Normen
AVG §39a impl;
AVG §63 Abs4;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §7 Abs2;
VwRallg;
AVG §39a impl;
AVG §63 Abs4;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §7 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. April 2016 wurde der Revisionswerber als zur Vertretung nach außen befugtes Organ der I d.o.o wegen einer Übertretung des AuslBG in St mit einer Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) bestraft. Das Straferkenntnis wurde nach dem Akteninhalt und den Feststellungen im angefochtenen Beschluss am 19. April 2016 an die Rechtsvertreter des Revisionswerbers zugestellt.
2 Am 4. Mai 2016 erschien der Revisionswerber (nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen in der Revision offenbar ohne Ladung) persönlich mit seiner Mitarbeiterin ("Projektleiterin" der I d.o.o) Fr. HG bei der belangten Behörde und erklärte in Anwesenheit von HG niederschriftlich einen Rechtsmittelverzicht ("Ich erkläre hiermit, dass ich für die Straferkenntnisse (der belangten Behörde) vom (es folgen drei nach Datum und Zahl benannte Straferkenntnisse, darunter das in Rz 1 genannte) auf mein Recht zur Einbringung einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht OÖ. verzichte. Ich erkläre somit für diese Straferkenntnisse einen Rechtsmittelverzicht."
3 Er sei einverstanden, dass die Strafbeträge samt Kosten direkt von der belangten Behörde von der bereits einbehaltenen EUR 16.000,-- ("Zahlungsstopp") genommen und umgebucht werden. Den Restbetrag bitte er auf sein Konto zu überweisen.
4 Die Niederschrift wurde vom Leiter der Amtshandlung, vom Revisionswerber und HG unterschrieben.
5 Am 23. Mai 2016 erschien der Revisionswerber erneut mit Fr. HG bei der belangten Behörde und widerrief niederschriftlich seinen am 4. Mai 2016 abgegebenen Beschwerdeverzicht. Gleichzeitig erhob er Beschwerde gegen drei Straferkenntnisse. Er gab zu allen drei Beschwerden eine Begründung ab, welche protokolliert wurde.
6 Das Landesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision sei unzulässig.
7 Der durch den Revisionswerber am 4. Mai 2016 vor der belangten Behörde abgegebene Rechtsmittelverzicht, der niederschriftlich festgehalten worden sei und unmissverständlich und eindeutig sei, sei unwiderruflich.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Ein Rechtsmittelverzicht ist eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass ein von der Partei eingebrachtes Rechtsmittel einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Rechtsmittelverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Vorliegen eines Rechtsmittelverzichtes ist besonders streng zu prüfen und es ist ein anlässlich der Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes vorliegender Willensmangel zu Gunsten der Partei zu beachten. Dem Motiv für die Erklärung, die Berufung zurückzuziehen, kommt für sich allein keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Werden jedoch durch eine irreführende bzw. unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten eines Rechtsmittels erweckt, oder wird die Erklärung über den Rechtsmittelverzicht unter dem Druck der Haft abgegeben, so liegt ein rechtserheblicher Willensmangel vor (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, Zl. 2003/21/0037, und die darin zitierte Vorjudikatur).
12 Der Revisionswerber behauptet in seiner Revision als Sachverhalt Folgendes:
"Bei einem Besprechungstermin am 4.5.2016 des Revisionswerbers mit dem zuständigen Sachbearbeiter (der belangten Behörde), versicherte ihm dieser, dass - sofern er im Zuge dieses Gesprächs einen Beschwerdeverzicht abgibt - er innerhalb von 2 Wochen die mittels Zahlungsstopp einbehaltenen EUR 16.000 abzüglich der Strafbeträge ausbezahlt erhalten werde. Dieser Vorschlag kam (vom Sachbearbeiter).
Zumal der Zahlungsstopp bereits ein Jahr zuvor verhängt wurde und der Revisionswerber dringend die einbehaltene Geldsumme benötigte, willigte er ein, sofern er binnen zwei Wochen die mittels Zahlungsstopp einbehaltene Geldsumme ausbezahlt erhalten würde, einen bedingten Beschwerdeverzicht abzugeben.
