VwGH Ra 2016/15/0073

VwGHRa 2016/15/007314.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Kufstein Schwaz in 6333 Kufstein, Oskar Pirlo‑Straße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Juli 2016, Zl. RV/3100159/2013, betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011 (mitbeteiligte Partei: J H in K, vertreten durch die Wirtschaftstreuhand Kufstein Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 6330 Kufstein, Oberer Stadtplatz 15), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §167 Abs2
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1 Z6
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016150073.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und bezog Leistungen von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Er betrieb weiters eine Land‑ und Forstwirtschaft in der Größe von ca. 55 Hektar; er erklärte negative Einkünfte aus Land‑ und Forstwirtschaft.

2 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich einer die Jahre 2006 bis 2009 betreffenden Außenprüfung vom 11. September 2012 wurde festgehalten, die Ermittlung des land‑ und forstwirtschaftlichen Gewinnes bzw. Verlustes erfolge seit 1. Jänner 1993 durch Einnahmen‑Ausgaben‑Rechnung. In allen Jahren von 1993 bis 2006 seien Verluste erwirtschaftet worden, insgesamt in einer Höhe von ca. 1,2 Mio €. Im Rahmen der nach der Liebhabereiverordnung vorzunehmenden Kriterienprüfung komme dem Bemühen um eine Verbesserung der Ertragslage große Bedeutung zu. Die vom Abgabepflichtigen angeführten Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragssituation hätten auf Dauer keine nennenswerten Ertragssteigerungen gebracht. Mit Ablauf des Jahres 2006 hätte es für den Abgabepflichtigen klar sein müssen, dass sich das Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben tendenziell verschlechtert habe und seine Tätigkeit in der bisher geführten Weise nie zu einem positiven Ergebnis führen werde, wenn sich nicht unter Einbeziehung der stillen Reserven im stehenden Holz ein Gesamtgewinn aus der land‑ und forstwirtschaftlichen Tätigkeit ergebe. Unter Einbeziehung der zum 31. Dezember 2006 im stehenden Holz enthaltenen stillen Reserven und des fiktiven Übergangsgewinnes zum 31. Dezember 2006 betrage der in den Jahren 1993 bis 2006 erwirtschaftete Gesamtverlust aus Land‑ und Forstwirtschaft ca. 1 Mio €. Die Finanzbehörde sei daher der Ansicht, dass ab dem Jahr 2007 die Betätigung als Liebhaberei einzustufen sei.

3 Mit Bescheiden vom 17. Oktober 2012 wurde die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 festgesetzt. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden nicht berücksichtigt. Begründend wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen. Mit Bescheid vom 23. Mai 2013 wurde die Einkommensteuer 2011 ‑ gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ‑ festgesetzt; die Einkünfte aus Land‑ und Forstwirtschaft wurden mit 0 € berücksichtigt. Auch hiezu wurde begründend auf die Feststellungen der Betriebsprüfung verwiesen.

4 Der Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Berufung und beantragte eine erklärungsgemäße Veranlagung der Einkommensteuer.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011 ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.

