Normen
VwGG §13 Abs1 Z1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art167
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art178 lita
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art179
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art266 Z3
62014CJ0518 Senatex VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2015150039.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei, die im Streitzeitraum ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr 2008/2009 aufwies, bezog Leistungen (Erstellung von CAD‑Plänen der heizungs‑, sanitär‑ und lüftungstechnischen Anlage für ein Hotelprojekt) von C S, wobei die von C S an sie gerichteten Rechnungen vom 9. September 2008 und vom 15. September 2008 als Rechnungsleger „[C S, Adresse] UID: ATU noch nicht bekannt“ aufwiesen.
2 Diese Rechnungen wurden am 6. Juni 2011 von C S berichtigt, wobei sie dessen Unterschrift, den Titel Berichtigung, das Datum der Berichtigung und die Umsatzsteuer‑Identifikationsnummer (im Folgenden UID) enthielten. Die angeführte UID wurde mit Vergabebescheid vom 10. Dezember 2008 an C S vergeben und durch den Bescheid vom 7. August 2009 mit 8. August 2009 begrenzt.
3 Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der mitbeteiligten Partei (Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 13. Juli 2011; Außenprüfungsbericht vom 25. Juli 2011) erließ das Finanzamt einen endgültigen Umsatzsteuerbescheid 2009, in dem es hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnungen den mit vorläufigem Bescheid zunächst gewährten Vorsteuerabzug versagte.
4 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung (nunmehr: Beschwerde).
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 Folge. Begründend führte es aus, nach Meinung des Finanzamtes sei ein Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Rechnungslegung mangels UID nicht möglich. Ein Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung sei nach Auffassung des Finanzamtes aber auch nicht möglich, weil C S zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unternehmerisch tätig gewesen sei. Dieser Ansicht vermöge sich das Bundesfinanzgericht nicht anzuschließen. Die Unternehmereigenschaft ende nämlich nicht mit der Einstellung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, der Auflösung der Gesellschaft oder ihrer Löschung im Firmenbuch (Hinweis auf Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG, § 2 Rz 136). Sie ende erst, wenn alle Rechtsbeziehungen abgewickelt worden seien. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, die Unternehmereigenschaft ende bereits mit der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit, wirke die Unternehmereigenschaft aber noch fort. Auch nach Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit seien durch die (ehemalige) Unternehmereigenschaft begründete Verpflichtungen, wie die zur Erteilung/Berichtigung von Rechnungen noch zu erfüllen (Hinweis auf Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 2 Rz 564).
6 Darüber hinaus werde vom Finanzamt die Ansicht vertreten, dass die UID im Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs vorliegen müsse. Werde sie später ergänzt, stehe der Vorsteuerabzug erst in dem Zeitpunkt zu, in dem sämtliche Rechnungsmerkmale vorliegen würden. Diese Rechtsansicht entspreche zwar der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, die sich u.a. auf das Urteil des EuGH vom 29. April 2004, C‑152/02 , Terra Baubedarf‑Handel stütze (Hinweis auf VwGH vom 2. September 2009, 2008/15/0065). Aus den nachfolgenden Urteilen des EuGH vom 25. Juli 2010, C‑368/09 , Pannon Gép Centrum, und vom 8. Mai 2013, C‑271/12 , Petroma Transports SA, leite das Bundesfinanzgericht allerdings ab, dass einer Rechnungsberichtigung jedenfalls dann Ex‑tunc‑Wirkung zukomme, wenn sie bis zur Entscheidung der Steuerbehörde erfolge und sie bloße Formmängel betreffe (wie das unrichtige Datum der Fertigstellung in der Rs C‑368/09 , Pannon Gép Centrum), die keinen Zweifel an der tatsächlichen Erbringung der Leistung und am Leistungsgegenstand offenließen. Im Beschwerdefall seien bereits im Außenprüfungsverfahren und zwar vor Abhaltung der Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung (13. Juli 2011) und vor Erlassung des Umsatzsteuerbescheides (Ausfertigungsdatum 27. Juli 2011) berichtigte Rechnungen vorgelegen. Da im Beschwerdefall die berichtigten Rechnungen somit bereits im Außenprüfungsverfahren vorgelegen und die Rechnungsmängel als nicht gravierend einzustufen seien, sei der Vorsteuerabzug ex tunc zu gewähren.
