VwGH Ra 2017/20/0293

VwGHRa 2017/20/029325.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des T S S in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2017, Zl. W125 2014316- 2/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §54 Abs5;
AsylG 2005 §57;
EheG §23;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
NAG 2005 §54 Abs7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Indien, stellte am 15. September 2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 17. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - im zweiten Rechtsgang - den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab, hinsichtlich der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit der Maßgabe, dass gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) der Revisionswerber aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchführungsaufschub von einem Monat erteilt wurde. Zudem wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision bekämpft ausdrücklich lediglich die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005.

8 Zur Zulässigkeit bringt der Revisionswerber im Wesentlichen vor, der Verwaltungsgerichtshof habe sich noch nicht mit der bedeutenden Rechtsfrage, dass es hinsichtlich § 117 FPG keine Trennung von der Verwaltung und Justiz gäbe, auseinandergesetzt. Da auch wegen behaupteter Aufenthaltsehe gemäß § 117 FPG ein Strafverfahren gegen den Revisionswerber und seine Ehefrau geführt werde, welches noch nicht abgeschlossen sei, dürfe die im Strafverfahren zu prüfende Hauptfrage nicht auch noch verwaltungsrechtlich als Vorfrage beurteilt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hätte, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Strafgerichts 1. Instanz erhoben worden sei, das rechtskräftige Urteil des Strafgerichtes 2. Instanz abwarten müssen. Insbesondere sehe § 117 FPG keine Heilungsmöglichkeit wie § 21 Abs. 2 EheG vor, somit würden entgegen Art. 8 EMRK alle bisherigen Integrationsbestrebungen verwirkt.

9 Die Revision ist in mehrfacher Hinsicht unzulässig: Richtig ist, dass einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist (unabhängig davon, ob die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist), die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zukommt, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG vorliegt (vgl. VwGH vom 23. März 2017, Ra 2016/21/0349, mwN). Dementsprechend ist das BVwG davon ausgegangen, dass es sich beim Revisionswerber um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handelt. Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstücks (darunter auch § 57) nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige, sodass eine amtswegige Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 im Fall eines begünstigten Drittstaatsangehörigen von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. wiederum VwGH vom 23. März 2017, Ra 2016/21/0349). Soweit das BVwG den erstinstanzlichen Abspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG 2005 im Ergebnis zutreffend behob, gehen die Zulassungsausführungen, die Rechtsfragen im Zuge des Verfahrens über die amtswegige Prüfung eines Aufenthaltstitels geltend machen, ins Leere.

10 Darüber hinaus ist das BVwG nicht von der bereits vorliegenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, wonach die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, nicht voraussetzt, dass die Ehe für nichtig erklärt wurde (vgl. VwGH vom 23. März 2010, 2010/18/0034). Damit ist die Frage bejaht, ob durch die Verwaltungsbehörde - wie hier im Zuge der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - eine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe erfolgen darf.

11 Schließlich treffen auch die Ausführungen zur behaupteten verfassungs- und unionsrechtlichen Problematik des § 117 FPG keine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage, hatte doch das BVwG diese - von den Strafgerichten zu vollziehende - Bestimmung gar nicht anzuwenden, sodass das rechtliche Schicksal der Revision nicht von der Lösung dieser Rechtsfragen abhängt.

12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2017

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