VwGH Ro 2016/13/0001

VwGHRo 2016/13/000131.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. August 2015, Zl. RV/7101225/2013, betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für das Jahr 2011 (mitbeteiligte Partei: J in W, vertreten durch die BDO Graz GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 8010 Graz, Hallerschloßstraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

KStG 1988 §24 Abs4 Z4;
UmgrStG 1991 §9 Abs8;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als es die Einkommensteuer für das Jahr 2011 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte war Hauptgesellschafter und bis zur Begründung eines Dienstverhältnisses zu einer anderen Gesellschaft am 1. September 2010 auch Geschäftsführer der X Unternehmensberatungs GmbH. Danach war seine Ehefrau Geschäftsführerin. Mit Umwandlungsvertrag vom 22. September 2011 wurde die GmbH zum Umwandlungsstichtag 31. Dezember 2010 verschmelzend auf den Mitbeteiligten umgewandelt. Streitpunkte des Verfahrens sind die Anwendbarkeit des Art. II Umgründungssteuergesetz (UmgrStG) auf diesen Vorgang und - für den Fall der Bejahung der Anwendbarkeit - die Beschränkung der Anrechnung von Mindestkörperschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 8 UmgrStG.

2 Das Finanzamt verneinte die Erfüllung der Voraussetzungen einer verschmelzenden Umwandlung nach § 7 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich UmgrStG und damit die Anwendbarkeit des Art. II dieses Gesetzes, weil es nach einer Außenprüfung der Meinung war, die GmbH habe entgegen den dort genannten Voraussetzungen schon am Umwandlungsstichtag (31. Dezember 2010) und jedenfalls am Tag des Umwandlungsbeschlusses (22. September 2011) nicht mehr über einen Betrieb verfügt. Mit Kündigung der wesentlichen Dienstverhältnisse und Veräußerung der Betriebs- und Geschäftsausstattung sei die Betriebsauflösung zum 31. Dezember 2010 beendet gewesen. Der Mitbeteiligte könne daher die in der GmbH 2011 erwirtschafteten Verluste nicht im Rahmen seiner Einkünfte geltend machen; weiters stehe ihm der Verlustvortrag der GmbH nicht zu.

3 Der gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Bescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer für das Jahr 2011 erhobenen Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis weitgehend statt.

4 Als "Sachverhalt und Beweiswürdigung" legte es der Entscheidung u.a. folgende Ausführungen zugrunde:

"Der Betrieb der GmbH bestand in der Unternehmensberatung auf den Gebieten Vergaberecht und Diversity. Die Beratung erfolgte durch die Mitarbeiter der GmbH und den (Mitbeteiligten), der Gesellschafter der GmbH und bis 1.9.2010 auch deren Geschäftsführer war. Im Jahr 2011 wurde wegen des Auslaufens zweier Großprojekte der Umfang des Betriebes drastisch reduziert:

Sämtliche Dienstverhältnisse wurden beendet, die Büroräumlichkeiten wurden aufgegeben und ein Großteil des Anlagevermögens veräußert. Stattdessen benutzte die GmbH Betriebsmittel der Gattin des (Mitbeteiligten) und ab Mitte 2011 auch deren im Wohnungsverband des (Mitbeteiligten) und seiner Gattin gelegenes Arbeitszimmer. Diese Betriebsausstattung wurde der GmbH unentgeltlich im Wege der Nutzungseinlage überlassen. Nach der Umwandlung führte der (Mitbeteiligte) den verminderten Betrieb als Einzelunternehmen mit unverändertem Unternehmensgegenstand fort. Die Reduzierung des Betriebsumfanges spiegelt sich auch in deutlich gesunkenen Umsätzen 2011 gegenüber den Vorjahren wieder: (...)

Für die von der belangten Behörde angenommene Betriebseinstellung finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Nicht nur, dass die Beendigung der Großprojekte aus den Jahren 2009-2010 bis in das Jahr 2012 hineingereicht hat, gab es auch im Jahr 2011 und in der Folge Aktivitäten der GmbH bzw. des (Mitbeteiligten), die auf Einkünfteerzielung im Bereich der einschlägigen Unternehmensberatung gerichtet waren. Es kann nicht unterstellt werden, der Betrieb der GmbH sei vor dem Umwandlungsbeschluss eingestellt worden, und der (Mitbeteiligte) hätte nach dem Umwandlungsbeschluss eine eigene Unternehmensberatung begonnen, weil es sich inhaltlich um die selbe Tätigkeit handelt (wenn auch in vermindertem Umfang) und neben eigenen Bemühungen des (Mitbeteiligten) auch die Projekte der GmbH in Rechtsnachfolge fortgesetzt bzw. abgeschlossen wurden."

5 Davon ausgehend bejahte das Bundesfinanzgericht das Vorliegen eines Betriebes im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich UmgrStG sowohl zum 31. Dezember 2010 als auch zum 22. September 2011 sowie im Sinne des § 9 Abs. 8 dritter Satz UmgrStG (für die Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer) zum Ende des Jahres 2011.

6 In Bezug auf die Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer vertrat das Bundesfinanzgericht die Ansicht, der Mitbeteiligte habe "die Eigenschaft der umgewandelten Kapitalgesellschaft dahingehend" fortgesetzt, "dass deren Verrechnungsschranke weiterhin gilt". Die Anrechnung sei daher "nur auf Einkommensteuer möglich, die den Betrag von 1.750 Euro im Veranlagungsjahr übersteigt".

