VwGH Ra 2018/03/0031

VwGHRa 2018/03/003128.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen 1. des R S, 2. der P S, beide in S, beide vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Spitalmühlgasse 16/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 5. Dezember 2016, Zl. LVwG-550994/5/KLe - 550995/2, betreffend eine jagdrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schärding), den Beschluss gefasst:

Normen

JagdG Krnt 2000 §15 Abs1;
JagdG Krnt 2000 §15 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §17 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §17 Abs2;
JagdG OÖ 1964 §4 lite;
JagdG OÖ 1964 §4 litf;
JagdG OÖ 1964 §4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030031.L00

 

Spruch:

  1. 1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. 2. Der Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Anträgen vom 27. Februar 2016 (Erstrevisionswerber) bzw. vom 27. Juni 2016 (Zweitrevisionswerberin) beantragten die revisionswerbenden Parteien jeweils näher genannte, in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum stehende Grundstücke "zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken zu erklären" und die "Beendigung der Zwangsmitgliedschaft" in einer näher bezeichneten Jagdgenossenschaft festzustellen.

2 Diese Anträge wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8. September 2016 zurückgewiesen, da das Oö. Jagdgesetz weder Jagdfreistellungen oder jagdfreie Zonen noch einen Austritt aus der Jagdgenossenschaft vorsehe.

3 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der sie im Wesentlichen ausführten, dass die angefochtene Entscheidung auf einer fehlerhaften Interpretation des § 4 lit. e Oö. Jagdgesetz beruhe bzw. dass eine Gesetzeslücke vorliege; die revisionswerbenden Parteien würden durch die angefochtene Entscheidung in mehreren durch die EMRK garantierten Rechten verletzt.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die revisionswerbenden Parteien grundbücherliche Eigentümer näher genannter Grundstücke seien, die zum genossenschaftlichen Jagdgebiet S. gehörten, das für die Jagdperiode vom 1. April 2014 bis zum 31. März 2020 festgestellt sei.

In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht - unter Hinweis insbesondere auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 20.103/2016) - mit ausführlicher Begründung zum Ergebnis, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen des Oö. Jagdgesetzes bestünden, die - wie die Bezirkshauptmannschaft Schärding zutreffend ausgeführt habe - keine Möglichkeit der Erklärung von Grundstücken zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken sowie auf Feststellung der Beendigung der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft vorsähen. Unter anderem erachtete das Verwaltungsgericht es als nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber für die "Jagdfreistellung" einer Fläche nach § 4 lit. e und f Oö. Jagdgesetz deren Umfriedung vorsehe.

5 Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2017, E 243- 244/2017-22, ablehnte. Der Verfassungsgerichtshof verwies in diesem Beschluss auf das bereits genannte Erkenntnis VfSlg. 20.103/2016 (betreffend das Kärntner Jagdgesetz 2000) sowie auf VfGH 10.10.2017, E 2446/2015, E 2448/2015, E 152/2016 und E 764/2017 (betreffend das NÖ Jagdgesetz 1974). Er führte aus, dem Gesetzgeber könne nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausgehe, dass die spezifischen öffentlichen Interessen an der Vermeidung von Wildschäden, an der Aufrechterhaltung eines wildökologischen Gleichgewichts, am Schutz des Waldes und an der Verhinderung einer unerwünschten Konzentration von Wild auf bestimmten Flächen angesichts der in ganz Österreich und auch in Oberösterreich vorliegenden hohen Schalenwilddichte adäquat nicht anders als durch flächendeckende Bejagung gewahrt werden könnten. Die damit einhergehende Verpflichtung der betroffenen Grundstückseigentümer zur Duldung der - von ihnen aus ethischen Gründen abgelehnten - Jagdausübung auf ihren Grundstücken stelle daher - einen Eingriff vorausgesetzt - eine gerechtfertigte Beschränkung der genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der revisionswerbenden Parteien dar, zumal § 4 Oö. Jagdgesetz ausnahmsweise das Ruhen der Jagd unter bestimmten Voraussetzungen vorsehe.

Über nachträglichen Antrag der revisionswerbenden Parteien trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Dezember 2017, E 243-244/2017-24, an den Verwaltungsgerichtshof ab.