Als der Revisionswerber die mittels Zahlungsstopp einbehaltene Geldsumme nach der vereinbarten Frist von 2 Wochen noch nicht erhalten hatte, wandte er sich wiederrum an den Sachbearbeiter (der belangten Behörde) und gab bekannt, dass er mangels Erfüllung der Bedingung (Auszahlung der einbehaltenen EUR 16.000 abzüglich der Strafbeträge) den abgegebenen Beschwerdeverzicht widerrufen möchte.
Mittels Email vom 20.5.2016 erläuterte der Sachbearbeiter (der belangten Behörde), dass der Beschwerdeverzicht schriftlich oder per Email oder persönlich am Montag, 23.5.2016 widerrufen werden kann.
Der Revisionswerber gab daraufhin am 23.5.2016 mündlich gegenüber dem Sachbearbeiter (der belangten Behörde) zu Protokoll, den am 4.5.2016 abgegebenen Beschwerdeverzicht zu widerrufen und gleichzeitig Beschwerde gegen das Straferkenntnis sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach zu erheben. ..."
13 In der Revision wird aufbauend auf diesen vorgebrachten Sachverhalt zur Zulässigkeit vorgebracht, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen,
- ob ein mündlich zu Protokoll gegebener bedingter Beschwerdeverzicht eines Fremden, dessen Muttersprache nicht Deutsch sei, ohne Beiziehung eines Dolmetschers überhaupt gültig sei,
- ob eine Beschwerde auch mündlich zu Protokoll gegeben werden könne, vorliege, der angefochtene Beschluss aber von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
14 Nach der Rechtsprechung sei ein Berufungsverzicht eines Fremden ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam, wenn feststehe bzw. ausreichend ermittelt worden sei, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Berufungsverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig sei, um sich der Tragweite der Verzichts bewusst zu sein und ein Willensmangel ausgeschlossen werden könne (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 30. März 2010, 2006/19/0934).
15 Der vorgebrachte Sachverhalt findet allerdings im Akteninhalt keine Deckung. Es findet sich in der Niederschrift vom 4. Mai 2016 kein ausdrücklicher Hinweis auf die vom Revisionswerber erst in der Revision behauptete "Bedingung" oder den "Vorschlag" zur Ausbezahlung des durch Zahlungsstopp einbehaltenen Betrages.
16 Der Revisionswerber zeigt in der Revision keine Umstände auf, auf Grund derer die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht oder das Verwaltungsgericht Zweifel daran hätte haben müssen, dass der Revisionswerber der deutschen Sprache ausreichend mächtig sei. Die bloße Tatsache, dass er slowenischer Staatsangehöriger ist, reicht dazu nicht aus.
17 Der nunmehr in der Revision dargestellte Sachverhalt stellt sich daher als eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar.
18 Das Landesverwaltungsgericht ist sohin nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es musste keine Anhaltspunkte für Verständigungs- oder Verständnisprobleme erkennen und demnach keine weiteren Ermittlungen in dieser Richtung anstellen, sondern durfte davon ausgehen, dass feststehe, der Revisionswerber sei im Zeitpunkt der Abgabe des Beschwerdeverzichts der deutschen Sprache hinlänglich mächtig gewesen, um sich der Tragweite des Verzichts bewusst zu sein und ein relevanter Willensmangel könne ausgeschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2010, 2006/19/0934). Diese Judikatur ist auf Grund der vergleichbaren Tragweite der Erklärung auch für den Verzicht auf eine Beschwerde maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2016, Ra 2015/10/0111).
19 Da die Zurückweisung der Beschwerde sohin schon deshalb zu Recht erfolgte, weil ein rechtsgültiger Rechtsmittelverzicht vorlag und ein solcher unwiderruflich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, 2003/21/0037), kommt es auf die weitere Begründung des Landesverwaltungsgerichtes ebenso nicht mehr an, wie darauf, dass die Beschwerde bei Zugrundelegung der durch den Akteninhalt bestätigten Annahmen des Verwaltungsgerichts als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre.
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2016
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