7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht nur für zulässig, weil zum Ausmaß der Anrechnung offener Mindestkörperschaftsteuer noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Ob ein aufrechter Betrieb Gegenstand der Umwandlung gewesen sei, sei hingegen eine Sachverhalts- und keine Rechtsfrage.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision richtet sich gegen die Annahme eines aufrechten Betriebes zu den erwähnten drei maßgeblichen Zeitpunkten, in eventu - und insoweit zugunsten des Mitbeteiligten - aber auch gegen die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, für die Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer beim Mitbeteiligten gelte eine Anrechnungsschranke von EUR 1.750,-- (Mindestkörperschaftsteuer einer GmbH).

11 In Bezug auf den ersten dieser Streitpunkte ist dem Finanzamt einzuräumen, dass er keine reine Sachverhaltsfrage betrifft. Die rechtlichen Erwägungen, die der Revision zu diesem Streitpunkt zugrunde liegen, nehmen auf die in der Revision nicht bekämpften Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes zum Sachverhalt aber nicht ausreichend Bedacht. Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, die drastische Reduktion des Betriebsumfanges sei "wegen des Auslaufens zweier Großprojekte" erfolgt und der Mitbeteiligte habe den Betrieb als Einzelunternehmen mit unverändertem Unternehmensgegenstand fortgeführt, wobei nicht nur "bis in das Jahr 2012 hinein" die Großprojekte beendet, sondern auch neue, auf die Erzielung von Einkünften im Bereich der "einschlägigen Unternehmensberatung" gerichtete Aktivitäten gesetzt worden seien. Auf dieser Grundlage ist die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, der Betrieb sei nicht aufgelöst, sondern nur eingeschränkt worden, auch aus dem Blickwinkel des in der Revision zitierten, aber zu einer Einbringung nach Art. III § 12 UmgrStG ergangenen Erkenntnisses vom 26. Juni 2014, 2011/15/0028, unbedenklich (vgl. zum - tätigkeitsbezogenen - ertragsteuerlichen Betriebsbegriff Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Tz 22, m.w.N.; zur Maßgeblichkeit dieses Betriebsbegriffes im Zusammenhang mit § 7 UmgrStG Stefaner in Kofler, UmgrStG6, § 7 Rz 132; zur besonderen Perspektive eines "einbringungsfähigen" Betriebes nach § 12 UmgrStG Furherr in Kofler, a.a.O., § 12 Rz 75). Wenn das Finanzamt in seiner Rechtsrüge davon ausgeht, es hätten keine "betrieblichen Aktivitäten" mehr stattgefunden, so weicht es damit von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen ab.

12 Die Rechtsausführungen des Bundesfinanzgerichtes zur Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer lauten, soweit hier wesentlich:

"Bei Anrechnung offener Mindestkörperschaftsteuer ist § 24 Abs 4 Z 4 KStG anzuwenden (§ 9 Abs 8 UmgrStG idF BBG 2012, BGBl I 2011/112, anwendbar ab der Veranlagung 2011 gemäß 3. Teil Z 19 UmgrStG). Demnach ist die Anrechnung der Mindeststeuer mit jenem Betrag begrenzt, mit dem die tatsächlich entstehende Steuerschuld den sich aus § 24 Abs 4 Z 1-3 KStG ergebenden Betrag übersteigt. Betreffend anrechenbare Mindeststeuern setzt der Rechtsnachfolger somit die Eigenschaft der umgewandelten Kapitalgesellschaft dahingehend fort, dass deren Verrechnungsschranke weiterhin gilt. Auf den vorliegenden Fall übertragen ist eine Anrechnung von offener Mindestkörperschaftsteuer somit nur auf Einkommensteuer möglich, die den Betrag von 1.750 Euro im Veranlagungsjahr übersteigt (§ 24 Abs 4 Z 1 iVm § 6 GmbHG idF 2011). Der verbleibende Rest an Mindeststeuer steht allenfalls in Folgejahren zur Verrechnung als Vorauszahlung zur Verfügung."

13 Gemäß § 9 Abs. 8 dritter Satz UmgrStG "gilt" § 24 Abs. 4 Z 4 KStG 1988 "für natürliche Personen als Rechtsnachfolger", wenn der "Betrieb nach § 7 Abs. 1" am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll, noch vorhanden ist.

14 Gemäß § 24 Abs. 4 Z 4 erster Satz KStG 1988 ist die Mindeststeuer "in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung (...) anzurechnen". Nach dem zweiten Satz der Z 4 ist die Anrechnung "mit jenem Betrag begrenzt, mit dem die (...) tatsächliche Körperschaftsteuerschuld den sich aus den Z 1 bis 3 für diesen Veranlagungszeitraum ergebenden Betrag übersteigt". § 24 Abs. 4 Z 1 bis 3 KStG 1988 regeln die Höhe der Mindeststeuer für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbare unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Körperschaften.

15 Auf natürliche Personen als Rechtsnachfolger ist die in § 9 Abs. 8 dritter Satz UmgrStG erwähnte Vorschrift des § 24 Abs. 4 Z 4 KStG 1988 nur sinngemäß anwendbar. Solche Personen haben keine "tatsächliche Körperschaftsteuerschuld", und es gibt für sie keinen "sich aus den Z 1 bis 3 (...) ergebenden Betrag". Letzteres bedeutet, wie das Finanzamt zutreffend geltend macht, dass auch die Begrenzung der Anrechnung mit einem solchen Betrag nicht wirksam werden kann (vgl. in diesem Sinn auch Rzepa/Wild, RWZ 2015, 348 (350); Stefaner, a.a.O., § 9 Rz 361a).

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher im davon betroffenen Teil (Einkommensteuer für das Jahr 2011) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen (Umsatzsteuer für das Jahr 2011) war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. Mai 2017

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