VwGH Ra 2016/02/0165

VwGHRa 2016/02/01657.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des A in L, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. Mai 2016, Zl. LVwG-601372/2/MS, betreffend eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §103 Abs2 idF 2013/I/043;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs4;
VwRallg;
KFG 1967 §103 Abs2 idF 2013/I/043;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. März 2016, VStV/915301518525/2015, behoben und das Strafverfahren eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. März 2016 wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, es als Zulassungsbesitzer eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges unterlassen zu haben, der belangten Behörde auf ihr schriftliches Verlangen innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung an den Sitz der anfragenden Behörde eine dem Gesetz entsprechende Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug auf einer im Spruch näher angeführten Straße abgestellt habe, sodass es dort am 26. Juni 2015 um 9.15 Uhr gestanden sei. Der Revisionswerber habe mit E-Mail vom 28. November 2015 die Auskunft erteilt, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Er habe dadurch gegen die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG verstoßen. Über den Revisionswerber wurde gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von EUR 80,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht gemäß § 50 VwGVG als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

3 Das Verwaltungsgericht ging im angefochtenen Erkenntnis von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Das Kraftfahrzeug mit dem näher angeführten Kennzeichen, dessen Zulassungsbesitzer der Revisionswerber sei, sei am 26. Juni 2015 von 9.15 Uhr bis 9.42 Uhr auf der im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Straße abgestellt gewesen. Mit Schreiben vom 25. November 2015 sei der Revisionswerber von der belangten Behörde aufgefordert worden, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug an dem im Spruch genannten Ort abgestellt habe, sodass es dort am 26. Juni 2015 gestanden sei. Mit E-Mail vom 28. November 2015 habe der Revisionswerber unter Bezugnahme auf die Aktenzahl der belangten Behörde mitgeteilt, er habe das Fahrzeug gelenkt.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht auf das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zl. 2002/02/0271, dem seiner Ansicht nach ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liege. Es führte diesbezüglich näher aus, in jenem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Auskunft des damaligen Beschwerdeführers den Anforderungen nicht entsprochen habe, weil sich aus der Formulierung ("...kann von der Lenkereigenschaft ausgegangen werden") nicht zweifelsfrei ableiten lasse, der Beschwerdeführer habe das Kfz zuletzt vor dem in der Aufforderung umschriebenen Tatzeitpunkt am angefragten Ort abgestellt. Denn nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 103 Abs. 2 erster Satz KFG, dem die dem Beschwerdeführer zugestellte Anfrage entsprochen habe, werde klarerweise nach jener Person gefragt, welche das angefragte Kfz bei letzter Gelegenheit ("zuletzt") vor dem angefragten Zeitpunkt am angefragten Ort abgestellt habe.

Ebenso wenig könne der E-Mail des Revisionswerbers vom 28. November 2015, in der er wörtlich angegeben habe: "Ich habe das Fahrzeug gelenkt!" zweifelsfrei entnommen werden, dass der Revisionswerber das angefragte Kraftfahrzeug bei letzter Gelegenheit vor dem angefragten Zeitpunkt am angefragten Ort abgestellt habe, weil zwar häufig diejenige Person, die ein Kraftfahrzeug lenkt, dieses in der Folge auch abstelle, jedoch sei dies nicht zwingend immer der Fall. So bestehe durchaus die Möglichkeit, dass eine von der Person des Lenkers verschiedene Person ein Kraftfahrzeug in weiterer Folge abstelle. Das objektive Tatbild sei daher als erfüllt zu betrachten.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben und dem Revisionswerber die Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß zuerkennen. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde den Schriftsatzaufwand im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 § 103 Abs. 2 KFG, BGBl. Nr. 267/1967 in der hier

maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 43/2013, lautet wie folgt:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem

bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.

(Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG begeht, wer (u.a.) diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt § 103 Abs. 2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen; die aufgrund einer behördlichen Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG erteilte Auskunft darf daher weder in sich widersprüchlich noch unklar sein (vgl. etwa VwGH vom 26. März 2004, Zl. 2003/02/0213 ). Die Behörde wiederum hat bei einer Lenkererhebung nach § 103 Abs. 2 KFG unmissverständlich klarzustellen, ob die Anfrage sich auf das Lenken oder auf das Abstellen des Kraftfahrzeuges bezieht (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2007, Zl. 2006/02/0020).

