Normen
61995CJ0258 Fillibeck VORAB;
UStG 1994 §3a Abs1a;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte betreibt nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts eine Schischule, in der im Streitzeitraum - teils durchgehend während der Wintersaison, teils kurzfristiger - jährlich rund 200 Schilehrer angestellt waren. Der Anteil der einheimischen, d.h. im Schiort wohnhaften Schilehrer betrug ca. 14 % der insgesamt beschäftigten Schilehrer. Weitere ca. 10 % der Schilehrer kamen aus den umliegenden Gemeinden, einige wenige Schilehrer aus dem restlichen Bezirk sowie vereinzelt aus anderen Gemeinden im Bundesland. Die übrigen Schilehrer (ca. 71 % der insgesamt beschäftigten Personen) stammten aus dem Ausland (ca. 64 %) bzw. aus Orten im Inland, deren Entfernung zum Schiort eine tägliche Rückkehr nicht zuließ (ca. 7 %). Diese "auswärtigen" Schilehrer waren fast ausnahmslos in Personalunterkünften der Schischule untergebracht (2008 insgesamt 151 Personen, 2009 insgesamt 143 Personen, 2010 insgesamt 137 Personen, 2011 insgesamt 150 Personen). Eine verschwindend kleine Anzahl der "auswärtigen" Schilehrer wohnte privat, zB bei Verwandten. Alle Schilehrer wurden entsprechend dem Kollektivvertrag (somit gestaffelt nach der Qualifikation) entlohnt. Ein Rechtsanspruch auf (unentgeltliche) Beistellung einer Unterkunft durch die Arbeitgeberin bestand nicht. Die monatlichen Nettolöhne der auswärtigen Schilehrer betrugen je nach Qualifikation zwischen 700 und 800 EUR.
2 Die Mitbeteiligte mietete die Personalunterkünfte zum Teil im Schiort, großteils in der Nachbargemeinde sowie vereinzelt in weiteren umliegenden Gemeinden an und stellte sie den auswärtigen Schilehrern unentgeltlich zur Verfügung. Auf die Höhe des Barlohnes hatte dies keine Auswirkung. Mit fünf Vermietern in der Nachbargemeinde hatte die Mitbeteiligte Vereinbarungen über so genannte "Saisonunterkünfte" getroffen; dies zum Teil in der Weise, dass sich die Mitbeteiligte bestimmte Zimmerkontingente reservieren ließ, die nach Bedarf abgerufen wurden; teilweise wurden auch Zimmer für die gesamte Wintersaison fix angemietet. Bei den Personalzimmern handelte es sich um ältere, abgewohnte Zimmer, die an Gäste nicht mehr vermietbar waren (großteils einfach ausgestattete Doppelzimmer). Die Vermieter stellten Bettwäsche und Handtücher zur Verfügung, die Reinigung der Zimmer oblag den Schilehrern in der Regel selbst. Ein Frühstück war nicht inbegriffen. Soweit keine Gemeinschaftsküche vorhanden war, wurde den Schilehrern von den Vermietern zumeist die Verwendung selbst mitgebrachter Elektro-Kochplatten gestattet. Die Zuweisung der Unterkünfte an die Schilehrer oblag der Mitbeteiligten. Der von den Vermietern verrechnete Preis lag bei den Unterkünften im Schiort bei durchschnittlich 20 EUR, in der Nachbargemeinde bei 13 bis 15 EUR pro Nächtigung. Die Unterkünfte in der Nachbargemeinde sind vom Ortszentrum des Schiorts 5,9 km entfernt (Fahrzeit laut Routenplaner neun Minuten), wobei die Schilehrer für die Fahrten kostenlos den "Schibus" benutzen konnten. Die Verbindungsstraße war in den Streitjahren schon großteils durch Tunnels lawinensicher verbaut; Lawinengefährdung bestand jedoch auf einer Teilstrecke.
3 Die Schikurse (Gruppen- und Privatkurse) fanden täglich in der Zeit zwischen 9.30 und 15.00 Uhr statt. Außerhalb der angeführten Zeiten gab es Abendveranstaltungen (insbesondere Demo-Shows in vierzehntägigem Rhythmus), bei denen auch auswärtige Schilehrer eingesetzt wurden.
4 Bei einer u. a. die Umsatzsteuer 2008 bis 2011 umfassenden Außenprüfung bzw. Umsatzsteuernachschau stellte der Prüfer fest, dass die Schischule (als Arbeitgeberin) Personalunterkünfte angemietet hatte, die sie auswärtigen Schilehrern unentgeltlich zur Verfügung stellte. Nach Ansicht des Prüfers sei der Vorsteuerabzug aus der Anmietung der Zimmer, die ausschließlich und unmittelbar dem privaten Bedarf des Personals der Schischule dienten, zu versagen. Das Finanzamt verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2010 und erließ neue Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 2008 bis 2010 sowie einen (Erst‑)Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2011, in denen es - der Rechtsansicht des Prüfers folgend - die erklärten Vorsteuern um jene Beträge kürzte, die auf die Miete für die Personalunterkünfte entfielen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2008 bis 2010 sowie gegen den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2011 Folge. Begründend führte es aus, es stehe außer Streit, dass die (unentgeltliche) Überlassung von Personalunterkünften keine Sachleistung der Mitbeteiligten im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 darstelle. Auf die zu erbringenden Dienstleistungen und die nach Qualifikation gestaffelten (Bar‑)Löhne habe es keinen Einfluss gehabt, ob die Schilehrer eine Personalunterkunft in Anspruch genommen hätten.
6 Im Revisionsfall sei davon auszugeben, dass der Schischulbetrieb der Mitbeteiligten die Anstellung auswärtiger Schilehrer erfordert habe. In Anbetracht der von der Mitbeteiligten bezahlten geringen (Kollektivvertrags‑)Löhne habe sie auswärtige Schilehrer in der benötigten Anzahl nur akquirieren können, wenn sie (einfache) Personalunterkünfte unentgeltlich zur Verfügung stelle. Auch die zur Beschaffung preisgünstiger Personalunterkünfte nötige Organisation habe nur durch die Mitbeteiligte (als Arbeitgeberin) erfolgen können.
7 Zwar könne nicht gesagt werden, dass den auswärtigen, insbesondere ausländischen Schilehrern durch die Bereitstellung kostenloser Unterkünfte kein Nutzen entstanden sei, auch wenn es sich zumeist nur um Schlafstellen in abgewohnten Mehrbettzimmern (meist Doppelzimmern) mit einfacher Ausstattung gehandelt habe. Ein verbrauchsfähiger Nutzen ergebe sich zwangsläufig daraus, dass die Arbeitnehmer während der Saisonarbeit eine Unterkunft brauchten, weil eine tägliche Rückkehr an den Wohnort auf Grund der Entfernung nicht in Betracht gekommen sei. Es sei, auch bei Saisonarbeit, grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, für eine Wohnmöglichkeit zu sorgen. Die Bereitstellung einer Unterkunft durch den Arbeitgeber sei daher - außerhalb eines Leistungsaustausches gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 - im Allgemeinen als fiktive Dienstleistung im Sinne des § 3a Abs. 1a UStG 1994 zu beurteilen. Im Revisionsfall seien jedoch die privaten Interessen der Arbeitnehmer an einer Unterkunft durch den von der Mitbeteiligten verfolgten betrieblichen Zweck, mit der Bereitstellung von Personalunterkünften genügend (auswärtige) Schilehrer akquirieren zu können, überlagert, sodass ein überwiegendes Interesse der Mitbeteiligten an der unentgeltlichen Überlassung der Personalunterkünfte bestanden habe. Bei der Interessensabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass es sich nur um einfache, abgewohnte Zimmer gehandelt habe, die nicht mehr als eine Nächtigungsmöglichkeit geboten hätten und die sich zumeist jeweils zwei Schilehrer hätten teilen müssen.
8 Die Überlassung der (angemieteten) Personalunterkünfte falle daher nicht unter § 3a Abs. 1a UStG 1994. Der Mitbeteiligten stehe der Vorsteuerabzug für die ihr von den Vermietern in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge zu. Die im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2008, 2009 und 2010 wichen von den jeweiligen Erstbescheiden nur hinsichtlich der Vorsteuer für die Personalunterkünfte ab. Sei dieser Vorsteuerabzug zu Unrecht versagt worden, erweise sich schon die Wiederaufnahme der Verfahren als rechtswidrig. Nach Aufhebung der Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren sei die Beschwerde gegen die Sachbescheide als gegenstandslos zu erklären gewesen. Der Umsatzsteuerbescheid 2011 sei hinsichtlich abzugsfähiger Vorsteuern im Sinne der Umsatzsteuererklärung abzuändern gewesen.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts, in der es zur Zulässigkeit insbesondere eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend macht. Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Das Bundesfinanzgericht ist - ohne Zulassung der Revision -
von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.
13 Im Verfahren unstrittig liegt hinsichtlich der Zurverfügungstellung der Unterkunft durch die Mitbeteiligte an die bei ihr beschäftigten Schilehrer keine entgeltliche Leistungserbringung vor.
14 Gemäß § 3a Abs. 1a UStG 1994 ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, sowie die unentgeltliche Erbringung von anderen sonstigen Leistungen durch den Unternehmer für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt.
15 Eine Leistung im Sinn des § 3a Abs. 1a UStG 1994 liegt vor, wenn eine Sachzuwendung an den Arbeitnehmer primär zur Deckung eines privaten Bedarfes des Arbeitnehmers dient, das heißt dem Arbeitnehmer in seiner privaten Sphäre ein bedarfsdeckender Nutzen zukommt. Die umsatzsteuerliche Erfassung derartiger Sachzuwendungen bezweckt eine steuerliche Gleichbehandlung der Endverbraucher (vgl. VwGH vom 23. Jänner 2013, 2010/15/0051, sowie EuGH vom 16. Oktober 1997, C-258/95 , Fillibeck, Rz 25).
16 Dient eine Leistung des Unternehmers zwar der Deckung privater Bedürfnisse der Arbeitnehmer, überwiegen aber die betrieblichen Interessen des Unternehmers, liegt keine Leistung im Sinne des § 3a Abs. 1a UStG 1994 vor. So sind beispielsweise Unternehmer im Gastgewerbe auf Grund langer oder untypischer Arbeitszeiten sowie Wochenend- und Feiertagsarbeit daran interessiert, ihrem Personal im eigenen Haus Verpflegung und Unterkunft zu gewähren, sodass solche Zuwendungen im überwiegenden betrieblichen Interesse liegen (vgl. VwGH vom 23. Februar 2010, 2007/15/0073).
17 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, 2010/15/0051, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH ausgeführt hat, ist es Sache des Arbeitnehmers, unter Berücksichtigung seiner Arbeitsstätte den Standort seiner Wohnung zu wählen. Die Zurverfügungstellung einer Unterkunft dient daher unter normalen Umständen dem privaten Bedarf des Arbeitnehmers. Lediglich unter besonderen Umständen ist die Überlassung einer Unterkunft als im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegend anzusehen.
18 Das Vorliegen solcher Umstände hat der Verwaltungsgerichtshof für die Zurverfügungstellung von Personalunterkünften an Schilehrer im zitierten Erkenntnis verneint. Begründend hat er darauf verwiesen, dass der Unterricht der Schilehrer innerhalb der Öffnungszeiten der Seilbahnbetriebe erfolgt und damit - anders als bei Arbeitnehmern im Gastgewerbe - keine langen oder untypischen Arbeitszeiten vorliegen. Darüber hinaus handelt es sich bei der Tätigkeit für die Schischule um eine Tätigkeit, die über einen längeren Zeitraum jeweils vom selben Ort aus ausgeführt wird, sodass es nicht erforderlich ist, für wechselnde Einsatzorte jeweils neue Unterkünfte zu besorgen, was im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsausübung durch den Arbeitgeber die Zurverfügungstellung der Unterkunft als im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers erscheinen lassen könnte. Weiters ist nicht ersichtlich, dass nur der Arbeitgeber eine - im Hinblick auf eine zumutbare Erreichbarkeit der Arbeitsstätte - geeignete Unterkunft bieten könnte und es den Arbeitnehmern - allenfalls mit Unterstützung des Arbeitgebers - nicht möglich wäre, selbst für eine Unterbringung in zumutbarer Nähe zum Arbeitsplatz zu sorgen.
19 Nennenswerte Unterschiede auf Sachverhaltsebene zu dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht in seinen Feststellungen nicht aufgezeigt.
20 Entgegen der Revision dient die Anmietung der Personalzimmer durch die Mitbeteiligte Zwecken des Unternehmens (vgl Ruppe/Achatz, UStG4 § 12 Rz 102 ff) und trifft es daher nicht zu, dass die Anmietung keine für das Unternehmen der Mitbeteiligten bezogene Leistung im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 darstellen würde.
21 Allerdings liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, 2010/15/0051, ausgeführt hat - in der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Zimmer an die Arbeitnehmer in der Folge eine steuerpflichtige Leistung der Mitbeteiligten im Sinne des § 3a Abs. 1a Z 2 UStG 1994.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 29. März 2017
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