VwGH Ra 2016/05/0019

VwGHRa 2016/05/001913.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der revisionswerbenden Partei *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. Jänner 2016, Zlen. LVwG 80.23-85/2016-2 und LVwG 46.23-217/2016-2, betreffend Feststellung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

AWG 2002 §2 Abs1 Z1;
AWG 2002 §2 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber sammelt mittels Containern Gebrauchtkleider und -schuhe zu humanitären Zwecken. Er beantragte mit Eingabe vom 24. April 2015, die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung möge gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) feststellen, ob die in den Sammelcontainern des Revisionswerbers eingeworfenen Altkleider und -schuhe Abfall im Rechtssinn seien. Diesem Antrag war eine im Juli 2014 von der I. GmbH im Auftrag des Revisionswerbers erstellte Studie zum Thema "Image (Revisionswerber) Kleidersammlung" angeschlossen.

2 Mit Eingabe vom 3. November 2015 erhob der Revisionswerber eine Säumnisbeschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

3 In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 25. Jänner 2016 wurde mit dem unter Punkt I. gefassten Beschluss der Säumnisbeschwerde Folge gegeben. Unter einem wurde in Punkt II. mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 in Verbindung mit § 28 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz festgestellt, dass es sich bei den vom Revisionswerber gesammelten Altkleidern um Abfälle im Sinn des § 2 AWG 2002 handle; gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zum - für die Revision allein maßgeblichen - Punkt II. im Wesentlichen aus, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. September 2014, Ro 2014/07/0032, die Problematik von Umfragen und Studien ausreichend behandelt und dabei festgehalten habe, dass eine generelle Beurteilung des Personenkreises, der typischerweise seine Gebrauchtkleider in solche Container einlege, vor dem Hintergrund der allgemeinen Lebenserfahrung vorzunehmen sei. Es handle sich um eine im vorhinein unbestimmte Anzahl an Personen, die Gebrauchtkleider in die aufgestellten Container einlegten, weshalb durch Einzelbefragungen wie im Fall der durchgeführten Studie keine repräsentativen Ergebnisse erzielt werden könnten. Durch den Einwurf der Kleidung in den Sammelcontainer entledige sich die einwerfende Person endgültig der von ihr eingeworfenen Kleidung im Sinn des Aufgebens der Gewahrsame. Zusätzlich zur Entledigungshandlung sei auch auf den Willen des Besitzers abzustellen.

5 Weiters hielt das Verwaltungsgericht dem Argument des Revisionswerbers, wonach bei den Einwerfenden der Spendengedanke im Vordergrund stehe, entgegen, dass die einwerfende Person keinerlei Einfluss auf die Verwendung der eingeworfenen Kleidung und überdies keine Garantie habe, dass ihre Kleidung bestimmungsgemäß weiter verwendet werde. Es sei insgesamt davon auszugehen, dass das humanitäre Motiv der einzelnen Personen - von Einzelfällen losgelöst - hinter das Motiv der Entledigung zurücktrete und im vorliegenden Fall der subjektive Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 erfüllt sei. Diesbezüglich habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die Gebrauchtkleider in die Container des Revisionswerbers einlegen wollten, daran aber - aus welchem Grund auch immer - gehindert würden, von ihrer Entledigungsabsicht Abstand nehmen und diese Gegenstände wieder in Gebrauch nehmen würden.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Zulässigkeitsbegründung behauptet der Revisionswerber die Verletzung verschiedener Verfahrensvorschriften durch das Verwaltungsgericht, die letztlich dazu geführt habe, dass dieses die vom ihm vorgelegte Studie zu Unrecht nicht als Beweismittel anerkannt und gewürdigt habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 25. September 2014, Ro 2014/07/0032, nicht ausgesprochen, dass eine - dem Stand der Technik entsprechende bzw. nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführte und somit repräsentative - Markt- und Meinungsumfrage, wie sie nun von ihm im Verfahren vorgelegt worden sei, nicht den (Gegen‑)Beweis erbringen könnte, dass bei der Abgabe von Altkleidern und -schuhen der Spendengedanke im Vordergrund stehe.

10 Weiters bringt der Revisionswerber vor, dem angefochtenen Erkenntnis sei nicht zu entnehmen, warum das Verwaltungsgericht die im Antrag des Revisionswerbers aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen nicht im Zuge einer mündlichen Verhandlung erörtert habe. Zwar habe der Revisionswerber in seiner Säumnisbeschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt, das Verwaltungsgericht habe aber mit der gewählten Vorgangsweise den zugestandenen Ermessensspielraum überschritten, wodurch tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes verletzt worden seien. Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11 Zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln ist auszuführen, dass die Zulässigkeit einer Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 27. April 2016, Zl. Ra 2016/05/0017, mwN).

12 Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision in Bezug auf das Vorbringen zur in Rede stehenden Studie nicht. Dies zum einen schon deshalb, weil der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben zitierten Erkenntnis vom 25. September 2014 ausgesprochen hat, dass - im Hinblick auf die auf der Hand liegenden Schwierigkeiten, ein Ermittlungsverfahren zur Entledigungsabsicht der einzelnen Personen beispielsweise durch Einzelbefragungen zu führen bzw. dabei repräsentative Ergebnisse zu erzielen - eine generelle Beurteilung des Personenkreises, der typischerweise seine Gebrauchtkleidung in solche Container einlegt, vor dem Hintergrund der allgemeinen Lebenserfahrung vorzunehmen ist. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof in dem dem genannten Erkenntnis zugrundeliegenden Fall dem dort seitens des Revisionswerbers behaupteten Verfahrensfehler, die Behörde habe die von ihm angebotenen Beweise in Form von Email-Korrespondenz von Einzelpersonen nicht gewürdigt, die Relevanz abgesprochen. Gleiches gilt für die nunmehr vom Revisionswerber vorgelegte Studie, welche ihrerseits lediglich das Ergebnis von telefonisch durchgeführten Einzelbefragungen wiedergibt. Zum anderen ist die in Rede stehende Studie auch nicht geeignet, eine Änderung der der typisierenden Betrachtung des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Erkenntnis zugrunde gelegten allgemeinen Lebenserfahrung aufzuzeigen, weil diese Annahmen - wie insbesondere, dass nicht davon auszugehen ist, dass Personen, die Gebrauchtkleider oder -schuhe in Container des Revisionswerbers einlegen wollen, daran aber gehindert werden, von ihrer Entledigungsabsicht Abstand nehmen und diese Gegenstände wieder in Gebrauch nehmen - nicht Gegenstand der Studie sind.

13 Soweit der Revisionswerber die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht rügt, führt er zwar zutreffend aus, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichtes steht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Zl. Ra 2014/05/0038, mwN). Dass bzw. inwiefern dieser Ermessensspielraum durch das Verwaltungsgericht überschritten worden wäre, legt der Revisionswerber nicht dar und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Der seit Einbringung seines verfahrenseinleitenden Antrages anwaltlich vertretene Revisionswerber hat auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Zlen. Ra 2014/09/0007, u.a.), er hat kein für die Rechtssache relevantes sachverhaltsbezogenes Beschwerdevorbringen erstattet, und das Verwaltungsgericht hat in seine rechtliche Würdigung keine Sachverhaltselemente einbezogen, die dem Revisionswerber nicht bekannt waren.

14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2016

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