VwGH Ra 2017/20/0016

VwGHRa 2017/20/00166.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Christl, in der Rechtssache 1. der S M,

2. des M T, und 3. des A T, alle in L, alle vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. November 2016,

  1. 1.) Zl. L504 2115004-1/42E, 2) Zl. L504 2115006-1/28E und
  2. 3) Zl. L504 2115008-1/33E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - in Erledigung der Säumnisbeschwerde der revisionswerbenden Parteien und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die von diesen gestellten Anträge auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei; gemäß § 55 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen gesetzt. Gegenüber dem Zweitrevisionswerber wurde gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein dreijähriges, gegenüber dem Drittrevisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG ein sechsjähriges Einreiseverbot erlassen. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2 Das angefochtene Erkenntnis enthält zur Lage im Herkunftsstaat Feststellungen über Gewaltexzesse der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitischen Bevölkerung, über Attacken der ISF auf zivile sunnitische Gebiete, über die Anzahl der auf die Anschlagskriminalität vor allem durch ISIS in Bagdad getöteten Zivilisten, über Beschwerden von Sunniten betreffend "schiitische Siegerjustiz" und betreffend einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten sowie über die Inhaftierung ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten. Als Quellen werden u.a. Human Rights Watch, Amnesty International, UNAMI, IOM, Reporters Sans Frontieres und Rohde 9.11.2016 genannt. Zur Beweiswürdigung betreffend die Länderfeststellungen wurde ausgeführt, dass den revisionswerbenden Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 8. April 2016 zur Stellungnahme ausgefolgt worden sei und sie dagegen keine Einwendungen erhoben hätten.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom BVwG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es aktuelle Berichte anerkannter Organisationen nicht berücksichtigt habe. Nach dem UNHCR-Bericht über "Position on Return to Iraq" vom 14. November 2016 habe sich ISIS zu zahlreichen und regelmäßigen Angriffen auf militärische und zivile Ziele in Bagdad und anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten bekannt, einschließlich Autobomben, Selbstmordattentaten, Straßenrandbomben, Mörsern und Granaten. Weiters seien Angehörige der ISF und verbündeter Gruppen an Rechtsverletzungen gegenüber sunnitisch-arabischen und sunnitisch-turkmenischen Zivilpersonen beteiligt gewesen, immer mehr sunnitische Araber, die nicht vertrieben worden seien und in Bagdad lebten, würden verhaftet und die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber in Bagdad habe seit 2014 zugenommen. In diesem Bericht rate UNHCR dringend von Rückführungen in den Irak ab.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Folglich hat das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/20/0098, mwN).

7 Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien lässt allerdings außer Acht, dass das angefochtene Erkenntnis - wenn auch unter Bezugnahme auf andere aber durchaus aktuelle Quellen - ohnedies Länderfeststellungen im Sinne der in der Revision genannten Aspekte enthält. Daher zeigt die Revision nicht auf, dass das BVwG unter Bedachtnahme auf den genannten UNHCR-Bericht zu anderen für das Ergebnis der Entscheidung relevanten Feststellungen hätte kommen können. Soweit die Revision auf die UNHCR-Empfehlung, von Rückführungen in den Irak Abstand zu nehmen, verweist, legt sie nicht dar, dass die revisionswerbenden Parteien aus den im UNHCR-Bericht genannten Gebieten stammen. Damit ist es der Revision nicht gelungen darzulegen, dass ihr rechtliches Schicksal von den genannten Fragen abhängt.

8 Der von den revisionswerbenden Parteien weiters relevierten Verletzung der Begründungspflicht durch Übergehen ihrer Aussagen zur prekären Lage der Sunniten und zu gewaltsamen Übergriffen auf diese im Irak steht die Begründung des BVwG entgegen, dass die Erstrevisionswerberin auf Nachfrage ausdrücklich verneinte, im Irak Probleme wegen ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben. Es ist nicht ersichtlich, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das BVwG abgewichen wäre.

9 Schließlich unterlassen es die revisionswerbenden Parteien auch noch anzugeben, welche von ihnen vorgelegten Beweismittel unerörtert geblieben seien. Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogen auf, dass sie von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 29. September 2014, Ra 2014/20/0031).

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Februar 2017

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