VwGH Ra 2016/01/0102

VwGHRa 2016/01/010220.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des S A in W, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2016, Zl. L504 1421030- 1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger jezidischen Glaubens und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 13. März 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst eine Verfolgung durch die Familienangehörigen eines Mädchens, mit dem er seit vier Jahren eine Liebesbeziehung habe, an; zudem habe er als Angehöriger des jezidischen Glaubens Probleme, in einer mehrheitlich muslimischen Gesellschaft zu leben.

2 Mit Bescheid vom 18. August 2011 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde zuerkannt (Spruchpunkt II) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

3 Der Revisionswerber erhob gegen den Spruchpunkt I des Bescheides vom 18. August 2011 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof, in welcher er insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

4 Mit Erkenntnis vom 15. April 2016 wies das eingetretene Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 Begründend ging das Bundesverwaltungsgericht - wie bereits das BFA - von der Unglaubwürdigkeit des zur behaupteten Verfolgung durch Private erstatteten Fluchtvorbringens aus. Ein maßgebliches Gefährdungsrisiko des Revisionswerbers im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Jeziden wurde - unter Hinweis auf entsprechende Länderfeststellungen - verneint; das Bundesverwaltungsgericht führte dazu näher aus, dass die herangezogenen Informationen zur Sicherheitslage in der Provinz D (Heimatprovinz des Revisionswerbers) dem Revisionswerber übermittelt worden seien, jedoch keine Stellungnahme eingelangt sei. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt seien länderkundliche Informationen zum Irak bzw. zur Situation der Jeziden übermittelt worden, wobei diesbezüglich ebenfalls keine Stellungnahme des Revisionswerbers eingelangt sei.

6 Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war. Dem angefochtenen Bescheid sei ein umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht sei durch das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen.

8 Die Revision ist unzulässig.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, grundlegend dargelegt, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen, die Abstandnahme von der Durchführung einer (beantragten) Verhandlung ermöglichenden - und hier allein in Betracht zu ziehenden - Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint", folgende Kriterien beachtlich sind:

10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

11 Von diesen in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen ist das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall nicht abgewichen:

12 Der Revisionswerber ist weder den beweiswürdigenden Erwägungen und den darauf gegründeten Feststellungen der Verwaltungsbehörde in der Beschwerde ansatzweise substanziiert entgegen getreten, noch hat er zu den vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichten ein (substanziiertes) Vorbringen erstattet (vgl. zu diesen Erfordernissen in Bezug auf die Verhandlungspflicht etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2016, Ra 2016/01/0070, mwN).

13 Soweit die Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei infolge der von ihm vorgenommenen, die tragenden Erwägungen der Verwaltungsbehörde ergänzenden Beweiswürdigung (zur behaupteten Verfolgungsgefahr durch Private) zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen, ist dem entgegen zu halten, dass nach der ständigen hg. Judikatur das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht nur dann auslöst, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Ra 2014/01/0200, mwN). Diese Voraussetzung ist im Revisionsfall nicht gegeben, weil die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens bereits durch die - für sich tragenden - beweiswürdigenden Erwägungen der Verwaltungsbehörde hinreichend belegt wurde; davon ausgehend sind die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Ergänzungen fallbezogen aber als bloß unwesentlich im Sinne der obgenannten Rechtsprechung zu qualifizieren.

14 Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2016

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