Normen
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62006CJ0242 T. Sahin VORAB;
62012CJ0225 Demir VORAB;
ARB1/80 Art13;
BFA-VG 2014 §34 Abs3 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §47;
VwGG §34 Abs1;
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62006CJ0242 T. Sahin VORAB;
62012CJ0225 Demir VORAB;
ARB1/80 Art13;
BFA-VG 2014 §34 Abs3 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §47;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der mit dem Antrag des Revisionswerbers vom 30. Juli 2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verbundene Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG abgewiesen; die Anträge auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels und auf Nachsicht von der Vorlage eines aktuellen Reisepasses (§ 19 Abs. 8 NAG) wurden zurückgewiesen.
2 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) aus, der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, habe nach Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und Erlassung einer Ausweisung (mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. November 2012) am 28. Juli 2014 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - gestützt auf diese Ehe - am 30. Juli 2014 persönlich einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG gestellt. Im vorliegenden Fall sei nicht strittig, dass gegen den Revisionswerber eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe und daher eine Ausnahme von der Auslandserstantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 Z 1 NAG nicht in Frage komme.
3 Zu prüfen sei jedoch, ob der zu beurteilende Sachverhalt der Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB) unterliege, sodass auf den Revisionswerber die "günstigeren" Vorschriften des FrG 1997 für drittstaatszugehörige Familienangehörige von Österreichern anwendbar seien und er zur Stellung seines Antrages im Inland und zum Abwarten dieses Verfahrens in Österreich berechtigt sei.
4 Das LVwG verneinte die Anwendung der Stillhalteklausel - unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Dereci vom 15. November 2011, C-256/11 - im Wesentlichen mit der Begründung, die Stillhalteklausel schütze nur jene Personen, die im Zeitpunkt der Einreise in einen Unionsstaat die Absicht hätten, dort (dauerhaft oder unbefristet) einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Beweggrund des Revisionswerbers für seine Einreise nach Österreich sei nicht die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gewesen, sondern er habe ausschließlich seine Heimat verlassen, um einen Asylantrag zu stellen. Dass er nunmehr erwerbswirtschaftlich tätig werden wolle, könne die Anwendung der Stillhalteklausel nicht begründen.
5 Darüber hinaus halte sich der Revisionswerber nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf (Hinweis auf des Urteil des EuGH vom 17. September 2009, C-242/06 - T. Sahin); er sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und halte sich "nach rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren" in Verbindung mit einer asylrechtlichen Ausweisung nicht rechtmäßig in Österreich auf.
6 Schließlich erklärte das LVwG eine ordentliche Revision für zulässig, "da zur Frage, ob auf einen türkischen Staatsbürger, der ausschließlich zum Zwecke der Asylantragstellung nach Österreich einreiste, mehrere Jahre keiner Beschäftigung nachging und unmittelbar nach negativer Beendigung des Asylverfahrens eine österreichische Staatsbürgerin heiratet und Arbeitswilligkeit bekundet, die Stillhalteklausel bzw der ARB anzuwenden ist, - soweit ersichtlich - keine explizite Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht".
7 Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, beantragte der Revisionswerber in der vorliegenden ordentlichen Revision, in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
8 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Juni 2015, Ro 2015/22/0020).
12 Der Revisionswerber machte gesondert keine Rechtsfragen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend; zu beurteilen waren daher die in Rz 6 vom LVwG ausgeführten Zulässigkeitsgründe.
13 Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ARB), lautet:
"Artikel 13. Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."
14 Das LVwG stützt seine Entscheidung unter anderem darauf, dass sich nur jene türkischen Arbeitnehmer auf die Stillhalteklausel gemäß Art. 13 ARB berufen könnten, die sich ordnungsgemäß im Mitgliedstaat aufhielten.
15 Damit steht das angefochtene Erkenntnis mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - basierend auf der Rechtsprechung des EuGH - in Einklang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/09/0057, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0117, mwN, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur des EuGH).
16 Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von jenem, der dem Urteil des EuGH vom 15. November 2011, C-256/11 - Dereci ua, zugrunde lag. Jenem Beschwerdeführer kam aufgrund des auf seinen Fall anzuwendenden § 49 Abs. 1 FrG 1997 als Ehemann einer Österreicherin Niederlassungsfreiheit zu und er durfte Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich stellen; gegen ihn wurde keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen. Gegen den Revisionswerber wurde hingegen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22. November 2012 eine Ausweisung erlassen, der dieser nicht nachkam. Der Aufenthalt des Revisionswerbers war somit unrechtmäßig, und zwar unabhängig von der mit 1. Jänner 2006 durch das NAG eingeführten "neuen Beschränkung". Die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Revisionswerbers liegt schon darin, dass gegen ihn eine asylrechtliche Ausweisung erlassen wurde, der er nicht Folge leistete. Er kann sich daher nicht auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen (vgl. in diesem Sinn den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0117, mwN).
17 Fallbezogen verneinte das LVwG daher zutreffend die Anwendung der Stillhalteklausel.
18 Daher erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Stillhalteklausel nur jene Personen schütze, die bereits im Zeitpunkt der Einreise in einen Unionsstaat die Absicht hätten, dort (dauerhaft oder unbefristet) einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (siehe dazu jedoch die hg. Erkenntnisse vom 24. März 2015, Ro 2014/09/0057, mwN, vom 19. April 2012, 2008/18/0202, sowie vom 15. Dezember 2011, 2007/18/0430).
19 Andere Rechtsfragen wurden weder vom LVwG noch vom Revisionswerber als solche, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, dargestellt.
20 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. Juli 2016
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