Normen
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Behörde vom 29. Juni 2016 wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, er habe sich als Lenker eines näher bezeichneten Personenkraftwagens, obwohl es ihm zumutbar gewesen wäre, nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, weil das Fahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet worden sei, obwohl das zugewiesene behördliche Kennzeichen nicht geführt worden sei (Spruchpunkt 1) bzw. die Gültigkeit der näher bezeichneten Plakette mit der Lochung 01/2013 abgelaufen gewesen sei (Spruchpunkt 2). Über den Mitbeteiligten wurden wegen dieser Übertretungen des § 36 lit. b KFG (Spruchpunkt 1) bzw. des § 102 Abs. 1 i.V.m. § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG Geldstrafen in der Höhe von EUR 110,-- (Spruchpunkt 1) bzw. EUR 80,-- (Spruchpunkt 2) verhängt.
2 Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Verwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Erkenntnis statt, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.
3 Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - fest, dass der Revisionswerber den im Spruch des Straferkenntnisses bezeichneten Personenkraftwagen am 7. November 2015 in T., vor dem Objekt O-Straße 5, auf einem Parkplatz unmittelbar vor der Laderampe abgestellt habe. Beim Objekt O-Straße 5 handle es sich um Lagerräume des Speditionsunternehmens des Revisionswerbers. Über die gesamte Länge dieser Gebäude befinde sich auf jeder Seite, auf der der PKW abgestellt gewesen sei, eine Laderampe. Auf diesen Gebäuden im Nahebereich des abgestellten PKW seien folgende drei Schilder angebracht: "Privatgrund Betreten verboten", "Betriebsgelände Betreten auf eigene Gefahr", "Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten". Die Fläche vor den Lagergebäuden sei genauso wie die angrenzende O-Straße asphaltiert, ein Unterscheid zwischen dem Straßenverlauf und den Flächen vor den Lagergebäuden bestehe lediglich in der Farbe des Asphaltes; dieser sei auf der Fahrbahn etwas dunkler. Teilweise seien zwischen dem Straßenverlauf und der angrenzenden ebenfalls asphaltierten Fläche auch Randsteine vorhanden, welche allerdings niveaugleich mit dem Asphalt ausgeführt seien. Eine Absperrung oder Abschrankung der Manipulationsfläche zur Fahrbahn sei nicht vorhanden.
4 In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass es sich bei der Fläche, auf der der PKW abgestellt war, nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO gehandelt habe. Die Manipulationsfläche vor den Laderampen, auf welcher der PKW abgestellt gewesen sei, sei nicht durch Schranken von der O-Straße abgetrennt und auch nicht eingezäunt gewesen. Dies spreche auf den ersten Blick dafür, diese Flächen als Straßen mit öffentlichem Verkehr zu qualifizieren. Die räumliche Abgrenzung zur O-Straße sei durch die unterschiedliche Farbe des Asphalts und die teilweise vorhandenen Randsteine erkennbar. Wesentlich sei, dass insgesamt drei Schilder vorhanden seien, mit denen der Eigentümer der Manipulationsfläche deutlich zum Ausdruck bringe, dass er die Benützung dieser Fläche durch die Allgemeinheit ausschließen wolle. Es gebe einen Hinweis auf ein Betriebsgelände sowie auf Privatgrund, dessen Betreten verboten sei, und außerdem den Hinweis, dass das Zufahren nur für Kunden und Lieferanten erlaubt sei. Damit sei - insbesondere im Zusammenhang mit dem Umstand, dass entlang der gesamten Gebäudelänge eine Laderampe vorhanden sei - für jedermann klar erkennbar, dass diese Fläche nur von Kunden und Lieferanten befahren bzw. betreten werden dürfe. Aus der Kombination dieser Schilder und der vorhandenen Laderampe sei für jeden einsichtigen Verkehrsteilnehmer erkennbar, dass entlang der Laderampe Fahrzeuge grundsätzlich nur zum Be- und Entladen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Spedition abgestellt werden dürften.
Der Verwaltungsgerichtshof habe zu Parkplätzen vor einem Gasthaus bzw. einem Kaufhaus, die mit Schildern "Parken nur für Gäste" bzw. "Parkplatz für Kunden" gekennzeichnet gewesen seine, ausgesprochen, dass es sich dabei um Straßen mit öffentlichem Verkehr handle, weil der zur Benützung der Verkehrsfläche berechtigte Personenkreis von Vornherein unbestimmt sei, insbesondere weil jedermann die Möglichkeit habe, Gast bzw. Kunde zu werden (Hinweis auf VwGH 3. Oktober 1990, 90/02/0094, 0095).
