VwGH Ra 2017/16/0040

VwGHRa 2017/16/004012.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Großgöttfritz, vertreten durch die Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG in 3910 Zwettl, Schulgasse 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. Jänner 2017, Zl. LVwG-AV-1193/001-2016, betreffend Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 1996 (mitbeteiligte Parteien: J und MG in G, beide vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2016, 2013/17/0881, verwiesen; mit diesem Erkenntnis fiel der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. November 2013 einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes anheim, weil diese als Vorstellungsbehörde den Umfang der ursprünglichen Bauplatzerklärung aufgrund des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde G vom 30. April 1993 - und damit die Frage, ob durch einen weiteren Bescheid vom 3. Oktober 2012 eine Änderung der Grenzen des Bauplatzes erfolgt sei - verkannt habe.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der als Beschwerde behandelten Vorstellung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde G vom 24. Mai 2013 Folge und änderte diesen Bescheid dahingehend ab, dass der erstinstanzliche Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 27. Dezember 2012 betreffend die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe aufgehoben werde.

Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und unter Würdigung der dem Bescheid vom 30. April 1993 zugrunde liegenden Verhandlungsschrift gelangte das Gericht in rechtlicher Hinsicht unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von Bescheiden zur Schlussfolgerung, im Spruch des Bescheides vom 30. April 1993 sei das Grundstück als solches zum Bauplatz erklärt worden. Eine Einschränkung auf im Bauland gelegene Grundstücksteile ergebe sich weder aus dem Spruch noch aus den zum Bestandteil des Bescheides erklärten Auflagenpunkten 1. bis 36. der Verhandlungsschrift. Die Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung der Verhandlungsschrift bildeten im Hinblick auf den ausdrücklichen Verweis im Spruch des Bescheides auf die Auflagenpunkte keinen Bestandteil des Bescheides. Im Übrigen sei der Sachverhaltsdarstellung der Verhandlungsschrift zu entnehmen, dass die Bauführung im Bauland erfolgen solle. Eine ausdrückliche Einschränkung der Bauplatzerklärung auf den im Bauland gelegenen Grundstücksteil sei aber auch diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Ein vom Wortlaut möglicherweise abweichender Gestaltungswille der Behörde sei dem objektiven Erklärungswert des gegenständlichen Bescheidspruches folgend jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht worden. Der Wortlaut des Spruches der Erledigung spreche ganz klar gegen eine Einschränkung der Bauplatzerklärung auf den im Bauland gelegenen Grundstücksteil. Mit dem genannten Bescheid vom 30. April 1993 sei somit eine Bauplatzerklärung nicht nur für einen Grundstücksteil ausgesprochen, sondern sei das gesamte Grundstück zum Bauplatz erklärt worden. Insofern sei durch die neuerliche Bauplatzerklärung vom 3. Oktober 2012 der Bauplatz nicht vergrößert und somit der Tatbestand einer Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 nicht verwirklicht worden. Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, es lägen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Die Auslegung des Inhaltes eines Bescheides gehe in seiner Wirkung nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus.

3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Amtsrevision legt ihre Zulässigkeit darin dar, gemäß § 63 Abs. 1 VwGG seien die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden. Im fortgesetzten Verfahren habe das Verwaltungsgericht in die Verhandlungsschrift Einsicht genommen. Der Bescheid des Bürgermeisters vom 30. April 1993 halte eindeutig fest, dass die Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung hinsichtlich der Punkte 1. bis 36. einen Bestandteil dieses Bescheides bilde. Aus der Niederschrift sei zu entnehmen, dass die Baubewilligung nur den im Bauland liegenden Grundstücksteil umfasse. Die vom Verwaltungsgericht gewonnene Auslegung dahingehend, dass die Niederschrift für die Auslegung des Bescheides außer Acht zu lassen sei, widerspreche dem Wortlaut des Bescheides, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von Bescheiden und der Rechtsanschauung des Erkenntnisses vom 24. Oktober 2016.

4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

6 Die Frage der Auslegung von in der Verhandlungsschrift protokolliertem Vorbringen im Einzelfall oder jene der Auslegung eines Bescheides stellen regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. April 2015, Ra 2015/16/0020, vom 4. Februar 2016, Ra 2015/16/0140, sowie vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/12/0103, Ra 2016/12/0111, und Ra 2016/12/0113).

7 Im vorliegenden Revisionsfall gewann das Verwaltungsgericht sein Auslegungsergebnis über den Umfang der ursprünglichen Bauplatzerklärung mit Bescheid vom 30. April 1993 unter Berücksichtigung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von Bescheiden in Zusammenschau des Bescheides vom 30. April 1993 mit den im Bescheid verwiesenen Punkten 1. bis 36. der Verhandlungsschrift. Unter Würdigung des Umstandes, dass diese Punkte ausschließlich Auflagen behandelten und sich daraus eine Einschränkung der damaligen spruchgemäßen Bauplatzerklärung nicht ergebe, gelangte das Gericht schließlich zum Ergebnis, dass die Bauplatzerklärung im Bescheid vom 30. April 1993 nicht nur für einen Grundstücksteil ausgesprochen worden sei, sondern das gesamte Grundstück zum Bauplatz erklärt worden sei. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den tragenden Gründen des in dieser Sache ergangenen Erkenntnisses vom 24. Oktober 2016, weil dieses über die Bedeutung der im Bescheid vom 30. April 1993 verwiesenen Punkten 1. bis 36. der Verhandlungsschrift nichts aussagte.

8 Die gegen dieses anhand der Umstände des Einzelfalles gewonnene Auslegungsergebnis erhobene Amtsrevision releviert keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die über den Revisionsfall hinausweisen würde.

9 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2017

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