VwGH Ra 2016/06/0134

VwGHRa 2016/06/013427.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn in D, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 20. September 2016, LVwG-1-528/2016-R10, betreffend Aufhebung eines Straferkenntnisses in einer Angelegenheit der Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (mitbeteiligte Partei: Dr. J G in B), zu Recht erkannt:

Normen

BStMG 2002 §19 idF 2013/I/099;
BStMG 2002 §20 Abs1 idF 2013/I/099;
BStMG 2002 §20 Abs5 idF 2013/I/099;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016060134.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte lenkte am 22. August 2015 um 11:23 Uhr ein Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen in Lustenau, A 14/Rheintalautobahn, km 20,818, Richtungsfahrbahn Montafon, auf dem mautpflichtigen Straßennetz, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Die Übertretung wurde mit einem automatischen Überwachungssystem festgestellt.

2 Ein zunächst gegen die Gattin des Mitbeteiligten, die Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Fahrzeuges, geführtes Verwaltungsstrafverfahren, in dem diese auch zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden war, wurde eingestellt. In weiterer Folge wurde gegen den Mitbeteiligten ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. In diesem wurde der Mitbeteiligte schließlich mit Straferkenntnis der Revisionswerberin vom 1. Juni 2016 wegen der Übertretung des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) bestraft und über ihn eine Verwaltungsstrafe von EUR 300,-- (zusätzlich EUR 30,-- Verfahrenskosten) verhängt.

3 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 20. September 2016 Folge gegeben und das Straferkenntnis der BH aufgehoben.

4 In der Begründung dieser Entscheidung wird ausgeführt, gemäß § 20 Abs. 5 BStMG würden Taten gemäß § 20 Abs. 1 BStMG straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 BStMG der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspreche. Im gegenständlichen Fall sei diese Aufforderung zur Bezahlung der Ersatzmaut an den Mitbeteiligten unterblieben. Ihm sei somit die Möglichkeit des § 19 BStMG vorenthalten worden, die Ersatzmaut fristgerecht zu bezahlen und somit die Straflosigkeit im Sinne des § 20 Abs. 5 BStMG zu bewirken. Der Beschuldigte müsse nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die Möglichkeit haben, die Ersatzmaut zu bezahlen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

6 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er auf das von ihm "in der Vorinstanz Vorgetragene" verwies.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die im Hinblick auf die in der Revision geltend gemachte Abweichung von der hg. Rechtsprechung zulässige Revision erwogen:

7 Gemäß dem Abs. 1 des § 20 BStMG, BGBl. I Nr. 109/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2013, begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung. Sie sind mit Geldstrafe von 300 EUR bis zu 3000 EUR zu bestrafen.

Nach § 20 Abs. 5 BStMG werden Taten gemäß Abs. 1 bis 3 straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

8 § 19 BStMG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2013 lautet:

"Ersatzmaut

§ 19. (1) In der Mautordnung ist für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von 250 EUR einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf.

(2) Die Mautaufsichtsorgane sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 Abs. 1 und 2 mündlich den Lenker zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Die Organe der Straßenaufsicht sind ermächtigt, anlässlich der Betretung bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 Abs. 1 den Lenker mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern. Der Aufforderung wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die entsprechende Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen.

(3) Die Mautaufsichtsorgane sind im Fall, dass wegen einer von ihnen dienstlich wahrgenommenen Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 keine bestimmte Person beanstandet werden kann, ermächtigt, am Fahrzeug eine schriftliche Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut zu hinterlassen. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen zwei Wochen ab Hinterlassung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

(4) Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 und 3 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

(5) Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 und 3 zu keiner Betretung, so sind die Mautaufsichtsorgane ermächtigt, anlässlich einer Kontrolle der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut jenes Fahrzeuges, mit dem die Tat begangen wurde, den Zulassungsbesitzer mündlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 und 3 auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht und die Tat nicht bereits verjährt ist. Die Aufforderung ist an den Lenker zu richten, der bei der Leistung der Ersatzmaut als Vertreter des Zulassungsbesitzers fungiert. Ihr wird entsprochen, wenn der Lenker unverzüglich die Ersatzmaut zahlt. Hierüber ist eine Bescheinigung auszustellen.

(6) Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht."

9 Zur vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bestimmung des § 20 Abs. 5 BStMG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert, dass die Tat dann nicht straflos wird, wenn die in § 20 Abs. 5 BStMG angeführten Beträge nicht entrichtet werden, mag auch die Aufforderung aus welchen Gründen immer unterblieben sein. Das Unterbleiben einer Aufforderung gemäß § 19 BStMG hat die Folge, dass die Frist für die Bezahlung der Ersatzmaut nicht in Gang gesetzt wird, womit die Möglichkeit besteht, gegebenenfalls die Ersatzmaut noch im Zuge des Strafverfahrens "fristgerecht" zu bezahlen, um damit die Straflosigkeit im Sinne des § 20 Abs. 5 BStMG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2013 zu bewirken (VwGH 25.1.2018, Ra 2016/06/0025, mwN).

10 Das Unterbleiben einer Aufforderung gemäß § 19 BStMG führt somit lediglich dazu, dass die Frist für die Bezahlung der Ersatzmaut nicht in Gang gesetzt wird. Es hat jedoch nicht die Straflosigkeit zur Folge und stellt für sich auch kein Hindernis für die Erlassung eines Straferkenntnisses dar. Zutreffend verweist die Amtsrevision in diesem Zusammenhang auf § 19 Abs. 6 BStMG, wonach subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut nicht bestehen.

11 Auf das Unterbleiben der Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut gegenüber dem Mitbeteiligten konnte daher die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht rechtmäßig gestützt werden. Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

12 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. September 2018

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