VwGH Ra 2016/03/0044

VwGHRa 2016/03/004426.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. F W und 2. s GmbH, beide in W und vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2016,

1) Zl. W120 2014756-1/8E und 2) Zl. W120 2014995-1/8E, betreffend Übertretung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §863;
TKG 2003 §107 Abs1;
TKG 2003 §107;
VStG §9 Abs7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016030044.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis wurde dem Erstrevisionswerber als vertretungsbefugtem Organ der Zweitrevisionswerberin eine Übertretung des § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) zur Last gelegt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 700,-- verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt. Gemäß § 9 Abs 7 VStG wurde überdies die Haftung der Zweitrevisionswerberin zur ungeteilten Hand ausgesprochen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) für nicht zulässig.

2 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird im Wesentlichen vorgebracht, es liege zur Frage, "ob eine Einwilligung gemäß § 107 Abs 1 TKG 2003 die potentiell anrufenden Unternehmen im Einzelnen (durch Angabe der jeweiligen Rechtsträger) spezifizieren" müsse, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Auch zur Frage, welche organisatorischen Vorkehrungen gegen eine Verletzung des § 107 Abs 1 TKG 2003 im Lichte des § 9 Abs 1 VStG als ausreichend anzusehen seien, gebe es keine Judikatur des Höchstgerichtes.

3 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

4 In Bezug auf den Revisionsfall hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt erkannt, dass es sich bei der nach § 107 Abs 1 TKG 2003 erforderlichen vorherigen Einwilligung um eine zustimmende Willenserklärung des (zukünftigen) Anrufempfängers handelt, die auch konkludent erfolgen kann. Eine konkludente Erklärung kann aber nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliegt; dass also in concreto ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt eines Anrufs zu Werbezwecken verstanden werden kann (vgl etwa VwGH vom 26. Juni 2013, 2013/03/0048, mwN). Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche einer juristischen Person bei Übertretung des § 107 TKG 2003 nur exkulpieren kann, indem er die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems darlegt (vgl etwa VwGH vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0198, mwN).

5 Im vorliegenden Fall hat das BVwG dem Erstrevisionswerber zur Last gelegt, dass von einem Mitarbeiter der Zweitrevisionswerberin am 21. November 2013 ein Anruf zu Werbezwecken für die Telefonprodukte/Tarife der Zweitrevisionswerberin getätigt wurde, ohne dass die angerufene Teilnehmerin vorher eine Einwilligung zum Erhalt derartiger Anrufe erteilte hätte. Sie habe in einem vorangegangenen Telefonat lediglich einem Rückruf des damaligen Anrufers, der sich als Mitarbeiter von A vorgestellt und einen Tarifvergleich angeboten habe, zugestimmt. Zur subjektiven Tatseite führte das BVwG zusammengefasst aus, es seien keine Umstände aufgezeigt worden, weshalb der verbotene Anruf ungeachtet eines sonst funktionierenden Kontrollsystems erfolgt sei.

6 Diese (vertretbare) Beurteilung des Einzelfalls ist für sich genommen nicht revisibel. Sie führt unter Zugrundelegung der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu dem Ergebnis, dass dem Erstrevisionswerber zu Recht ein Verstoß gegen § 107 Abs 1 TKG 2003 angelastet und die Haftung der Zweitrevisionswerberin zur ungeteilten Hand nach § 9 Abs 7 VStG ausgesprochen wurde. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass es weiterer höchstgerichtlicher Leitlinien bedarf, um den Revisionsfall zu lösen.

7 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2016

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