7 Unbestritten sei, dass im Beschwerdefall die materiell‑rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlägen. Eine Rechnungslegung mit UID‑Angabe des leistenden Unternehmens sei im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht möglich gewesen, weil das Finanzamt C S noch keine UID erteilt gehabt habe. Folge man der Rechtsansicht des Finanzamtes, würde das Vorliegen eines unwesentlichen Rechnungsmangels, der zeitgerecht berichtigt worden sei, zu einem gänzlichen Verlust des Vorsteuerabzuges führen. Eine derartige Rechtsansicht decke sich nicht mit dem Unionsrecht, weil das Recht der Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sei und im Revisionsfall von einer betrügerischen oder missbräuchlichen Berufung darauf keine Rede sein könne.
8 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Anerkennung eines rückwirkenden Vorsteuerabzugs bei zeitgerechter Rechnungsberichtigung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Amtsrevision des Finanzamtes, in der dieses insbesondere geltend macht, aus den Urteilen des EuGH in den Rs C‑368/09 , Pannon Gép Centrum, sowie C‑271/12 , Petroma Transports ua, ergebe sich keine Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
12 Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer, der die in dieser Gesetzesstelle angeführten Erfordernisse erfüllt, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
13 Gemäß § 11 Abs. 1 UStG 1994 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 99/2007 ist, „soweit der Unternehmer im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, die dem Unternehmer vom Finanzamt erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer“ auf der Rechnung anzugeben und bildet daher ein notwendiges Rechnungsmerkmal.
14 Im Revisionsfall ist strittig, ob die vom leistenden Unternehmer C S im Jahr 2011 vorgenommene und im Zuge der Außenprüfung vor Erlass des endgültigen Umsatzsteuerbescheids vorgelegte Rechnungsberichtigung betreffend Rechnungen vom 9. September 2008 und vom 15. September 2008 ex tunc wirkt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigten Rechnungen für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnungen ursprünglich ausgestellt wurden.
15 Der EuGH hat erstmals in seinem Urteil vom 15. September 2016, C‑518/14 , Senatex, ausdrücklich zur Frage der zeitlichen Auswirkung der Berichtigung einer Rechnung auf die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug Stellung genommen. In dem Verfahren ging es ‑ wie im Revisionsfall ‑ um Rechnungen (in Form von Gutschriften), die dem geltend gemachten Vorsteuerabzug zu Grunde lagen und in denen die UID des leistenden Unternehmers fehlte, wobei diese fehlende Angabe aber noch während der Außenprüfung durch die Finanzverwaltung berichtigt wurde.
16 In seinem Urteil hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 167, Art. 178 Buchstabe a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukomme, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden könne, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt worden sei, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt worden sei (vgl. auch bereits VwGH vom 19. Oktober 2016, Ra 2015/15/0017).
17 Dabei hat sich der EuGH auch mit seiner bisherigen Rechtsprechung, insbesondere mit den im Beschwerdeverfahren vom Bundesfinanzgericht erörterten Rs C‑152/02 , Terra Baubedarf‑Handel, einerseits und den Rs C‑368/09 , Pannon Gép Centrum, sowie C‑271/12 , Petroma Transports ua, andererseits, auseinandergesetzt: Mit den beiden letzteren Urteilen habe der EuGH demnach nur bestätigt, dass die Richtlinie 2006/112 es nicht verbiete, fehlerhafte Rechnungen zu berichtigen, sei aber auf die Frage der zeitlichen Auswirkung einer solchen Berichtigung auf die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht eingegangen. In der Rs Terra Baubedarf‑Handel dagegen habe der EuGH zwar entschieden, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben sei, in dem die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt worden sei und in dem der Steuerpflichtige die Rechnung besitze. Die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, habe jedoch ein Unternehmen betroffen, das zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts gar nicht über eine Rechnung verfügt habe, so dass er nicht über die zeitlichen Wirkungen der Berichtigung einer ursprünglich ausgestellten Rechnung entschieden habe.
18 Vor dem Hintergrund des vorliegenden Urteils des EuGH in der Rs C‑518/14 , Senatex, das eine dem Revisionsfall vergleichbare Sachverhaltskonstellation betroffen hat, war daher mit dem Bundesfinanzgericht im Revisionsfall von einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung auszugehen. Damit trägt der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsanschauung des EuGH und seiner Verpflichtung zur Durchsetzung des Unionsrechts Rechnung, sodass es keiner Befassung eines verstärkten Senates infolge des Abgehens von einer früheren Rechtsprechung bedarf (vgl. etwa VwGH vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, mwN).
19 Die Revision erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 1. Juni 2017
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