6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Verluste aus Land‑ und Forstwirtschaft seien in den Jahren 1997 bis 2006 relativ konstant gewesen (ca. 100.000 € pro Jahr). Von 2007 bis 2011 sei eine Wellenbewegung feststellbar (Durchschnitt der Verluste rund 145.000 € pro Jahr; 2007: ca. 147.000 €; 2008: ca. 139.000 €; 2009: ca. 156.000 €; 2010: ca. 139.000 €; 2011: ca. 147.000 €). Gewinne aus dieser Tätigkeit seien in den Jahren 1993 bis 2011 nicht aufgetreten. Die zentrale Ursache dafür, dass im Gegensatz zu vergleichbaren land‑ und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten kein Überschuss erzielt worden sei, liege im angeschlagenen Gesundheitszustand des Mitbeteiligten und dem damit verbundenen erhöhten Personalaufwand. Das Vorliegen einer Verlustsituation sei im Übrigen angesichts der Entwicklung des Agrar-Preis-Index der Jahre 2001 bis 2010 nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen; die Indizes für Betriebseinnahmen in diesem Zeitraum stagnierten, während die Indizes für Betriebsausgaben im selben Zeitraum laufend angestiegen seien. Die Art und Weise der Ausübung der land‑ und forstwirtschaftlichen Tätigkeit könne im Hinblick auf das Leistungsangebot und im Hinblick auf die Preisgestaltung als marktgerecht angesehen werden. Sowohl im Streitzeitraum als auch in den Jahren zuvor könne ein umfangreiches und ernsthaftes Bemühen des Mitbeteiligten zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen festgestellt werden. So sei im Jahr 2001 offensiv die Direktvermarktung weiterer landwirtschaftlicher Produkte (neben Milch) versucht worden. Im Jahr 2002 bzw. 2008 seien weitere Wiesen im Ausmaß von über 17.000 m² hinzugekauft worden. In den Jahren 2003/2004 seien weitere Milchkontingente erworben bzw. die vorhandenen optimiert worden. In den Jahren 2004/2005 habe eine Marketingoffensive für Milchkunden in Schulen und Gasthäusern stattgefunden. Im Jahr 2005 sei ein neuer Großmilchkunde mit Interesse auch an weiteren landwirtschaftlichen Produkten gewonnen worden. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer bemüht gewesen, durch Futteroptimierung (Änderung des Brotlieferanten, Verwendung von Salat und Gemüseresten der Gastronomie sowie Einsatz von Futtermais) die Produktionskosten zu senken.

7 In Gesamtbetrachtung komme das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass bei dieser land‑ und forstwirtschaftlichen Betätigung auf eine Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden könne.

8 Soweit das Finanzamt auf anderweitige positive Einkünfte des Mitbeteiligten (aus Vermietung und Verpachtung) verweise, sei daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das Vorliegen anderer Einkunftsquellen als Indiz für eine Liebhabereibeurteilung nur dort tauge, wo eine zu beurteilende Tätigkeit typischerweise mit besonderen, der Lebensführung zuzuordnenden Neigungen eines Abgabepflichtigen zusammen hänge, was jedoch im Zusammenhang mit Tätigkeiten nach § 1 Abs. 1 LVO (wie hier) gerade nicht der Fall sei. Dass der Mitbeteiligte nicht zusätzliches Fremdkapital, sondern Eigenkapital aus anderen Einkunftsquellen in die Land‑ und Forstwirtschaft investiert habe, spreche zudem gegen eine Liebhabereibeurteilung.

9 Das Alter und der Gesundheitszustand des Mitbeteiligten mögen zwar im Zuge der Kriterienprüfung vereinzelt eine Berücksichtigung finden, könnten jedoch nicht allein für sich und losgelöst von den Ergebnissen der Kriterienprüfung die Annahme einer Liebhabereitätigkeit begründen.

10 Die erklärten Einkünfte aus Land‑ und Forstwirtschaft seien daher im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen gewesen. Da überdies keine tatbestandsmäßige Ungewissheit im Tatsachenbereich vorgelegen sei, sei die vorläufige Festsetzung des Jahres 2011 in eine endgültige Festsetzung zu ändern gewesen.

11 Da das Bundesfinanzgericht der ‑ im Einzelnen angeführten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folge, sei eine Revision nicht zulässig.

12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Zur Zulässigkeit wird in der Revision zunächst geltend gemacht, ein konventionell betriebener land‑ und forstwirtschaftlicher Betrieb sei als typisch erwerbswirtschaftliche Betätigung einzustufen. Ob ein solcher Betrieb auf Grund einer langjährigen und ausgeprägten Verlustsituation als Liebhaberei einzustufen sei, sei bislang vom Verwaltungsgerichtshof ertragsteuerlich nicht abschließend beurteilt.

17 Dem ist zu entgegnen, dass diese Frage entsprechend § 1 Abs. 1 LVO danach zu beantworten ist, ob die Betätigung durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn (Gesamtüberschuss) zu erzielen. Dies ist wiederum insbesondere anhand der in § 2 Abs. 1 LVO aufgezählten Umstände zu beurteilen; „Ausmaß und Entwicklung der Verluste“ ist eines dieser Kriterien (§ 2 Abs. 1 Z 1 LVO).

