European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017150008.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die X-GmbH und atypisch stille Gesellschaft beantragte mit Schreiben vom 11. Jänner 2012 die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 mit der Begründung, dass mit Beschluss des Bezirksgerichts vom 11. März 2008 der Konkurs (Schuldenregulierungsverfahren) über das Vermögen des Revisionswerbers, eines Gesellschafters, eröffnet und mit Beschluss vom 31. März 2010 rechtskräftig aufgehoben worden sei. Da gemäß § 185 Abs. 2 UGB eine stille Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst sei, müsse die Steuererklärung für das Jahr 2008 berichtigt werden. Es komme zur Auffüllung des negativen Verrechnungskontos in Höhe von 207.921,28 EUR.
2 Das Finanzamt nahm in der Folge das Verfahren betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 wieder auf. Der Anteil des Revisionswerbers wurde mit Bescheid vom 26. Jänner 2012 (nach Berücksichtigung des aliquoten Verlustanteiles) mit 205.020,19 EUR festgestellt und in der Folge dem gemäß § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 zugrunde gelegt.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Berufung (nunmehr Beschwerde) und führte darin aus, dass die gegenständliche Abgabennachforderung insolvenzrechtlich als Insolvenzforderung gemäß § 51 KO (nunmehr gleichlautend § 51 IO) zu qualifizieren sei. Darunter fielen sämtliche Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustünden - unabhängig davon, ob der Gläubiger von seinen Rechten im Insolvenzverfahren Gebrauch mache oder nicht. Voraussetzung für das Vorliegen einer Insolvenzforderung sei, dass im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung der Forderung vorhanden seien. Dies sei hier der Fall. Infolge der zwingenden Auflösung der stillen Gesellschaft mit Insolvenzeröffnung seien gleichsam uno actu die sich aus seinem Kapitalkonto errechnenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb "entstanden". Der Tatbestand, an den die Abgabepflicht anknüpfe, sei daher mit Insolvenzeröffnung verwirklicht, weshalb gemäß § 4 Abs. 1 BAO der Abgabenanspruch bereits und zugleich spätestens in diesem Zeitpunkt entstanden sei. Hervorzuheben sei der Gleichlauf mit den insolvenzrechtlichen Bestimmungen, die auf die Sachverhaltsverwirklichung abstellten (Hinweis auf VwGH vom 19. Dezember 1999, 87/13/0070). Die vorgeschriebene Abgabennachforderung sei daher als Insolvenzforderung einzustufen. Demnach hätte sie im Schuldenregulierungsverfahren des Revisionswerbers angemeldet werden müssen, was nicht erfolgt sei. Dies sei ein Versäumnis, das zunächst dem Finanzamt anzulasten sei, weil das Bestehen der stillen Gesellschaft aktenkundig gewesen sei und sich die zwingende Auflösung mit ihren steuerrechtlichen Konsequenzen infolge Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ausdrücklich aus dem Gesetz, konkret aus § 185 Abs. 2 UGB, ergeben habe. Der gegenständliche Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 stehe sohin im Widerspruch sowohl zu den im Jahr 2008 als auch zu den nunmehr geltenden konkurs-/insolvenzrechtlichen Bestimmungen.
4 In der Beschwerde gegen die Anspruchszinsen wies der Revisionswerber darauf hin, dass einerseits die GmbH ihrer steuerrechtlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe einer Abgabenerklärung nicht oder nur unzureichend nachgekommen sei, andererseits die den Anspruchszinsen zu Grunde liegende Abgabennachforderung als Insolvenzforderung zu qualifizieren sei, weshalb der Festsetzung von Anspruchszinsen der "Zinsenstopp" des § 58 KO (nunmehr gleichlautend § 58 IO) entgegen stehe. Demnach seien seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufende Zinsen von Insolvenzforderungen ausgeschlossene Ansprüche, die nicht geltend gemacht werden könnten.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab, änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2008 jedoch wegen Neuberechnung des aliquoten Freibetrags nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 ab. Begründend führte es aus, nach § 185 Abs. 2 UGB werde eine stille Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, weshalb im Revisionsfall die atypische Gesellschaft zwingend mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 11. März 2008 aufgelöst worden sei. Die steuerliche Folge der Konkurseröffnung sei das Entstehen eines Veräußerungsgewinns beim atypisch stillen Gesellschafter. Nach § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 sei im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen sei, jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen müsse. Ein Veräußerungsgewinn entstehe auch dann, wenn der Gesellschafter im Zeitpunkt des Austritts vermögenslos und die Schuld uneinbringlich sei bzw. die Mitunternehmerschaft durch Zwangsmaßnahmen, zB Konkurs, beendet werde (Hinweis auf Doralt, EStG18, § 24, Tz 196).
