VwGH Ra 2015/18/0236

VwGHRa 2015/18/02363.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, Hofrat Mag. Nedwed, Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, Hofrat Dr. Sutter und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision der revisionswerbenden Partei S K G in W, vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2015, Zl. W197 2103811- 1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §26 Abs3;
VwGG §61;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen Afghanistans, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit dem ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des genannten Bescheides stattgegeben, der Revisionswerberin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und dieser gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Zudem wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Mit Schriftsatz von 8. Oktober 2015 beantragte der Revisionswerber Verfahrenshilfe, um gegen den abweisenden Teil des oben angeführten Erkenntnisses außerordentliche Revision erheben zu können. Dieser fristgerecht gestellte Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. November 2015 bewilligt.

3 Mit Bescheid vom 23. November 2015 bestellte die Rechtsanwaltskammer Wien den einschreitenden Verfahrenshelfer. Dieser Bescheid wurde dem Verfahrenshelfer mittels Teilnehmer-Direktzustellung am 27. November 2015 um 10:50 Uhr im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) unter Verwendung der Übermittlungsstelle "IMD" übermittelt.

4 Die vorliegende außerordentliche Revision wurde am 11. Jänner 2016, um 23:06:17 Uhr, dem BVwG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "ADV" übermittelt.

5 Mit Verfügung vom 29. Jänner 2016 wurde der Verfahrenshelfer aufgefordert, Stellung zu nehmen, aus welchen Gründen er die gegenständliche außerordentliche Revision als rechtzeitig eingebracht erachtet.

6 In seiner Äußerung vom 24. Februar 2016 führte der Verfahrenshelfer dazu aus, er sei mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. November 2015, "am 27.11.2015 per WEB-ERV bereitgestellt", für die gegenständliche Rechtssache als Verfahrenshilfevertreter bestellt worden. Überdies habe er am 2. Dezember 2015 beim BVwG um Übermittlung einer Aktenabschrift angesucht. Nach mehreren Urgenzen habe er am 14. Dezember 2015 einen Termin zur Akteneinsicht am 16. Dezember 2015 erhalten. Der Verfahrenshelfer habe sodann die außerordentliche Revision konzipiert und sie am 11. Jänner per WEB-ERV an das BVwG übersendet.

7 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts sechs Wochen. Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen.

8 Die Teilnehmer-Direktzustellung (TLNDZ) ist die Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken mittels ERV zwischen Teilnehmern des Elektronischen Rechtsverkehrs. Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung durch TLNDZ ist im vorliegenden Fall der Bestellung von Verfahrenshelfern durch die Rechtsanwaltskammer allerdings nicht ersichtlich. Auch § 37 Zustellgesetz (ZustG) kommt als Rechtsgrundlage für den gegenständlichen elektronischen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen (vgl. VwGH vom 22. April 2015, Ro 2014/10/0130, mwN). Es liegt daher ein Zustellmangel vor.

9 Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es kommt daher im Falle der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument an (vgl. Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht2, § 7 ZustG Rz 6 mwN).

10 Dass der Verfahrenshelfer auf den fristauslösenden Bestellungsbescheid der Rechtsanwaltskammer Wien nicht schon am 27. November 2015 zugegriffen hätte und der Bescheid ihm daher tatsächlich erst später zugekommen wäre, ergaben die Ermittlungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Zustellzeitpunkt nicht. Vielmehr führt der Verfahrenshelfer in der hg. beauftragten Stellungnahme zur Rechtzeitigkeit selbst an, dass ihm der Bestellungsbescheid "am 27.11.2015 per WEB-ERV bereitgestellt" worden sei. Angesichts dieses Vorbringens geht der Verwaltungsgerichtshof beweiswürdigend davon aus, dass der Verfahrenshelfer auf die Sendung auch noch am selben Tag zugegriffen hat, zumal nicht angenommen werden kann, dass in einem ordnungsgemäßen anwaltlichen Kanzleibetrieb an einem Wochentag vormittags (um 10 Uhr 50) per ERV einlangende Schriftstücke nicht ausnahmslos noch am gleichen Tag gesichtet und bearbeitet sowie gegebenenfalls kalendiert werden. Die Revisionsfrist hat demnach am Freitag, dem 27. November 2015, zu laufen begonnen und am Freitag, dem 8. Jänner 2016, geendet, weshalb die am Montag, dem 11. Jänner 2016, um 23:06:17 Uhr, dem BVwG übermittelte außerordentliche Revision verspätet war.

11 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass vor dem Hintergrund der in § 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung des BVwG (GO BVwG) zur Einbringung von schriftlichen Anbringen getroffenen Regelungen auch die am 11. Jänner 2016, um 23:06:17 Uhr, und somit außerhalb der Amtsstunden übermittelte Revision nicht mehr als am 11. Jänner eingebracht gilt (vgl. VwGH vom 17. November 2015, Ra 2014/01/0198). Damit läge auch bei einer analogen Anwendung von § 89d Abs. 2 GOG, wonach als Zustellungszeitpunkt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag gilt, und einer Annahme der Zustellung des Bestellungsbescheides am Montag, dem 30. November 2015, eine Verspätung der Revision vor (vgl. VwGH vom 22. April 2015, Ro 2014/10/0130 sowie vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/01/0061).

12 Die vorliegende Revision war somit jedenfalls wegen Versäumung der Revisionsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2016

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