VwGH Ra 2017/18/0261

VwGHRa 2017/18/026122.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision

1. der J N, 2. der T R, 3. des S R, 4. der A R und 5. des A R, alle in S, alle vertreten durch Dr. Thomas Kralik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 14, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Katrin Ehrbar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Zelinkagasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. Juni 2017, Zlen. 1) G307 2148311-1/6Z, 2) G307 2148322-1/6Z, 3) G307 2148317- 1/6Z, 4) G307 2148329-1/6Z und 5) G307 2148326-1/6Z, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §20;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der übrigen revisionswerbenden Parteien. Sie sind serbische Staatsangehörige und gehören zur Volksgruppe der Roma. Sie stellten am 28. November 2016 Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und brachten im Wesentlichen vor, dass die Erstrevisionswerberin in Serbien keine Arbeit gefunden habe und auch keine Familien- oder Kinderbeihilfe erhalten habe. Deshalb sei sie nach Österreich gekommen, damit ihre Kinder in die Schule gehen und hier bleiben könnten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies die Anträge mit Bescheiden vom 31. Jänner 2017 ab, erteilte keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Serbien zulässig sei, sprach aus, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

3 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde brachten die revisionswerbenden Parteien erstmals vor, dass die Erstrevisionswerberin in Serbien tätlichen Angriffen und sexueller Gewalt durch ihren ehemaligen Ehemann ausgesetzt gewesen sei. Obwohl die Erstrevisionswerberin diese Übergriffe der serbischen Polizei angezeigt habe, seien die Behörden untätig geblieben. Überdies seien die revisionswerbenden Parteien als Roma in Serbien wiederholt Diskriminierungen ausgesetzt gewesen. So hätten die viert- und fünftrevisionswerbenden Parteien in der Schule bereits Probleme gehabt und seien dort von anderen beschimpft, geschlagen und ausgegrenzt worden.

4 Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend verneinte das BVwG asylrelevante Gründe der revisionswerbenden Parteien für das Verlassen ihres Herkunftsstaates. Auch drohe ihnen bei Rückkehr keine existenzbedrohende Notlage. Das - erstmals in der Beschwerde - erstattete neue Vorbringen verstoße gegen das Neuerungsverbot iSd § 20 BFA-VG. Ungeachtet dessen lasse sich eine Verfolgungsgefahr für die revisionswerbenden Parteien selbst bei Bedachtnahme auf das neue Vorbringen - aus näher dargestellten Gründen - nicht feststellen.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG habe seine Verhandlungspflicht verletzt, weil es trotz des neuen Vorbringens in der Beschwerde eine mündliche Verhandlung unterlassen habe. Darüber hinaus habe das BVwG das Vorbringen der Erstrevisionswerberin, ihr drohe wegen Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma in Serbien asylrelevante Verfolgung, gänzlich ignoriert.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9 Soweit die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend macht und auf das in der Beschwerde erstmals erstattete neue Vorbringen der revisionswerbenden Parteien verweist, setzt sie sich mit dem vom BVwG vorrangig dagegen ins Treffen geführten Neuerungsverbot gemäß § 20 BFA-VG nicht auseinander. Auf der Grundlage der Revisionsausführungen kann daher nicht festgestellt werden, dass das BVwG bei der Beurteilung der Verhandlungspflicht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018 und Folgejudikatur) nicht eingehalten hätte.

10 Im Übrigen lässt die Revision in ihrer Zulassungsbegründung ein Vorbringen dazu, aus welchen Gründen sie von einer asylrelevanten Verfolgung der revisionswerbenden Parteien aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma in Serbien ausgeht, zur Gänze vermissen. Schon deshalb vermag sie eine Fehlbeurteilung durch das BVwG nicht aufzuzeigen.

11 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens von Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2018

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