6 Im vorliegenden Fall seien sowohl der Betrag des negativen Kapitalkontos als auch das Nichtvorliegen einer Auffüllungsverpflichtung unstrittig. Der Veräußerungsgewinn sei jedoch nur insoweit steuerpflichtig, als er bei der Veräußerung (Aufgabe) eines Teilbetriebes oder eines Anteils am Betriebsvermögen den entsprechenden Teil von 7.300 EUR übersteige. Vorliegendenfalls betrage der Anteil des Revisionswerbers 6,02%, weshalb diesem ein Freibetrag von 439,50 EUR zustehe, wodurch sich der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn dementsprechend verringere.
7 Wenn der Revisionswerber in seiner Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid vorbringe, es handle sich beim gegenständlichen Veräußerungsgewinn um eine Insolvenzforderung, so sei dem entgegen zu halten, dass die insolvenzrechtliche Einordnung der Einkommensteuer keine Auswirkungen auf die Frage der Abgabenfestsetzung habe. Die korrekte Abgrenzung zwischen Konkurs- und Masseforderungen bzw. nach der seit 1. Juli 2010 in Geltung stehenden Insolvenzordnung nunmehr zwischen Insolvenz- und Masseforderungen sei nur für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Abgabenforderungen von Bedeutung (Hinweis auf OGH vom 28. November 2002, 8 Ob92/02s, zur Frage der Erfassung des Veräußerungsgewinnes im Konkursverfahren).
8 Anspruchszinsen iSd § 205 BAO seien eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergäben. Die Bestimmung berücksichtige nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergäben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet würden. Insbesondere komme es nicht auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an. Damit habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Ursachen, die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt hätten, im Anwendungsbereich des § 205 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet (Hinweis auf VwGH vom 24. September 2008, 2007/15/0175).
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH vom 27. August 2008, 2006/15/0150) seien Anspruchszinsen zur festgesetzten Abgabe (hier: Einkommensteuer) jedoch formell akzessorisch. Sie seien insoweit von der festgesetzten Abgabe zu berechnen, als ihre Bemessungsgrundlage von der Höhe der festgesetzten Abgabe abhänge. Da die Einkommensteuer 2008 aufgrund dieser Entscheidung verringert festgesetzt werde, verringerten sich dementsprechend auch Differenzbetrag und Zinsen.
10 Zu dem Hinweis des Revisionswerbers auf die Bestimmung des § 58 KO (§ 58 IO), wonach die seit der Konkurseröffnung (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) laufenden Zinsen von Konkursforderungen (Insolvenzforderungen) nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden könnten, werde auf die Entscheidung des VwGH vom 23. November 1994, 91/13/0259, verwiesen.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Als Zulässigkeitsgründe werden darin geltend gemacht, dass zum einen keine Rechtsprechung des VwGH zur Qualifikation einer Abgabenforderung nach § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 als Masse- oder Insolvenzforderung vorliege, wenn der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt mit der Konkurseröffnung zusammenfalle. Zum anderen fehle Rechtsprechung des VwGH zur Frage, ob die Vorschrift des § 197 IO im Abgabenverfahren zu berücksichtigen sei.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revision ist nicht zulässig.
16 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Recht bzw. die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche im Abgabenfestsetzungsverfahren bescheidmäßig geltend zu machen, durch ein Insolvenzverfahren nicht berührt wird. Erst im Abgabeneinhebungsverfahren ist daher etwa dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Schuldner gemäß § 156 Abs. 1 IO durch einen rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan (früher: Ausgleich) von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist (vgl. VwGH vom 7. Februar 1990, 89/13/0085; vom 24. Oktober 2001, 2001/17/0130, sowie vom 6. Juni 2012, 2009/08/0011).
17 Ob es sich bei der Abgabenforderung um eine Masse- oder Insolvenzforderung handelt, ist für die Abgabenfestsetzung ohne Bedeutung.
18 Zur weiteren - im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens aufgeworfenen - Frage, ob § 197 IO im Abgabenverfahren zu berücksichtigen sei, ist zu bemerken, dass § 197 IO Regelungen darüber beinhaltet, ob Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote haben. Ein Zahlungsplan ist im vorliegenden Fall aber nicht zustande gekommen, es wurde vielmehr ein Abschöpfungsverfahren (§§ 199 ff IO) eingeleitet. Die Revision hängt damit nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
19 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. Juni 2017
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