Auch die gegenständliche Manipulationsfläche sei mit einem Schild "Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten" gekennzeichnet. Der wesentliche Unterschied zu dem Parkplatz eines Gasthauses bzw. eines Kaufhauses bestehe jedoch darin, dass es sich hier um Kunden bzw. Lieferanten eines Speditionsunternehmens handle. Nur diese sollten nach dem deutlich sichtbaren Hinweis des Grundeigentümers die Verkehrsfläche betreten bzw. befahren dürfen. Im Gegensatz zu einem Gasthaus- bzw. Kaufhausparkplatz könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass jedermann Kunde eines Speditionsunternehmens werde. Die An- und Ablieferung von Waren zu einem Speditionsunternehmen erfolge typischerweise nur durch einen sehr eingeschränkten Personenkreis, weshalb bei Abwägung der gesamten Verhältnisse für jedermann ersichtlich sei, dass diese Fläche nicht zur allgemeinen Benützung freistehe.
Die Revision sei zulässig, weil die Frage, ob eine nicht abgeschrankte, in der Natur jedoch erkennbare Manipulationsfläche eines Speditionsunternehmens, mit den Schildern "Privatgrund Betreten verboten" sowie "Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten", als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO zu werten sei, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig geklärt sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der Landespolizeidirektion Oberösterreich mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu auf Entscheidung in der Sache und Bestätigung des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 29. Juni 2016. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil - wie die Revision zutreffend aufzeigt - das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
7 Die dem Revisionswerber von der revisionswerbenden Behörde vorgeworfenen Übertretungen des KFG setzen voraus, dass das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet wurde. § 1 Abs. 1 KFG verweist zur Bestimmung des Begriffs der Straßen mit öffentlichem Verkehr auf § 1 Abs. 1 StVO. Demnach sind Straßen mit öffentlichem Verkehr solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 1 StVO ist auch ein im Eigentum eines Privaten stehender Parkplatz eine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung oder Abschrankung erkennbar ist, dass das Gegenteil zutrifft. Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen ist zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen muss. Der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen kann nicht so ausgelegt werden, dass die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge (vgl. VwGH 21. November 2014, 2013/02/0168, m.w.H.). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im eben zitierten Erkenntnis eine Verkehrsfläche, die als Kundenparkplatz und Lieferantenzufahrt diente, als Straße mit öffentlichem Verkehr qualifiziert; ebenso einen eingezäunten Parkplatz eines Gasthauses, bei dessen Einfahrt ein Schild mit dem Hinweis "Parken nur für Gäste" angebracht war (VwGH 3. Oktober 1990, 90/02/0094, 0095).
9 Im Revisionsfall war das Kraftfahrzeug des Mitbeteiligten nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes auf einer Verkehrsfläche ("Manipulationsfläche") vor Lagerräumen eines Speditionsunternehmens abgestellt, die ebenso wie die unmittelbar angrenzende, niveaugleiche (öffentliche) Straße asphaltiert war. Der Asphalt auf der "Manipulationsfläche" war etwas heller, eine Absperrung oder Abschrankung zur Fahrbahn der öffentlichen Straße war jedoch nicht vorhanden. Die vom Verwaltungsgericht festgestellte Beschilderung der Verkehrsfläche ist zwar in sich nicht schlüssig, wird doch einerseits das Betreten verboten ("Privatgrund Betreten verboten"), andererseits lediglich der Hinweis gegeben, dass ein Betreten auf eigene Gefahr erfolge ("Betriebsgelände Betreten auf eigene Gefahr"); schließlich wird aber - entscheidend für die hier vorzunehmende rechtliche Beurteilung - das Befahren der Verkehrsfläche für einen sachlich umschriebenen Personenkreis ausdrücklich gestattet ("Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten"). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes kommt es nicht darauf an, ob der damit angesprochene Kunden- und Lieferantenkreis im Vergleich zum Kreis potentieller Kunden eines Gasthauses "eingeschränkt" ist. Auch im hier vorliegenden Fall hat der Eigentümer mit der Beschilderung der Verkehrsfläche nicht den Charakter einer Straße mit öffentlichem Verkehr genommen, sondern vielmehr die - gegenüber der öffentlichen Straße nicht abgeschrankte oder sonst baulich abgegrenzte - Verkehrsfläche für einen sachlich allgemein umschriebenen Personenkreis geöffnet.
10 Da das Verwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorliegen einer Straße mit öffentlichem Verkehr verneint hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Eine - von der revisionswerbenden Behörde in eventu beantragte - Entscheidung in der Sache ist dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall schon deshalb verwehrt, weil das Verwaltungsgericht, aufbauend auf der Rechtsansicht, dass das Fahrzeug nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet worden sei, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Oberösterreich erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen hat, sodass die Sache nicht im Sinne des § 42 Abs. 4 VwGG entscheidungsreif ist.
Wien, am 13. April 2017
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