Normen
NAG 2005 §11 Abs2 Z3;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §20 Abs1;
NAG 2005 §63;
NAGDV 2005 §7 Abs1 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220151.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Juli 2016 wurde der bei der österreichischen Botschaft im Iran gestellte Antrag des Mitbeteiligten, eines iranischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Schüler" im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Mitbeteiligte keinen Nachweis über seinen gesicherten Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vorgelegt habe.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis Folge und erteilte dem Mitbeteiligten den begehrten Titel nach § 63 NAG für die Dauer von zwölf Monaten. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Mitbeteiligte die Voraussetzungen zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels erfülle. Dem Mitbeteiligten stünden ausreichende Ersparnisse zur Verfügung, um seinen Lebensbedarf in Österreich für das erste Jahr zu decken, und er habe eine Versicherungspolizze der H.M. vom 8. April 2017 vorgelegt, "welche laut Einleitungssatz der Polizze alle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 13.07.2009 an ein Schengen-Visum" erfülle und von 1. Mai 2017 bis 30. April 2018 gelte. Sobald der Mitbeteiligte einen Aufenthaltstitel für Österreich erworben habe, werde er sich "natürlich bei der WGKK anmelden (...), gegebenenfalls im Wege einer Selbstversicherung".
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Landeshauptmannes von Wien, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht habe die gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG vorgelegte Versicherungspolizze nicht auf allfällig vorhandene Risikoausschlüsse überprüft. Weiters bestehe der Versicherungsschutz nur bis 30. April 2018, die Aufenthaltsbewilligung sei jedoch mit Erkenntnis vom 18. Juli 2017 für die Dauer von zwölf Monaten erteilt worden.
5 Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen:
6 Mit dem erstmals in der Revision erstatteten Vorbringen betreffend die Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides des Revisionswerbers zeigt die Revision nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der Angaben des Mitbeteiligten in seiner Beschwerde, wonach ihm der Bescheid am 16. August 2016 zugestellt worden sei, nicht von der Erlassung eines Bescheides gegenüber dem Mitbeteiligten hätte ausgehen dürfen, zumal die Angaben des Mitbeteiligten im Beschwerdeverfahren - in dem das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführte - vom Revisionswerber unbestritten blieben.
7 Dennoch ist die Revision zulässig und aus folgenden Gründen berechtigt:
8 Gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG iVm § 7 Abs. 1 Z 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) ist dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels ein Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht, anzuschließen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2016, Fe 2015/22/0001, bereits festgehalten, dass eine nicht bestehende gesetzliche Pflichtversicherung durch eine Privatversicherung substituiert werden kann; zudem wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherungen im gegebenen Zusammenhang als gleichwertig zu erachten sind. Eine Gleichwertigkeit setzt jedoch - auch im Hinblick auf den Zweck des § 11 Abs. 2 NAG, finanzielle Belastungen der Gebietskörperschaften zu verhindern (wie sie etwa mit einer Anstaltspflege unabweisbarer Patienten ohne entsprechende Krankenversicherung verbunden wären) -
voraus, dass der Leistungsumfang (das Leistungsspektrum) einer Privatversicherung im Wesentlichen jenem der gesetzlichen Pflichtversicherung entspricht.
10 Bei dieser Beurteilung einer Privatversicherung gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG, die von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorzunehmen ist, ist unerheblich, ob bzw. unter welchen Konditionen eine entsprechende Privatversicherung am Markt angeboten wird und es kommt - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - auch nicht darauf an, ob diese Versicherung die Anforderungen "an ein Schengen-Visum" erfüllt, geht es doch nicht um die Erteilung eines Visums nach dem FPG, sondern um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG (vgl. wiederum VwGH 7.12.2016, Fe 2015/22/0001).
11 Unabhängig davon gilt gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die vorgelegte Versicherungspolizze der H.M. nur bis zum 30. April 2018 und somit nicht für die gesamten zwölf Monate der bewilligten Dauer des Aufenthaltstitels gemäß § 20 Abs. 1 NAG, sodass diese schon allein wegen ihrer Gültigkeitsdauer keine ausreichende Krankenversicherung im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG darstellen kann (VwGH 6.8.2009, 2008/22/0391).
12 Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG iVm § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV kann auch der bloße Verweis auf eine "etwaige Selbstversicherung" nach Einreise des Mitbeteiligten nach Österreich diese Nachweispflicht nicht substituieren.
Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 22. Februar 2018
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