VwGH Ra 2015/07/0099

VwGHRa 2015/07/009924.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, in der Revisionssache des Landeshauptmannes von Kärnten in 9010 Klagenfurt, Arnulfplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 22. Mai 2015, Zl. KLVwG- 1085/9/2014, betreffend Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz in einer wasserrechtlichen Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: U in W), über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §26 Abs1 Z1 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §46 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §46 Abs3 idF 2013/I/033;
VwGG §26 Abs1 Z1 idF 2013/I/033;
VwGG §34 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §46 Abs1 idF 2013/I/033;
VwGG §46 Abs3 idF 2013/I/033;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 21. Februar 2003 wurde dem Inhaber der F GmbH die wasserrechtliche und naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Kleinkraftwerkes am X-Bach in der Gemeinde G erteilt. Ferner wurde der F GmbH mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 27. Oktober 2009 die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung (Änderung) und zum Betrieb des Kraftwerkes G, zur Nutzung der Wasserkraft des X-Baches erteilt. Mit Bescheid vom 23. November 2010 wurde der F GmbH die Bewilligung zur Erweiterung des bestehenden Kraftwerkes G erteilt.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2013 beantragte die mitbeteiligte Partei betreffend das erwähnte Wasserkraftwerk die Übermittlung des forstrechtlichen, wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheides sowie aller bezughabenden Gutachten und Stellungnahmen. Unter einem wurde eine bescheidmäßige Erledigung gemäß § 8 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) beantragt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28. Jänner 2014 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Übermittlung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides sowie aller bezughabenden Gutachten im Zusammenhang mit der Wasserkraftanlage "G" gemäß § 8 Abs. 1 UIG abgewiesen.

Der von der mitbeteiligten Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 22. Mai 2015 Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wurde behoben und es wurde festgestellt, dass die Umweltinformationen mitzuteilen seien. Gleichzeitig sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass gegen sein Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

Die Zustellung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes an den Landeshauptmann von Kärnten erfolgte am 28. Mai 2015.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Landeshauptmann von Kärnten am 10. Juli 2015 eine außerordentliche Revision. Nach der durch das Landesverwaltungsgericht erfolgten Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof brachte der Revisionswerber beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit einer außerordentlichen Revision ein.

Zum Wiedereinsetzungsantrag hielt der Revisionswerber begründend fest, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2015 sei dem Revisionswerber am 28. Mai 2015 zugestellt worden. Die Frist nach § 26 VwGG sei daher am 9. Juli 2015 abgelaufen. Die bearbeitende Kanzlei beim Amt der Kärntner Landeregierung habe das Erkenntnis mit dem Eingangsstempel des Amtes der Kärntner Landesregierung, Abteilung 8, versehen und mit 2. Juni 2015 datiert. Eine Kopie des Rückscheins sei dem Erkenntnis nicht beigelegt worden. So sei es der zuständigen Unterabteilung Wasserrecht/Luftreinhaltung vorgelegt worden.

Gegen das Erkenntnis sei das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision eingebracht und dem Landesverwaltungsgericht Kärnten in der Annahme, dass die Rechtsmittelfrist auf Grund des Datumstempels auf dem Erkenntnis am 14. Juli 2015 ende, am 10. Juli 2015 persönlich überbracht worden.

Der zuständige Richter des Landesverwaltungsgerichtes habe dem Revisionswerber telefonisch mitgeteilt, dass die außerordentliche Revision verspätet eingelangt sei und beim Landesverwaltungsgericht ein Rückschein, der den Eingang beim Amt der Kärntner Landesregierung mit 28. Mai 2015 belege, vorliege.

Dem Revisionswerber sei im Akt nur das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes, von der Kanzlei des Amtes der Kärntner Landesregierung mit Eingangsstempel vom 2. Juni 2015 versehen, vorgelegen. Es sei dem Erkenntnis weder eine Kopie des Rückscheines noch ein mit Datum versehenes Kuvert angefügt gewesen, aus dem sich ein anderes Eingangsdatum für den Revisionswerber ergeben hätte. Der Revisionswerber sei daher vom Ende der Frist zur Erhebung einer Revision mit 14. Juli 2015 und von einer rechtzeitig eingebrachten Revision ausgegangen.

