VwGH Ra 2016/16/0052

VwGHRa 2016/16/005228.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, in der Revisionssache der V GmbH in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22. März 2016, Zl. RV/5200111/2011, betreffend Einfuhrumsatzsteuer, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt) den Beschluss gefasst:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art16 Abs1 TeilB;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art7 Abs3;
31992R2913 ZK 1992 Art204;
31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art221;
31992R2913 ZK 1992 Art239;
31993R2454 ZKDV 1993 Art876a Abs1 idF 31997R0012;
62010CJ0078 Berel VORAB;
62010CJ0499 Vlaamse Oliemaatschappij VORAB;
62014CJ0187 DSV Road VORAB;
62014CJ0226 Eurogate Distribution VORAB;
62015CJ0081 Kapnoviomichania Karelia VORAB;
UStG 1994 §12 Abs1 Z2 lita;
UStG 1994 §26 Abs1;
UStG 1994 Anh Art3 Abs1 Z1;
UStG 1994 Anh Art7 Abs4;
ZollRDG 1994 §2 Abs1;
ZollRDG 1994 §71a;
ZollRDG 1994 §83;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016160052.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Gesellschaft m.b.H.

(Revisionswerberin), eine Spedition, reichte am 3. April 2006 als indirekte Vertreterin der Empfängerin, eines dänischen Unternehmens, eine Anmeldung zur Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ein und beantragte in der Anmeldung durch Verwendung des Codes 4200 in Feld 37 des Einheitspapiers die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994.

2 Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt der Revisionswerberin gemäß Art. 221 des Zollkodex die buchmäßige Erfassung von gemäß Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes entstandenen Eingangsabgaben mit, weil die Voraussetzungen für die mit der erwähnten Anmeldung geltend gemachte Steuerbefreiung nicht gegeben seien.

3 Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 erhob die Revisionswerberin dagegen Berufung, welche das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom 22. März 2011 abwies, wogegen die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 20. April 2011 Beschwerde erhob.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Zollamtes vom 6. Mai 2010, indem es den Eingangsabgabenbetrag in näher angeführtem Umfang verringerte. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

5 Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesfinanzgericht fest, die Revisionswerberin habe beim Zollamt Feldkirch Wolfurt am 3. April 2006 als indirekte Vertreterin eines dänischen Unternehmens die Überführung von Prozessoren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 4200) beantragt. Den Auftrag, die Verzollung durchzuführen, und die Verzollungsunterlagen habe die Revisionswerberin von der N. KG in F., Deutschland, erhalten, welche wiederum den Auftrag von der S., Zürich-Flughafen, Schweiz, erhalten hätte. Die Revisionswerberin habe keinen direkten Kontakt mit der Warenempfängerin gehabt. Als Versender/Ausführer (Feld 2 des Einheitspapiers) sei die H. GmbH, Zürich-Flughafen, Schweiz, und als Warenempfänger (Feld 8 des Einheitspapiers) das von der Revisionswerberin vertretene dänische Unternehmen mit dessen in Dänemark erteilter UID-Nr. angegeben gewesen. Als Bestimmungsland (Feld 17 des Einheitspapiers) habe die Revisionswerberin "Dänemark" erklärt, obwohl als Lieferadresse in den Rechnungen das in Großbritannien gelegene Logistikzentrum P., London, angegeben gewesen sei. Die angemeldeten Waren seien antragsgemäß in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden, die Einfuhrumsatzsteuer sei zunächst nicht erhoben worden.

7 Laut einer Mitteilung der dänischen Behörden habe das dänische Unternehmen nie eine Buchhaltung gehabt und sei im Juni 2006 in Konkurs gegangen. Gegen dieses Unternehmen sei bereits 2005/2006 von den dänischen Steuerbehörden im Zusammenhang mit einem Umsatzsteuerkarussell ermittelt worden. Die deutschen und italienischen Behörden hätten mitgeteilt, dass es sich um einen "Missing Trader" handle. Was mit den Waren nach dem Einlangen im englischen Logistikzentrum passiert sei oder wer die Waren tatsächlich erworben habe, in Großbritannien zu Umsatzsteuerzwecken registriert gewesen sei und Erklärungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb abgegeben habe, habe nicht geklärt werden können. Das als Warenempfänger in der Zollanmeldung angeführte dänische Unternehmen sei in Großbritannien steuerlich nicht registriert gewesen und habe keine in Großbritannien gültige UID-Nr. gehabt.

8 Die Revisionswerberin habe nicht nachweisen können, was mit den Waren nach dem Eintreffen bei der Spedition in Großbritannien geschehen sei oder ob und an wen die Waren ausgeliefert worden seien. Das dänische Unternehmen, welches in Großbritannien steuerlich nicht erfasst gewesen sei, habe nicht nachweisen können, dass die Waren bereits bei ihrem Eintreffen in Großbritannien an einen anderen Abnehmer weiterverkauft gewesen wären und ein Streckengeschäft vorgelegen wäre.

