VwGH Ro 2015/10/0052

VwGHRo 2015/10/005226.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Oberösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 15. Mai 2014, Zl. LVwG-350037/2/GS/TK/JW, betreffend Kostenbeitrag gemäß § 20 Oö. Chancengleichheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt; mitbeteiligte Partei: R H in S), den Beschluss gefasst:

Normen

ChancengleichheitG OÖ 2008;
ChancengleichheitG OÖ Beitrags- und RichtsatzV 2008 §2 Abs1;
ChancengleichheitG OÖ Beitrags- und RichtsatzV 2008 §2 Abs2 Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2014 wurde der Mitbeteiligte gemäß § 20 des Landesgesetzes betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö. Chancengleichheitsgesetz - Oö. ChG) iVm §§ 1 bis 3 und § 11 Abs. 2 und 3 der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden (Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung), zur Leistung eines Beitrages für die ihm gewährte Hauptleistung "Wohnen in einem Wohnheim" (§ 12 Abs. 2 Z. 2 Oö. ChG) in der Höhe von 80 % des Einkommens (des Unterhaltes), somit in der Höhe von EUR 720,-- monatlich, verpflichtet.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Mai 2014 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einer dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge und stellte fest, dass der Mitbeteiligte gemäß § 20 Oö. ChG iVm § 2 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung keinen Beitrag zu leisten habe. Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht zu.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung den - unstrittigen - Sachverhalt zugrunde, dass dem Mitbeteiligten mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 2014 die Hauptleistung "Wohnen in einem Wohnheim" gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 Oö. ChG in einem bestimmten Wohnhaus gewährt worden sei und dass der Mitbeteiligte von seinem Vater Unterhalt in Form von Geldleistungen erhalte.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Kern - unter Hinweis insbesondere auf § 20 Abs. 1 und 2 Oö. ChG sowie § 2 Abs. 1 und 2 Z. 4 und Abs. 5 und § 11 Abs. 2 Z. 1 der gemäß § 20 Abs. 5 Oö. ChG erlassenen Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung - aus, dass § 2 Abs. 2 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung bestimme, welche Einkünfte zum Einkommen zu zählen seien. Von den dort unter Z. 4 genannten "steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünften zur Deckung des Unterhalts" würden im Folgenden verschiedene Leistungen "dezidiert ausgenommen", darunter auch "Unterhaltsleistungen für Kinder".

5 Die Bestimmung des § 11 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung betreffend den Beitrag zum Wohnen gemäß § 12 Oö. ChG verweise (in Abs. 2 Z. 1) gerade auf den Einkommensbegriff des § 2 der Verordnung, sodass auch für den vorliegenden Fall die Ausnahme von "Unterhaltsleistungen für Kinder" vom anzuwendenden Einkommensbegriff gelte. Da der vom Mitbeteiligten von seinem Vater bezogene Unterhalt eine "Unterhaltsleistung für Kinder" im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 4 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung sei, könnten diese Einkünfte der Berechnung nach § 11 der Verordnung nicht zugrunde gelegt werden, weshalb der Beschwerde Folge zu geben sei.

6 Die Revision sei zulässig, "da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine solche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt".

7 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/10/0125, mwN).

11 5. Die vorliegende Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision lässt bezogen auf den konkreten Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erkennen:

Das Verwaltungsgericht nimmt eine derartige Rechtsfrage erkennbar deshalb an, weil hg. Rechtsprechung zu den angewendeten Bestimmungen (insbesondere § 2 Abs. 2 Z. 4 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung) fehle. Das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag allerdings dann eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht zu begründen, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (vgl. die Judikaturnachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 E 284 ff zu § 34 VwGG). Dies ist hier - wie im Folgenden zu zeigen ist - der Fall.

12 Die Zulässigkeit der vorliegenden Revision hängt deshalb davon ab, ob in der Revision Gründe für deren Zulässigkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden.

13 6. Die gegenständliche Revision der Oberösterreichischen Landesregierung enthält kein ausdrückliches auf die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG bezogenes Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit.

14 Sie bringt lediglich in ihren Gründen als behauptete "Rechtswidrigkeit des Inhaltes" des angefochtenen Erkenntnisses gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung insbesondere der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 4 zweiter Satz Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung vor, dass - "auch wenn sich die Wortlaute unterscheiden mögen" - die "gleichbleibende Systematik" sowohl in der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 als auch in der Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung klar erkennen lasse, dass mit der Wendung "Unterhaltsleistungen für Kinder" lediglich normiert werde, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Hilfeempfängers vom ermittelten Einkommen abzuziehen seien. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht "lediglich die Verbalinterpretation angewendet" und es verabsäumt, die eingelangte Beschwerde auch "unter dem Lichte einer systematischen oder teleologischen Interpretation zu betrachten". Es würde "dem Subsidiaritätsgedanken aller landesrechtlichen Gesetze im Bereich der Sozialhilfe" widersprechen, wenn die Unterhaltsleistung, die vom Hilfebezieher selbst bezogen werde, nicht in den Einkommensbegriff fiele.

15 7. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, mit Blick auf die vorliegend vom Verwaltungsgericht anzuwendende Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 4 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen.

16 Die Auslegung dieser Bestimmung durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden: Nach dem in § 2 Abs. 1 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung festgelegten Grundsatz ist Einkommen die Summe aller Einkünfte im Geld oder Geldeswert. Dazu gehören nach Z. 4 der in § 2 Abs. 2 der Verordnung vorgenommenen demonstrativen Aufzählung - mit der Einschränkung "soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist" - alle auf Grund eines Rechtsanspruches oder tatsächlich gewährten "steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts". Von diesen Einkünften nimmt § 2 Abs. 2 Z. 4 zweiter Satz der Verordnung bestimmte (taxativ aufgezählte) Leistungen wiederum aus, darunter etwa "pflegegeldbezogene Geldleistungen", "die Familienbeihilfe" und "Unterhaltsleistungen für Kinder".

17 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass mit der Wendung "Unterhaltsleistungen für Kinder" derartige Unterhaltsleistungen an den Empfänger von Leistungen nach dem Oö. ChG gemeint sind, wird somit gerade auch durch den systematischen Zusammenhang der Bestimmung klar.

18 8. Die vorliegende Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2017

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