VwGH Ra 2016/15/0057

VwGHRa 2016/15/005715.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der Mag. G K in B, vertreten durch die Dkfm. Erwin Baldauf und Mag. Reinhard Eberle Wirtschaftstreuhandgesellschaft OG, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6600 Reutte, Innsbrucker Straße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. Mai 2016, Zl. RV/3100233/2015, betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010, den Beschluss gefasst:

Normen

DBAbk Schweiz 1975 Art4 Abs2 lita;
EStG 1988 §1;
DBAbk Schweiz 1975 Art4 Abs2 lita;
EStG 1988 §1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Revisionswerberin ist geschieden und seit August 1982 an einer österreichischen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet. Mit 31. Mai 2008 beendete sie ihre Tätigkeit in Österreich, um im Juni 2008 eine Beschäftigung in der Schweiz aufzunehmen. Dazu begründete sie einen Nebenwohnsitz in der Schweiz. Ungeachtet ihrer bis 17. Mai 2013 gültigen Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz beendete die Revisionswerberin die Beschäftigung in der Schweiz im Jahr 2010. Seit 13. September 2010 geht sie wiederum in Österreich einer Beschäftigung nach. In den Streitjahren 2008 bis 2010 verfügte die Revisionswerberin unstrittig über einen Wohnsitz (§ 1 Abs. 2 EStG 1988 iVm § 26 Abs. 1 BAO) sowohl in Österreich als auch in der Schweiz. Strittig ist, in welchem der beiden Staaten sich in jenem Zeitraum der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen (Art. 4 Abs. 2 lit. a des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975, kurz: DBA) befunden hat.

5 Nach Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA ist eine Person, die in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

6 Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 25. Juli 2013, 2011/15/0193, mit weiteren Nachweisen sowie VwGH vom 16. Dezember 2015, 2013/15/0117).

7 Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 4 Tz 11).

8 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die Revisionswerberin habe sich von 2008 bis 2010 ihrer beruflichen Tätigkeit in der Schweiz mit einer derartigen Intensität gewidmet, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen völlig verschmolzen seien. Das vom schweizerischen Arbeitgeber ausgestellte Arbeitszeugnis belege, dass die Revisionswerberin keinen gut bezahlten Job erledigt, sondern mit letzter Hingabe "eine Berufung gelebt" habe. Diesen Umstand habe das Bundesfinanzgericht nicht entsprechend gewürdigt und damit wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt.

9 Das Bundesfinanzgericht ist nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin in vertretbarer Weise zum Ergebnis gekommen, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Revisionswerberin in den Streitjahren in Österreich lag.

10 Der Revisionswerberin gelingt es nicht, Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zu erwecken. Dass das Bundesfinanzgericht dem beruflichen Engagement der Revisionswerberin in der Schweiz nicht jenes Gewicht beimaß, das der Auffassung der Revisionswerberin entsprochen hätte, begründet keine Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses hinsichtlich der Ermittlung der Sachverhaltsgrundlagen. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin kommt den persönlichen Beziehungen einer Person auch bei einem hohen beruflichen Engagement Bedeutung zu.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2016

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