VwGH Ra 2015/16/0128

VwGHRa 2015/16/012822.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des M S in L, vertreten durch Mag. Thomas Di Vora, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Lendgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Oktober 2015, Zl. RV/7105066/2015, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1416;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
ABGB §1416;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht die Heranziehung des Revisionswerbers als ehemaligen Geschäftsführer der H Ltd., Zweigniederlassung Österreich, zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 und § 80 BAO für näher genannte Rückstände an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Monate Mai, Juni und Juli 2009 im Gesamtbetrag von EUR 8.763,46; weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Begründend erwog das Gericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - zusammengefasst, unbestritten sei, dass dem Revisionswerber als Geschäftsführer der Gesellschaft die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblegen habe. Im Rahmen dieser Verpflichtung sei insbesondere für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten; es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwende, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Im gegenständlichen Fall bringe der Revisionswerber als Grund, weshalb ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor, dass lediglich Mittel vorgelegen wären, die widmungsgemäß zu verwenden gewesen wären, ansonsten er wegen des Vorwurfs der betrügerischen Krida veruteilt worden wäre. Somit wären dem Revisionswerber keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden. Aus diesem Einwand lasse sich jedoch nichts gewinnen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Geschäftsführer die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen auch verletze, wenn er das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachte, als er keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung leiste. Darüber hinaus sehe der Verwaltungsgerichtshof in einer Gleichbehandlung der Abgabenschulden keine im "statu cridae" unzulässige Gläubigerbevorzugung. Ob oder inwieweit von den Vertretern geleistete Zahlungen wegen Begünstigung von Gläubigern rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären, sei im Haftungsverfahren nicht zu prüfen. Die im Haftungsverfahren zu beantwortende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt worden sei, bleibe davon unberührt. Somit seien auch sogenannte "gewidmete" liquide Mittel gleichmäßig zu verteilen. Daraus folge, dass in der "widmungsgemäßen" Verwendung liquider Mittel eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten liege.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision begründet ihre Zulässigkeit zusammengefasst damit, haftungsrechtlich sei die Frage zu beurteilen, ob im Fall des Vorliegens von ausschließlich gewidmeten Zahlungen und im Fall des Nichtvorliegens jeglicher darüber hinausgehender Liquidität eine Haftung des Geschäftsführers in Frage komme. Das Bundesfinanzgericht folgere, dass in der "widmungsgemäßen" Verwendung liquider Mittel eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten liege. Eine gewidmete Zahlung werde nie freies Vermögen des Vertragspartners, sondern stehe "als quasi zu treuen Handen übergebührtes Vermögen unter der Auflage ausschließlich gemäß der erteilten Widmung vorzugehen". Tatsächlich liege, soweit überblickbar, darüber keine Rechtsprechung des "Bundesverwaltungsgerichtshofes" vor.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Im Revisionsfall ist die Uneinbringlichkeit der eingangs genannten Abgaben für die Monate Mai bis Juli 2009 unbestritten. Weiters zieht die Revision nicht in Zweifel, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der eingangs genannten Gesellschaft während dieser Monate von einem Auftraggeber Zahlungen entgegen nahm, die er zur Befriedigung anderer Gläubiger als den Bund verwendete.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. Für die Frage, ob andere andrängende Gläubiger gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger begünstigt worden sind, ist nicht bedeutsam, ob oder inwieweit vom Abgabepflichtigen geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung rechtsunwirksam oder anfechtbar gewesen wären (vgl. etwa die in Ritz, Kommentar zur BAO5, unter Rz 11 ff zu § 9 BAO wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Zunächst ist der Revisionswerber daran zu erinnern, dass er im Haftungsverfahren lediglich eine Widmung von Zahlungen (in Höhe von EUR 30.000,--) durch den Auftraggeber und Schuldner der Gesellschaft und die "widmungsgemäße" Verwendung der liquiden Mittel zur Zahlung an Subunternehmer der Gesellschaft behauptet hat (vgl. etwa den Vorhalt vom 11. März 2014, die Mitteilung vom 7. Juli 2014 sowie den Antrag auf Vorlage vom 25. September 2015).

Soweit die vorliegende Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit darüber hinaus davon spricht, dass diese Zahlungen nie freies Vermögen der Gesellschaft, sondern "quasi zu treuen Handen übergebührtes Vermögen unter der Auflage ausschließlich gemäß der erteilten Widmung vorzugehen", gehen diese Behauptungen in die Richtung einer übernommenen Treuhandschaft über das im Haftungsverfahren erstattete Vorbringen hinaus, sodass diese als unbeachtliche Neuerung nach § 41 VwGG - auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision - außer Betracht zu bleiben haben.

Ausgehend von der - schon im Haftungsverfahren - aufgestellten Behauptung einer (bloßen) Widmung von Zahlungen durch den Auftraggeber der Gesellschaft kam einer solch (einseitigen) Erklärung keine rechtliche Bedeutung, insbesondere für den im Revisionsfall maßgeblichen Gleichbehandlungsgrundsatz, zu. Nach § 1416 ABGB kann einer Widmungserklärung des Zahlenden allenfalls die Bedeutung zukommen, auf welche Verbindlichkeit die geleistete Zahlung angerechnet werden soll. Gegenstand einer solchen einseitigen Widmungserklärung können allerdings nur Verbindlichkeiten zwischen dem Leistenden und dem Zahlungsempfänger sein, nicht jedoch Verbindlichkeiten des Zahlungsempfängers gegenüber Dritten. Damit entbehren die im Haftungsverfahren erhobenen Behauptungen einer Widmung von Zahlungen durch den Auftraggeber der Gesellschaft jeglicher rechtlichen Relevanz.

Dagegen ist auf die in der Revision darüber hinaus erhobene Behauptung einer Entgegennahme der Zahlungen "quasi zu treuen Handen" und auf die weitere Frage, inwiefern schon die Eingehung einer solchen Verpflichtung wiederum dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen würde, aufgrund des genannten Neuerungsverbotes nicht einzugehen.

Damit hat das Bundesfinanzgericht die Frage der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Revisionswerber im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Ritz, aaO) beantwortet.

Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 22. Dezember 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte