VwGH Ra 2016/20/0043

VwGHRa 2016/20/004326.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des B J in S, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Februar 2016, Zl. W226 2107270- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BFA-VG 2014 §52 Abs1;
BFA-VG 2014 §52 Abs2;
VwGVG 2014 §40;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stellte am 21. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Revisionswerber erklärte Staatsangehöriger von Guinea-Bissau zu sein und sich zuletzt in Libyen aufgehalten zu haben, letzteres habe er aufgrund der Sicherheitslage verlassen. Sein Vater stamme aus Guinea-Bissau und seine Mutter aus Gambia, wo sie auch lebe.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. April 2015 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gegenüber dem Revisionswerber erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Gambia gemäß § 46 FPG festgestellt. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers wurde mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt III.).

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die unentgeltliche Beigabe eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde zunächst der Antrag des Revisionswerbers auf Beigabe eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers gemäß § 40 VwGVG iVm § 52 BFA-VG abgewiesen. Weiters wurde die gegen den oben genannten Bescheid erhobene Beschwerde sowohl gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch gemäß § 8 Abs. 6 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und damit die Abweisung des Antrages des Revisionswerbers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten - insofern aus dem Grunde des § 8 Abs. 6 AsylG 2005 - bestätigt. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia entfalle.

Darüber hinaus sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0148, und vom 21. April 2015, Ra 2014/01/0212).

9 Die Zulässigkeit erblickt der Revisionswerber - unter dem Gesichtspunkt des Abweichens von der hg. Rechtsprechung - im Wesentlichen in der Frage, ob angesichts der Abweisung seines Antrages auf Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers ein effektiver Zugang zum BVwG im Sinne des Art. 47 GRC gegeben sei. Eine dem Revisionswerber zuerkannte Rechtsberatung sei mit einer zu bewilligenden Verfahrenshilfe und damit verknüpften Rechtsvertretung nicht gleichzusetzen. Die Frage der effektiven Vertretung im Verfahren sei relevant und gehe über den Einzelfall hinaus.

10 Das vom Revisionswerber zitierte hg. Erkenntnis vom 3. September 2015, Ro 2015/21/0032, vermag seinen Standpunkt nicht zu stützen. Mithin unterscheidet sich der gegenständliche Sachverhalt von jenem, der dem zitierten Erkenntnis zugrunde lag, in einem wesentlichen Gesichtspunkt:

11 In der genannten Entscheidung hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage der unentgeltlichen Beigabe eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe in einer Schubhaftsache zu beurteilen. In concreto verneinte der Verwaltungsgerichtshof, dass im innerstaatlichen Recht - namentlich § 52 Abs. 1 BFA-VG idF vor dem FrÄG 2015 - "ausreichende Komplementärmechanismen" im Lichte der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, also gesetzliche Vorkehrungen, die einen wirksamen Zugang zu Gericht im Sinne des Art. 47 Abs. 3 GRC auch ohne die Beistellung eines unentgeltlichen Verfahrenshilfeverteidigers gewährleisten, existierten. So wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG nur gesichert sei, wenn eine Rückkehrentscheidung Beschwerdegegenstand ist. Aus diesem Grunde sah der Verwaltungsgerichtshof in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, nämlich einer Schubhaftsache, den wirksamen Zugang zum BVwG im Sinne des Art. 47 Abs. 3 GRC als nicht gewährleistet und somit die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages als verfehlt an (vgl. nunmehr auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 2016, G 447- 449/2015, mit welchem die Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 52 Abs. 2 BFA-VG auf Rückkehrentscheidungen, Entscheidungen gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005 oder Anordnungen zur Außerlandesbringung als verfassungswidrig aufgehoben wurde).

12 Geht es aber wie im vorliegenden Fall (auch) um die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, haben gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG zur Seite gestellte Rechtsberater Fremde im Beschwerdeverfahren gegen diese Rückkehrentscheidung auf deren Ersuchen ohnehin auch zu vertreten (§ 52 Abs. 2 BFA-VG). Gegenständlich wurde dem Revisionswerber mit Verfahrensanordnung vom 27. April 2015 ein Rechtsberater zur Seite gestellt und wurde er von der rechtsberatenden Organisation im Beschwerdeverfahren auch vertreten.

13 Das angefochtene Erkenntnis weicht somit jedenfalls nicht von der obzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

14 Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemacht, dass seitens des BVwG Erhebungen zur Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers von Amts wegen hätten vorgenommen werden müssen (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2009, 2007/01/0443). Insofern vernachlässigt der Revisionswerber, dass das BVwG ohnehin die Zuerkennung von subsidiärem Schutz aufgrund einer auf Länderberichte gestützten Einzelfallprüfung respektive beider in Frage kommender Herkunftsstaaten geprüft hat. Dass das Gericht bei der hierauf gegründeten Beurteilung der Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, bringt die Revision aber nicht vor. Angesichts dieser Eventualbegründung konnte dahingestellt bleiben, ob das BVwG weitere - vom Revisionswerber zudem nicht näher spezifizierte - Erhebungen zur Feststellbarkeit der Staatsangehörigkeit hätte tätigen müssen, weil das Schicksal der Revision eben nicht von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, mwN).

15 Soweit der Revisionswerber in der Revision erstmals die Möglichkeit der Staatenlosigkeit ins Treffen führt, ist dies schon im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) nicht zu berücksichtigen, zumal die Revision nicht aufzeigt, dass dem Revisionswerber die Erstattung dieses Vorbringens aufgrund von Verfahrensmängeln nicht möglich gewesen wäre.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Revisionspunkt den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festlegt und den Rahmen absteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Juli 2015, Ra 2015/20/0070). Da das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen) sowie der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (Spruchpunkt III. des Bescheides) getroffen hat, kommt eine Verletzung im ausdrücklich als "Beschwerdepunkte" geltend gemachten Recht auf "inhaltliche Entscheidung seiner Beschwerde" schon aufgrund des normativen Gehaltes des angefochtenen Erkenntnisses (Sachentscheidung) nicht in Betracht.

Wien, am 26. April 2016

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