8 Es liegt somit an der Behörde, eine unmissverständliche Anfrage zu stellen und den Zulassungsbesitzer daher konkret entweder nach dem Lenken des Kraftfahrzeuges (bzw. nach dem Verwenden des Anhängers) oder nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges bzw. Anhängers zu fragen, sodass der Zulassungsbesitzer in die Lage versetzt wird, die Anfrage eindeutig zu beantworten.

9 Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Auskunft des Revisionswerbers im konkreten Fall den Erfordernissen des § 103 Abs. 2 KFG nicht entsprochen habe, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:

10 Bei der Auskunftserteilung durch den Zulassungsbesitzer aufgrund einer Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG kommt es nicht auf das Verwenden bestimmter Wörter wie "Lenken" oder "Abstellen" oder auf eine bestimmte Formulierung an. Es reicht aus, dass in der Beantwortung der Anfrage klar und widerspruchsfrei jene Person (mit Name und Anschrift) benannt wird, die das in der Anfrage vorgehaltene Verhalten gesetzt hat. So würde es etwa auch ausreichen, die Anfrage lediglich durch Angabe von Namen und Anschrift der betreffenden Person zu beantworten. Dass der Revisionswerber im vorliegenden Fall, in dem die Behörde die Auskunft verlangte, wer das Fahrzeug abgestellt hatte, diese Anfrage - unter Angabe der Geschäftszahl - mit den Worten "Ich habe das Fahrzeug gelenkt!" beantwortete, kann bei verständiger Würdigung nicht anders verstanden werden, als dass er damit sich selbst als jene Person benannt hat, die das Fahrzeug im Sinne der Anfrage abgestellt hat (vgl. dazu auch das hg Erkenntnis vom 29. April 2002, Zl. 2002/02/0203, wonach in jenem Fall die Auskunft eines Zulassungsbesitzers, er habe das Kraftfahrzeug zum angefragten Zeitpunkt selbst "benützt", nicht anders zu lesen war, als dass er es "gelenkt" hat).

11 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann dem Revisionswerber im vorliegenden Fall daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe eine unklare oder widersprüchliche Auskunft erteilt, indem er statt des "Abstellens" des Fahrzeuges auf das "Lenken" Bezug genommen hat. Das vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogene hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zl. 2002/02/0271, ist aufgrund der anders gelagerten Umstände des Sachverhalts nicht vergleichbar und vermag die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nicht zu stützen. In jenem Fall konnte nämlich aus der Auskunft des damaligen Beschwerdeführers gerade nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer das Kfz zuletzt vor dem in der Aufforderung umschriebenen Zeitpunkt abgestellt hatte, weil der Beschwerdeführer in seiner Auskunft mehrere Tage angegeben hatte, an denen er das Fahrzeug seinen Angaben nach verwendet hatte (konkret hatte der damalige Beschwerdeführer mehrere Fälle angegeben, in denen vor dem dort relevanten Zeitpunkt ein Lenken durch ihn "angenommen werden" könne, "der genaue Zeitpunkt" könne aber "nicht mehr rekonstruiert werden"). Derartige missverständliche zeitliche Angaben enthielt die hier gegenständliche Auskunft des Revisionswerbers vom 28. November 2015 nicht.

12 Da das Verwaltungsgericht daher unzutreffend davon ausgegangen ist, die Auskunft des Revisionswerbers habe den Anforderungen des § 103 Abs. 2 KFG nicht entsprochen, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

13 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall -

entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

14 Dieser Fall liegt hier vor. Der Sachverhalt ist geklärt und unstrittig. Da die von der erstinstanzlichen Behörde und vom Verwaltungsgericht vorgenommene rechtliche Würdigung dieses Sachverhaltes - wie oben dargelegt - unzutreffend ist, war das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. Dezember 2016

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