VwGH Ra 2017/04/0001

VwGHRa 2017/04/00011.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der Bietergemeinschaft bestehend aus V A GmbH und V GmbH in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Dezember 2016, W134 2138402-2/27E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. Bund, Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste, alle vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19; 2. T GmbH in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Seitens der erstmitbeteiligten Parteien (Auftraggeberinnen) wurde im Wege eines offenen Verfahrens ein Dienstleistungsvertrag betreffend die Wartung von Liftanlagen im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Die revisionswerbende Bietergemeinschaft legte ein Angebot, das mit Schreiben der Auftraggeberinnen vom 24. Oktober 2016 gemäß § 129 Abs. 2 BVergG 2006 ausgeschieden wurde, weil die von den Auftraggeberinnen verlangte Aufklärung - insbesondere die Offenlegung der Kalkulation der Einheitspreise - nicht vollständig erfolgt sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung (ebenso wie die Anträge auf Bestellung eines Sachverständigen und auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren) ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht stellte die relevanten Teile der Ausschreibungsunterlagen und des Aufklärungsschreibens der Auftraggeberinnen sowie die wesentlichen Inhalte der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2016 dar. Darauf gestützt legte es hinsichtlich vier näher bezeichneter Kostenpositionen dar, dass die Auftraggeberinnen von der Revisionswerberin im Zuge des Aufklärungsersuchens die Offenlegung der Kalkulation der Einheitspreise (zum Teil unter Verweis auf die Materialkosten) verlangt hatten und die Revisionswerberin es unterlassen habe, die verlangte Aufklärung (vollständig) zu geben. Das Verwaltungsgericht führte dabei jeweils aus, warum es das dazu erstattete Vorbringen der Revisionswerberin als nicht nachvollziehbar ansah. Die Bestellung eines Sachverständigen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erachtete das Verwaltungsgericht als nicht erforderlich.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6 Die Revisionswerberin verweist in ihrem Zulässigkeitsvorbringen allgemein auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmtheit von Mängelbehebungsaufträgen sowie zur Auslegung von Willenserklärungen (auch) des Auftraggebers. Ein Angebot könne - so die Revisionswerberin - nur dann gemäß § 129 Abs. 2 BVergG 2006 ausgeschieden werden, wenn der Bieter einem eindeutigen und präzisen Aufklärungsersuchen nicht fristgerecht nachgekommen sei, wobei die Anforderungen des Ersuchens nach dem objektiven Erklärungswert zu ermitteln seien und in der Aufklärung des Bieters klar zum Ausdruck kommen müsse, dass er das Ersuchen nicht vollständig beantworten wolle. Nach Ansicht der Revisionswerberin habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem objektiven Erklärungswert des Aufklärungsersuchens befasst. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes sei keine ziffernmäßige Darstellung aller (u.a.) Personal- und Materialkosten verlangt gewesen.

7 Nach § 129 Abs. 2 BVergG 2006 kann der Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärung einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt. Dem gegenständlichen Aufklärungsersuchen lässt sich der Hinweis der Auftraggeberinnen entnehmen, dass ein Angebot bei unterbliebener nachvollziehbarer Aufklärung aller Unklarheiten ausgeschieden werden müsse.

8 Die Überprüfung des Vorliegens dieses Ausscheidenstatbestandes erfordert die Auslegung des zugrundeliegenden Aufklärungsersuchens und der daraufhin erstatteten Aufklärung des Unternehmers.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/04/0130, mwN).

10 Eine solche krasse Fehlbeurteilung vermag die Revisionswerberin im vorliegenden Fall mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen.

Soweit die Revisionswerberin moniert, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung ausschließlich auf eine Auslegung der Ausschreibungsunterlage gestützt, ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung das - in seinen wesentlichen Teilen im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebene - Aufklärungsersuchen der Auftraggeberinnen zugrunde gelegt. Dass die Auffassung des Verwaltungsgerichtes über den Inhalt dieses Schreibens im objektiven Erklärungswert desselben keine Deckung finden würde, ist nicht zu erkennen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht in Reaktion auf das insoweit entgegengesetzte Vorbringen der Revisionswerberin die Ausschreibungsunterlagen begründend für ihre Auffassung herangezogen hat, dass in bestimmten näher bezeichneten Positionen Materialkosten anfallen würden und solche daher in einer Aufklärung anzugeben gewesen wären. Auch mit dem weiteren Vorbringen der Revisionswerberin zu den einzelnen Kostenpositionen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin lässt sich aus der von ihr ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Annahme eines den Ausschreibungsbedingungen widersprechenden Angebotes voraussetzt, dass dies im Angebot klar zum Ausdruck gebracht worden ist (vgl. die Erkenntnisse vom 27. Oktober 2014, 2012/04/0066, und vom 21. März 2011, 2007/04/0007), für den vorliegenden Fall nichts ableiten, weil die dort zugrunde liegende Ausgangslage mit der hier gegenständlichen Frage der Vollständigkeit einer vom Auftraggeber begehrten Aufklärung nicht vergleichbar ist. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, dass es dem Aufklärungsschreiben der Revisionswerberin an von den Auftraggeberinnen eingeforderten Inhalten mangle, stellt - wie bereits oben ausgeführt - keine krasse Fehlbeurteilung dar.

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 1. Februar 2017

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