VwGH Ro 2015/15/0014

VwGHRo 2015/15/001428.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Dr. Köller, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der V Holding AG in W, vertreten durch die Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Nibelungengasse 11/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 31. Dezember 2014, Zl. RV/2100869/2012, betreffend Umsatzsteuer 2005, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168;
62008CJ0029 SKF VORAB;
62011CJ0118 Eon Aset Menidjmunt VORAB;
62016CC0132 Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments Schlussantrag;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine unternehmerisch tätige Aktiengesellschaft (Holding), verkaufte im Jahr 2005 die Beteiligung (GmbH-Anteil) an einem Tochterunternehmen. Der Umsatz war gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. g UStG 1994 steuerfrei. Im Vorfeld nahm die Revisionswerberin für diesen Anteilsverkauf Beratungsleistungen in Anspruch und machte dafür Vorsteuern von 108.333,33 EUR geltend.

2 Vom Finanzamt wurden die im Zusammenhang mit den Beratungsleistungen stehenden Vorsteuern - im nach einer Außenprüfung wiederaufgenommenen Umsatzsteuerverfahren - nicht anerkannt. Dies mit der Begründung, dass die Beratungskosten gemäß den Feststellungen des Prüfers in einem direkten Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung (einem steuerfreien Umsatz) stünden und damit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten.

3 In der dagegen gerichteten Berufung (nunmehr Beschwerde) führte die Revisionswerberin aus, die Nichtzulassung des Vorsteuerabzugs widerspreche der Judikatur des EuGH, der im Urteil vom 29. Oktober 2009, C 29/08 , SKF, festgestellt habe, dass nur dann kein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, wenn die Beratungsleistungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beteiligungsveräußerung stünden. Ein unmittelbarer Zusammenhang sei laut EuGH nur dann gegeben, wenn die Ausgaben für die Beratungsleistungen in den Verkaufspreis der verkauften Anteile eingingen, was gegenständlich nicht der Fall gewesen sei.

4 Das Finanzamt legte die Beschwerde - nach Einholung einer Stellungnahme des Prüfers, der seinen Standpunkt bekräftigte, wonach die Beratungskosten in direktem Zusammenhang mit der Veräußerung stünden und den Verkaufspreis beeinflusst hätten - dem Bundesfinanzgericht vor.

5 In einer - über Aufforderung des Bundesfinanzgerichts erfolgten - Replik der Revisionswerberin auf die Stellungnahme des Prüfers brachte diese ergänzend vor, dass es sich bei den gegenständlichen Beratungsleistungen um konzerninterne Leistungen der Herren W, S, P und L handle. W sei der Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen, welche die Rechnung über die Beratungsleistungen erstellt habe, S sei der Prokurist der Rechnungsausstellerin gewesen, P sei für Kostenrechnung und Controlling zuständig gewesen und G sei der technische Leiter einer ungarischen Tochter gewesen. Die Mitarbeit von W, S, P und L sei unerlässlich gewesen, um überhaupt Verkaufsvorbereitungen andenken zu können. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Kaufpreis der Beteiligung und den Leistungen der angeführten Herren bestehe aber nicht. Vielmehr habe die Revisionswerberin erst nach erbrachter Leistung potentielle Interessenten ansprechen können, weil es davor an der Beschreibung dessen gemangelt habe, was verkauft werden sollte (Beschreibung einer verkaufsfähigen Gesamtheit).

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und führte begründend aus, dass die strittige Vorsteuer in Höhe von 108.333,33 EUR aus einer Rechnung jener Tochtergesellschaft resultiere, die 2005 veräußert worden sei. Als Leistungsgegenstand werde in der Rechnung die "laufende Unterstützung (...) im Rahmen des Verkaufsprozesses der Technologie Gruppe für den Leistungszeitraum II-IX/05" durch den Geschäftsführer, den Prokuristen und weitere Führungskräfte angeführt. Damit sei ein unmittelbarer und direkter Zusammenhang der erbrachten und in Rechnung gestellten Beratungs- und Unterstützungsleistungen mit der unecht befreiten Anteilsveräußerung gegeben. Dies werde auch von der Revisionswerberin nicht in Abrede gestellt, die in ihrer Replik auf die Stellungnahme des Prüfers vorgebracht habe, dass die erbrachten Leistungen unerlässlich dafür gewesen seien, um überhaupt Verkaufsvorbereitungen andenken zu können. Ein engerer Zusammenhang sei kaum möglich.

7 Für Dienstleistungen, die in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem befreiten Anteilsverkauf stünden, bestehe kein Vorsteuerabzug. Nur wenn ein solcher Zusammenhang fehle, stehe der Vorsteuerabzug zu. Nach der Rechtsprechung des EuGH treffe dies zu, wenn die mit Vorsteuer belasteten Dienstleistungen als Kostenelement eines besteuerten Umsatzes erschienen. Auch dem Urteil des EuGH vom 29. Oktober 2009, C-29/08 , SKF, sei nichts anderes zu entnehmen. Dort habe der EuGH - unter Hinweis auf Vorjudikatur - festgestellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug dann bestehe, wenn der der Mehrwertsteuer unterworfene Eingangsumsatz einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen aufweise, für die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet sei. Sei dies nicht der Fall, sei zu untersuchen, ob die Ausgaben zu den allgemeinen Aufwendungen gehörten, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhingen. In beiden Fällen liege ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang nur vor, wenn die Kosten der Eingangsleistungen jeweils Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringe.