9 Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht daraus, dass die materiellen Voraussetzungen für ein steuerfreies innergemeinschaftliches Verbringen bei dieser Sach- und Beweislage nicht gegeben seien, die Revisionswerberin die Einfuhrumsatzsteuer daher nach Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex in Verbindung mit § 71a Zollrechts-Durchführungsgesetz schulde. Die geltend gemachte Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1994 gelange im Revisionsfall nicht zur Anwendung (Hinweis auf VwGH 28. März 2014, 2012/16/0009), im Übrigen könnten dahin gerichtete Einwände im Rahmen eines Erlass- oder Erstattungsverfahrens nach Art. 239 Zollkodex iVm § 83 Zollrechts-Durchführungsgesetz geltend gemacht werden, welches jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei.

10 Dem Verjährungseinwand der Revisionswerberin hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, dass das dänische Unternehmen keine Buchhaltung geführt habe, in Italien und Deutschland "Missing Trader" und somit Teil eines Umsatzsteuerkarussells sei und ihm unterstellt werden könne, dass von vornherein die Absicht bestanden habe, weder die Waren zur Erwerbsteuer anzumelden noch die anfallenden Steuern zu entrichten. Obwohl für das dänische Unternehmen von vornherein klar gewesen sei, dass die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorgelegen seien, seien die Waren zum Verfahren 4200 angemeldet und in Österreich steuerfrei belassen worden. Dies umfasse aber auch zumindest den bedingtem Vorsatz des dänischen Unternehmens, die anfallende Einfuhrumsatzsteuer, die durch die fehlenden Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Österreich zu entrichten gewesen wäre, zu hinterziehen.

11 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (im Folgenden: UStG) in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 756/1996 ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 leg. cit. buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

13 Gemäß Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG gilt als innergemeinschaftliche Lieferung auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit. 14 Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur - näher definierten -

vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

15 Die Steuerfreiheit des Art. 6 Abs. 3 UStG beruht auf Art. 28c Teil D der im Revisionsfall noch maßgebenden sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABlEG Nr. L 145 vom 13. Juni 1977, in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000, ABlEG Nr. L 269 vom 21. Oktober 2000, (im Folgenden: sechste MwSt-RL).

16 Gemäß Art. 204 Abs. 1 der im Revisionsfall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom 19. Oktober 1992, (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als in den Art. 203 leg. cit. genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

17 Der Zollkodex gilt gemäß § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der im Revisionsfall noch anwendbaren Fassung der ersten ZollR-DG-Novelle, BGBl. Nr. 516/1996, und gemäß § 26 Abs. 1 UStG in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 756/1996 auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

18 Gemäß § 71a ZollR-DG in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung der dritten ZollR-DG-Novelle, BGBl. I Nr. 13/1998, schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 204 Abs. 3 ZK als Schuldner in Betracht kommt.

19 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 Die Revisionswerberin sieht die Zulässigkeit ihrer Revision zunächst darin, dass der dem Revisionsfall zugrunde liegende Sachverhalt sich von jenem in wesentlichen Punkten unterscheide, der dem hg. Erkenntnis vom 28. März 2014, 2012/16/0009, zugrunde gelegen sei, auf welches sich das Bundesfinanzgericht berufen habe.

22 Die von der Revisionswerberin angeführten Sachverhaltsunterschiede betreffen jedoch nicht den tragenden Sachverhalt, wonach beiden Fällen die Annahme zugrunde lag, dass die betreffenden Waren nach ihrer Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat nicht zur Verfügung des in der Zollanmeldung angeführten Empfängers gestanden seien. Die Unterschiede berühren lediglich die Beweiswürdigung und die in diese einfließenden Tatsachen. Darüber hinausgehend behauptete Unterschiede, ob nämlich ein näher angeführter Erlass des Bundesministeriums für Finanzen bestanden habe oder nicht, haben für die rechtliche Beurteilung desselben tragenden Sachverhaltes keine ausschlaggebende Bedeutung.

23 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision weiters vor, das Bundesfinanzgericht habe nicht die Redlichkeit und den Vertrauensschutz im Abgabenverfahren selbst geprüft und beurteilt. Es gebe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur zumindest analogen Anwendung der Regelung des Art. 7 Abs. 4 UStG. Dazu ist die Revisionswerberin allerdings auf das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. März 2014, 2012/16/0009, zu verweisen, worin der Verwaltungsgerichtshof klar ausgesprochen hat, dass die in Anspruch genommene Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG bei dieser Sachlage nicht greift, weil es im Falle des innergemeinschaftlichen Verbringens iSd Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG an einem Abnehmer mangelt, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte.

24 Einen weiteren Grund für die Zulässigkeit ihrer Revision sieht die Revisionswerberin darin, dass Art. 204 ZK keine geeignete Rechtsgrundlage für die verfahrensgegenständliche Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer bilde. Abermals ist die Revisionswerberin auf die auch dazu Ausführungen enthaltenden Entscheidungsgründe des erwähnten hg. Erkenntnisses vom 28. März 2014, 2012/16/0009, zu verweisen. Soweit die Revisionswerberin dem entgegnend mit typischen Fehlern aus dem Zollverfahren argumentiert, die mit Art. 204 Zollkodex erfasst würden, bei der innergemeinschaftlichen Verbringung im zollrechtlich freien Verkehr aber nicht möglich seien, ist sie daran zu erinnern, dass auf die Einfuhrumsatzsteuer Art. 204 Zollkodex nicht unmittelbar, sondern zufolge des Verweises in § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG sinngemäß anzuwenden ist.

25 Soweit die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision ins Treffen führt, es liege gar keine Einfuhr in Österreich vor, weshalb eine Einfuhrumsatzsteuerschuld hier auch nicht habe entstehen können, ist ihr entgegenzuhalten, dass die in Rede stehenden Waren ja gerade in Österreich in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und somit nicht mehr einem Verfahren iSd Art. 7 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstaben a bis d der sechsten MwSt-RL unterlagen (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 2. Juni 2016 in den Rs. C- 226/14 und C-228/14 , Eurogate Distribution GmbH u.a.). Dass die Waren dann im freien Verkehr in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sind, ändert daran nichts.

26 Zu der von der Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision angesprochenen Abziehbarkeit der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist die Revisionswerberin darauf hinzuweisen, dass der Vorsteuerabzug nicht Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist und zudem einem lediglich die Zollabfertigung vornehmenden Spediteur nicht zusteht (vgl. etwa das Urteil des EuGH vom 25. Juni 2015 in der Rs. C-187/14 , DSV Road A/S, und das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, 2013/15/0238).

27 Die Revisionswerberin wirft zur Zulässigkeit ihrer Revision ein, das angefochtene Erkenntnis, mit dem sie (nach § 71a ZollR-DG) als einer der Gesamtschuldner (Art. 213 ZK) herangezogen und mit ihrem Vorbringen zum Vertrauensschutz auf ein Erlass- oder Erstattungsverfahren verwiesen worden ist, widerspreche der Rechtsprechung des EuGH zum Vertrauensschutz, insbesondere dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 in der Rs. C-499/10 , Vlaamse Oliemaatschappij NV.

28 Der EuGH hat es im erwähnten Urteil als unverhältnismäßig angesehen, ein System einer de facto unbedingten gesamtschuldnerischen Haftung eines Wirtschaftsbeteiligten einzuführen, der gutgläubig ist und dem weder ein Fehler noch eine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann, ohne es dieser Person zu ermöglichen, sich der Haftung zu entziehen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt eine Regelung der verschärften Haftung nur dann, wenn sie dem Betroffenen eine wirksame Möglichkeit vorbehält, sich von seiner Haftung zu befreien (vgl. das Urteil des EuGH vom 2. Juni 2016 in der Rs. C-81/15 (Kapnoviomichania Karelia AE), Rn 53).

29 In Österreich ist durch die Verweise des § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG die buchmäßige Erfassung der objektiv entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld (Art. 220 ZK) und die Mitteilung dieser Abgabenschuld (Art. 221 ZK) an einen Gesamtschuldner (§ 71a ZollR-DG) vorgesehen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit dieses Gesamtschuldners, seine Gutgläubigkeit und den Vertrauensschutz durch einen Antrag nach Art. 239 ZK und § 83 ZollR-DG auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuerschuld oder auf Erstattung der allenfalls bereits entrichteten Einfuhrumsatzsteuer geltend zu machen. Einem solchen Antrag auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuerschuld kommt im Ergebnis aufschiebende Wirkung zu (Art. 876a Abs. 1 der im Revisionsfall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom 11. Oktober 1993, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 12/97 der Kommission vom 18. Dezember 1996, ABlEG Nr. L 9 vom 13. Jänner 1997, - Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO)); er wirkt nur für den antragstellenden, nicht für alle Gesamtschuldner (vgl. das Urteil des EuGH vom 17. November 2011 in der Rs. C-78/10 (Marc Berel u. a.)). Damit kann sich dieser Gesamtschuldner der "Haftung" für die Einfuhrumsatzsteuer entziehen oder wirksam von der "Haftung" befreien. Somit liegt keine de facto unbedingte Haftung vor, welche im Sinne der erwähnten Urteile des EuGH vom 21. November 2011 und vom 2. Juni 2016 unverhältnismäßig wäre.

30 Schließlich wirft die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision dem Zollamt vor, mit seinem Bescheid vom 6. Mai 2010 der rechtskräftigen, auf Grund der Zollanmeldung erfolgten Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer mit Null widersprochen zu haben. Dabei verkennt die Revisionswerberin, dass die Mitteilung des (nachträglich) buchmäßig erfassten Abgabenbetrages nach Art. 220 und 221 Zollkodex den ursprünglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag und einen darüber ergangenen Abgabenbescheid unberührt lässt und weder ändert noch ersetzt, sondern dazu mit einer eigenen Mitteilung, einem eigenen Bescheid, ergänzend hinzutritt.

31 Die Revision wirft in ihren Zulässigkeitsgründen somit insgesamt keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf und war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2016

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