6 In ihrer außerordentlichen Revision beantragen die revisionswerbenden Parteien zunächst, der Verwaltungsgerichtshof möge den EuGH um eine Vorabentscheidung ersuchen, da sich "während des Verfahrens Fragen der Auslegung oder der Gültigkeit von EU-Recht gestellt" hätten.

7 Den revisionswerbenden Parteien kommt ein Rechtsanspruch auf Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu; der diesbezügliche Antrag war daher zurückzuweisen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 5.4.2002, 2002/18/0021). Ob sich im Revisionsfall eine Frage der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts stellt, die als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Zulässigkeit der Revision führt, ist nach Maßgabe des Vorbringens zur Begründung der Zulässigkeit zu beurteilen.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis betreffe die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, nämlich die Auslegung und Anwendung des § 4 lit. e Oö. Jagdgesetz. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "insbesondere zum Thema Anwendung der ‚Umfriedung' in § 4 lit e oÖ JagdG, insbesondere des eigenen, gesamten Wald- und Wiesengrundstückes, wie eine solche auszusehen hat und ob eine solche überhaupt im konkreten Fall angewendet werden kann unter Berücksichtigung der Alpenkonvention".

11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

12 Die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise Grundstücke umfriedet sein müssen oder dürfen bzw. als umfriedet anzusehen sind, war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht bzw. des angefochtenen Erkenntnisses, sodass sich die in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Fragen der "Anwendung der ‚Umfriedung' in § 4 lit e oÖ JagdG" - und auch "wie eine solche auszusehen hat und ob eine solche überhaupt im konkreten Fall angewendet werden kann" - im Revisionsverfahren nicht stellen.

13 Die revisionswerbenden Parteien hatten beantragt, bestimmte Grundstücke "zu jagdrechtlich befriedeten Bezirken zu erklären" (die von den verfahrenseinleitenden Anträgen ebenfalls umfasste Frage der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht mehr thematisiert). Diese Anträge wurden von der Bezirkshauptmannschaft Schärding zurückgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen. Entscheidende Rechtsfrage war damit, ob das Oö. Jagdgesetz eine allgemeine "Jagdfreistellung" im Sinne des Anliegens der revisionswerbenden Parteien ("jagdrechtlich befriedete Bezirke") zulässt. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht verneint, da das Oö. Jagdgesetz keine Möglichkeit der Erklärung von Grundstücken zu "jagdrechtlich befriedeten Bezirken" vorsieht. Im Zuge der Begründung seines Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht dabei - eingehend auf Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, die eine "Jagdfreistellung" aus verfassungsrechtlichen Überlegungen als geboten erachten - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Kärntner Jagdgesetz 2000 (VfSlg. 20.103/2016, vgl. insbesondere Rn. 70) und zum NÖ Jagdgesetz 1974 (VfGH 10.10.2017, E 2446/2015, E 2448/2015, E 152/2016 und E 764/2017, vgl. insbesondere Rn. 100) auch ausgesprochen, dass es nicht unverhältnismäßig sei, wenn der Gesetzgeber für die "Jagdfreistellung" einer Fläche nach § 4 lit. e und f Oö. Jagdgesetz deren Umfriedung vorsehe.

14 Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss über die Ablehnung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen das auch hier angefochtene Erkenntnis auf § 4 Oö. Jagdgesetz Bezug genommen, der "ausnahmsweise das Ruhen der Jagd unter bestimmten Voraussetzungen" vorsehe. Der Verfassungsgerichtshof hat damit keine Veranlassung gesehen, die Rechtslage nach dem Oö. Jagdgesetz im Hinblick auf das Anliegen der revisionswerbenden Parteien, eine "Jagdfreistellung" der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke zu erreichen, anders zu beurteilen als jene nach dem NÖ JagdG bzw. nach dem Kärntner Jagdgesetz; dies ungeachtet des Umstands, dass § 17 Abs. 2 NÖ JagdG bzw. § 15 Abs. 2 Kärntner Jagdgesetz jeweils (unter anderem) dem Eigentümer das Recht einräumen, das Ruhen der Jagd auf umfriedeten Grundstücken zu beantragen (zusätzlich zu dem bereits in § 17 Abs. 1 NÖ JagdG bzw. in § 15 Abs. 1 Kärntner Jagdgesetz festgelegten Ruhen der Jagd in Häusern und Gehöften samt den dazu gehörigen, durch Umfriedung vollständig abgeschlossenen Höfen und Hausgärten), während das Oö. Jagdgesetz kein derartiges Antragsrecht des Grundeigentümers für ein Ruhen der Jagd auf anderen als den bereits in § 4 lit. e und f OÖ. Jagdgesetz (abschließend) genannten umfriedeten Grundflächen vorsieht.