18 Ob die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Ansicht des Verwaltungsgerichts zur Frage, ob subjektives Ertragsstreben vorliegt, gegeben sind, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die nur insofern der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofs zugänglich ist, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. VwGH vom 19. März 2008, 2005/15/0151).

19 Das Bundesfinanzgericht kam in einer zusammenfassenden Würdigung der Kriterien zum Ergebnis, dass die Gewinnerzielungsabsicht in den jeweiligen Veranlagungsjahren vorgelegen ist. Eine Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen zu den Sachverhaltsannahmen oder eine unvertretbare Gesamtwürdigung kann das Finanzamt im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht aufzeigen.

20 Weiters macht die Revision zur Zulässigkeit geltend, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liege auch bei einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO, bei der sich objektiv nach mehreren Jahren herausstelle, dass sie niemals erfolgbringend sein könne, bis zu diesem Zeitpunkt eine Einkunftsquelle vor. Werde sodann aber diese Tätigkeit nicht eingestellt, sei sie für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt als Liebhaberei zu qualifizieren. Soweit das Bundesfinanzgericht lediglich darauf abstelle, dass der Steuerpflichtige grundlegende strukturelle Maßnahmen gesetzt habe, um den Betrieb nachhaltig aus der Verlustzone zu führen, dabei aber unberücksichtigt lasse, dass diese Maßnahmen zu keiner Verbesserung der Ertragslage geführt hätten, wodurch sich zeige, dass der konkrete Betrieb objektiv nicht gewinnbringend geführt werde, habe es die Rechtslage verkannt und weiche es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab.

21 Auch mit diesem Vorbringen wird eine wesentliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Stellt sich bei einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO objektiv nach mehreren Jahren heraus, dass sie unter keinen Umständen erfolgbringend sein kann, kann sie dennoch bis zu diesem Zeitpunkt als Einkunftsquelle anzusehen sein. Erst wenn die Tätigkeit dann nicht eingestellt wird, ist sie für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt als Liebhaberei zu qualifizieren (vgl. VwGH vom 23. Februar 2010, 2006/15/0314). Wie lange die (vorübergehende) Fortsetzung einer an sich aussichtslosen Tätigkeit noch als wirtschaftlich vernünftige Reaktion angesehen werden kann, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. VwGH vom 23. Februar 2005, 2002/14/0024). In einem zur Rechtslage vor der LVO ergangenen Erkenntnis ‑ nach der damaligen Rechtslage kam es (anders als nach der nunmehrigen Rechtslage) primär auf die objektive Ertragsfähigkeit des Betriebes und nur subsidiär auf das subjektive Ertragsstreben an ‑ sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, den Erben eines Traditionsbetriebes sei das Recht zuzubilligen, so lange für das Weiterleben des ererbten Betriebes zu kämpfen, als dies nach den Umständen des Falles noch nicht völlig aussichtslos geworden ist (vgl. VwGH vom 22. April 1998, 96/13/0189, VwSlg. 7275/F). Diese Erwägungen gelten umso mehr für die nunmehrige Rechtslage, die das subjektive Ertragsstreben in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellt (vgl. VwGH vom 11. November 2008, 2006/13/0124, VwSlg. 8387/F).

22 Dass im vorliegenden Fall das Weiterleben des Betriebes in den Streitjahren völlig aussichtslos geworden wäre, behauptet die Revision gar nicht.

23 Wenn die Revision hiezu ergänzend geltend macht, die Maßnahmen iSd § 2 Abs. 1 Z 6 LVO hätten zu keiner Verbesserung der Ertragslage geführt, so ist zu erwidern, dass es nicht auf den tatsächlichen Erfolg der Maßnahmen ankommt, sondern auf die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Verfolgung der im § 1 Abs. 1 LVO beschriebenen Absicht (vgl. VwGH vom 19. März 2008, 2005/15/0151). Diese Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Verfolgung der Gewinnerzielungsabsicht wird in der Revision nicht in Frage gestellt.

24 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet ‑ im Rahmen des Begehrens ‑ in den §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. September 2017

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