesicherten Eisenbahnkreuzung (§§ 65, 66 EisbKrV), der Dauer des sogenannten Anhaltegebotes für die Straßenbenützer bei Lichtzeichen mit Schranken (§ 67 EisbKrV), sowie der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges bei fahrtbedingter Einschaltung einer durch Lichtzeichen mit Schranken gesicherten Eisenbahnkreuzung in verschiedenen Konstellationen (§§ 70 bis 73 EisbKrV). § 75 EisbKrV enthält schließlich noch Regelungen für die erforderliche Länge der (sogenannten) Einschaltstrecke vor der Eisenbahnkreuzung, und zwar "bei fahrtbewirkter Anschaltung der Lichtzeichen und der Lichtzeichen mit Schranken".
19 Den angeführten Normen ist gemeinsam, dass sie sich auf fahrtbedingte Anschaltung der Lichtzeichen bzw. der Lichtzeichen mit Schranken beziehen. Dies spricht für die Sichtweise der Behörde bzw. des LVwG, die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV auf jene Bestandanlagen zu beziehen, die fahrtbedingt angeschaltet werden, zumal es solche, folgt man den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens, auch in der Vergangenheit schon gegeben hat.
20 Für dieses Ergebnis spricht auch der - ebenfalls vom LVwG angeführte - Umstand, dass § 102 Abs. 3 EisbKrV in seinem Verweis auf Normen der Verordnung keine Regelungen anführt, die sich auf Schrankenanlagen beziehen, welche nicht fahrtbedingt angeschaltet werden, obwohl es solche in der EisbKrV gibt. So regelt etwa § 69 Abs. 1 EisbKrV, zu welchem Zeitpunkt Lichtzeichen mit Halb- oder Vollschranken bei gleichzeitigem oder versetztem Schließen der Schrankenbäume unter Berücksichtigung der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges anzuschalten sind, wenn die Anschaltung nicht fahrtbewirkt erfolgt. Ein Vergleich mit solchen Anlagen wäre naheliegend, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Bestandanlage zu beurteilen ist, die nicht fahrtbedingt angeschaltet wird und zur Warnung der Verkehrsteilnehmer ein Läutewerk (statt Lichtzeichen) verwendet. § 69 EisbKrV findet sich jedoch in der Aufzählung der verwiesenen Normen des § 102 Abs. 3 EisbKrV nicht.
21 Insgesamt ist somit der Auslegung des § 102 Abs. 3 EisbKrV durch die Verwaltungsbehörde bzw. durch das LVwG zu folgen, wonach - unter den Einschränkungen, die in Rz 17 dieses Erkenntnisses dargestellt worden sind - nur solche Bestandanlagen mit Läutewerk beibehalten werden dürfen, die fahrtbedingt angeschaltet werden können. Das trifft auf die gegenständliche Bestandanlage derzeit nicht zu. Die Revisionswerberin bringt auch nicht vor, sie würde eine Anpassung der Bestandanlage an die EisbKrV in der Weise anstreben, dass die Bestandanlage künftig zumindest fahrtbedingt angeschaltet werden würde. Ihr einziger Einwand, mit dem sie sich gegen die angeordnete Erneuerung der Anlage wendet, nämlich der behauptete Bestandschutz der bestehenden Anlage, erweist sich nach dem bisher Gesagten aber als ungeeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses zu begründen.
22 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. Mai 2018
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