8 Maßgeblich sei daher, ob der Verkäufer nach den objektiven Umständen Leistungen speziell für die Beteiligungsveräußerung oder für allgemeine Zwecke seines Unternehmens beziehe, wobei auf die mit der bezogenen Leistung objektiv verfolgte Verwendungsabsicht abzustellen sei. Diene die Leistung wie im Streitfall der Beratung der Verkäuferin bei einer (steuerfreien) Beteiligungsveräußerung, bestehe ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und Beteiligungsverkauf, sodass die Beratung jedenfalls zu den Kostenelementen der Anteilsübertragung gehöre. Dass die Beratungskosten in den Preis der verkauften Anteile einflössen, sei nicht erforderlich. Zu diesem Ergebnis sei auch der BFH im Urteil vom 27. Jänner 2011, V R 38/09, gekommen, in dem es um Leistungen einer Anwaltskanzlei für Zwecke einer Beteiligungsveräußerung gegangen sei.

9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Rechts auf Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 29. Oktober 2009, C-29/08 , SKF, fehle.

10 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorgetragen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den hier in Rede stehenden Beratungsleistungen und der steuerfreien Beteiligungsveräußerung nur dann vorliegen würde, wenn die Kosten der Beratungsleistungen Eingang in den Kaufpreis der veräußerten Anteile gefunden hätten (Hinweis auf EuGH vom 29. Oktober 2009, C- 29/08 , SKF, Rn 62; und EuGH vom 16. Februar 2012, C-118/11 , Eon Aset Menidjmunt, Rn 48). Wie das Bundesfinanzgericht ausdrücklich festgestellt habe, sei dies nicht geschehen. Die Kosten gehörten daher zu den allgemeinen Aufwendungen, die mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Revisionswerberin zusammenhingen. Das habe der EuGH in einem vergleichbaren Fall bereits ausdrücklich festgehalten: Die Kosten, die einer Holding für beim Erwerb einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft erworbene Dienstleistung entstünden, gehörten zu ihren allgemeinen Kosten und hingen deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen (Hinweis u.a. auf EuGH vom 27. September 2001, C-16/00 , Cibo Participation SA, Rn 33). Nichts anderes könne bei der Veräußerung einer Beteiligung gelten. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird in der Revision zudem gerügt, für die Feststellung, dass die Beratungskosten "Kostenelement der Anteilsveräußerung" seien, fehle jegliche Begründung und Beweiswürdigung.

11 Vom Finanzamt wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) bzw. Art. 68 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vgl. hiezu auch zusammenfassend die Schlussanträge der Generalanwältin vom 6. April 2017, C- 132/16 , Iberdrola, Rn 32 ff) muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. EuGH vom 29. Oktober 2009, SKF, C-29/08 , Rn 57). Auch bei Fehlen eines derartigen Zusammenhangs wird ein Recht auf Vorsteuerabzug dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und - als solche - Kostenelemente der von ihm steuerpflichtig gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. neuerlich EuGH SKF, Rn 58). Wenn hingegen von einem Steuerpflichtigen bezogene Gegenstände oder Dienstleistungen mit steuerbefreiten Umsätzen zusammenhängen oder nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. ein weiteres Mal EuGH SKF, Rn 59; sowie EuGH vom 16. Februar 2012, C-118/11 , Eon Aset Menidjmunt OOD, Rn 44).

14 Im gegenständlichen Fall hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, die in Rede stehenden Beratungsleistungen dienten der Revisionswerberin für die (steuerfreie) Beteiligungsveräußerung, und es bestehe ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Beratungsleistungen und dem Beteiligungsverkauf. Diesen Zusammenhang hat das Bundesfinanzgericht zutreffend daraus abgeleitet, dass in der Rechnung über die gegenständlichen Leistungen die "laufende Unterstützung (...) im Rahmen des Verkaufsprozesses der Technologie Gruppe für den Leistungszeitraum II-IX/05" angeführt wird und die in Rede stehenden Leistungen - nach den Angaben der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren - unerlässlich dafür gewesen sind, um überhaupt Verkaufsvorbereitungen andenken zu können. Daher kommt der Rüge keine Berechtigung zu, wonach für die Feststellung, dass die Beratungskosten "Kostenelement der Anteilsveräußerung" seien, jegliche Begründung und Beweiswürdigung fehle.

15 In rechtlicher Hinsicht ergibt sich bei dieser Sachlage, dass - im Hinblick auf den direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem steuerbefreiten Umsatz - in Bezug auf die Beratungsleistungen kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht (vgl. EuGH vom 6. April 1995, C-4/94 , BLP Group plc, Rn 17 ff; vom 29. Oktober 2009, C-29/08 , SKF, Rn 59, und vom 16. Februar 2012, C-118/11 , Eon Aset Menidjmunt, Rn 44). Feststellungen darüber, ob und inwieweit diese auf die Anteilsveräußerung entfallenden Kosten auf den Käufer überwälzt werden konnten, werden in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung des EuGH nicht verlangt.

16 Mit dem Vorbringen, der EuGH habe bereits ausdrücklich festgehalten, dass die Kosten, die einer Holding für beim Erwerb einer Beteiligung an einer Tochtergesellschaft erworbene Dienstleistung entstünden, zu ihren allgemeinen Kosten gehörten und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhingen, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt. Der Erwerb einer Beteiligung stellt nämlich - im Gegensatz zur im gegenständlichen Fall gegebenen Konstellation der Veräußerung einer Beteiligung - keinen (steuerbefreiten) Ausgangsumsatz des Erwerbers dar.

17 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am 28. Juni 2017

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