15 Damit hat der Verfassungsgerichtshof auch klargestellt, dass gegen die Regelungen des Oö. Jagdgesetzes, die ein Ruhen der Jagd nur auf den in § 4 Oö. Jagdgesetz genannten Grundflächen vorsehen und keine "Jagdfreistellung" auf weiteren Flächen auf Antrag der Grundstückseigentümer ermöglichen, die relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bestehen.

16 Nach dem klaren Wortlaut des § 4 Oö. Jagdgesetz ist ein Ruhen der Jagd lediglich auf den in dieser Bestimmung genannten Grundflächen vorgesehen, wobei die Zulässigkeitsbegründung der Revision lediglich lit. e ("Höfe und Hausgärten, die durch eine Umfriedung abgeschlossen sind") in den Blick nimmt. Schon aus den verfahrenseinleitenden Anträgen, aber insbesondere auch aus dem Revisionsvorbringen ergibt sich jedoch, dass die revisionswerbenden Parteien nicht davon ausgehen, dass es sich bei den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken sämtlich um umfriedete Höfe und Hausgärten im Sinne des § 4 lit. e Oö. Jagdgesetz handeln würde, auf denen bereits ex lege die Jagd ruhen würde. Ferner lehnen sie ohnehin eine Umfriedung ihrer Grundstücke ausdrücklich ab, dies zum einen aus Kostengründen, zum anderen weil dies dem natürlichen Ein- und Auswandern des Wildes entgegenstünde. Für die Frage, ob eine von den revisionswerbenden Parteien im Ergebnis angestrebte "Jagdfreistellung" zulässig ist, kann es daher sowohl dahingestellt bleiben, ob eine Umfriedung im konkreten Fall zulässig wäre (was die revisionswerbenden Parteien unter Hinweis auf die Alpenkonvention in Zweifel ziehen), als auch, ob eine Umfriedung überhaupt zur Folge hätte, dass auf diesen Grundstücken nach § 4 lit. e oder lit. f Oö. Jagdgesetz die Jagd ruhen würde (nach der Aktenlage und auch nach dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien ist dies insofern zweifelhaft, als es sich offenbar um - zumindest teilweise - auch forstlich genutzte Grundflächen handelt). Damit kommt es für die Entscheidung über die vorliegende Revision weder auf die Auslegung des Rechtsbegriffs der "Umfriedung" im Sinne des § 4 lit. e Oö. Jagdgesetz an, noch auf die Auslegung der Alpenkonvention, wie dies in der Zulässigkeitsbegründung ausgeführt wird.

17 Im Ergebnis vertreten die revisionswerbenden Parteien - ungeachtet des zu kurz greifenden Abstellens allein auf den Begriff der Umfriedung in der Zulässigkeitsbegründung - erkennbar die Auffassung, dass der Umstand, dass einer Umfriedung ihrer Grundstücke ihrer Ansicht nach verschiedene faktische oder rechtliche Hindernisse entgegenstünden, zur Folge haben sollte, dass ein Ruhen der Jagd auf diesen Grundstücken auch ohne Umfriedung einzutreten hätte (bzw. von der Behörde auf Grund ihres Antrags festzustellen wäre). Selbst wenn man aber die Zulässigkeitsbegründung in diesem Sinne weit versteht, kann dies im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 4 Oö. Jagdgesetz nicht zur Zulässigkeit der Revision führen, wobei im genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes den verfassungsrechtlichen Bedenken der revisionswerbenden Partei nicht gefolgt wurde.

18 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 28. März 2018

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