Die generelle Vorgangsweise betreffend die Postver- und - zuteilung im Amt der Kärntner Landesregierung sei dergestalt, dass sämtliche Posteingangsstücke bei der Posteingangsstelle einlangten. Bei mit RSb oder RSa zugestellten Poststücken werde der Rückschein paraphiert und dem Postboten zurückgegeben und hernach entweder das Schriftstück oder das gegenständliche Kuvert mit einem Eingangsstempel versehen.

Nach Wiedergabe eines Auszuges aus der Kanzleiordnung des Amtes der Kärntner Landesregierung aus dem Jahr 2009 führte der Revisionswerber weiter aus, die ständige Praxis - wie in der Kanzleiordnung vorgesehen - beim Amt der Kärntner Landesregierung sei die Vorgangsweise, dass nicht nur der gegenständliche Rückschein mit einem Eingangsstempel versehen werde, sondern auch das dazugehörende Kuvert oder das gegenständliche Schriftstück, wenn es nicht an eine bestimmte Person gesendet werde.

Im gegenständlichen Fall jedoch sei lediglich der eingegangene Rückschein mit 28. Mai 2015 abgestempelt und unterschrieben worden, nicht jedoch das dazugehörende Schriftstück (das angefochtene Erkenntnis). Der Revisionswerber sei davon ausgegangen, dass sich das Datum des Einlangens des Erkenntnisses mit dem Datum des Stempels auf dem Erkenntnis decke, weil diese Vorgehensweise ständig in der Kanzlei praktiziert werde und es bis zu diesem Zeitpunkt noch zu keinen davon abweichenden Begebenheiten gekommen sei.

Was in der Kanzlei des Amtes der Kärntner Landesregierung, Abteilung 8, zu dieser Differenz zwischen Datum des Rückscheines und Datum des Erkenntnisses geführt habe, könne nicht mehr eindeutig zurückverfolgt werden. Es könne sich hier nur um ein Versehen oder eine Unachtsamkeit aus Arbeitsüberlastung handeln.

In der Kanzlei des Amtes der Kärntner Landesregierung, Abteilung 8, seien mehrere Mitarbeiter beschäftigt. Jedem dieser Mitarbeiter sei eine bestimmte Unterabteilung zur Durchführung der Kanzleiarbeit zugeteilt. Diese Regelung gelte auch für die Unterabteilung Wasserrecht/Luftreinhaltung. Die Belange des UIG seien auch fachlich dieser Unterabteilung zugeordnet, die Kanzleiarbeit hierfür werde aber von einem anderen Mitarbeiter getätigt.

In der gegenständlichen Angelegenheit könne es sich nur so zugetragen haben, dass von der gängigen Praxis abgewichen worden sei und das eingelangte Erkenntnis ohne Datumsvermerk und Hinweis auf das Datum des Rückscheines an den für das UIG zuständigen Kanzleimitarbeiter übermittelt worden sei. In Unkenntnis der vorangegangenen Arbeitsschritte des Kollegen dürfte das Erkenntnis erst bei der Bearbeitung und Weiterleitung an die zuständige Unterabteilung mit einem Datums- und Eingangsstempel versehen worden sein.

Wie der Kanzleiordnung des Amtes der Kärntner Landesregierung sowie dem angeführten Sachverhalt zu entnehmen sei, seien organisatorische Strukturen im Amt der Kärntner Landesregierung vorhanden, die an und für sich Sorge trügen, dass fristgebundene Schriftstücke, insbesondere vom Landesverwaltungsgericht Kärnten, ordnungsgemäß bearbeitet und so schnell wie möglich an die zuständige Abteilung weitergeleitet würden. Allerdings sei es im gegenständlichen Fall auf Grund nicht näher zu klärender Sachverhalte zu einer Abweichung von der gängigen Praxis gekommen.

Es könne einem - aus den verschiedensten Gründen auch immer - an und für sich sorgfältigen Menschen ein derartiges Versehen passieren, dass Rückschein und Dokument oder Kuvert nicht gleichzeitig abgestempelt würden, das Erkenntnis liegen bleibe und mehrere Tage später erst abgestempelt werde.

Dazu ist festzuhalten:

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die außerordentliche Revision gegen das angefochtene Erkenntnis nach Ablauf der sechswöchigen Revisionsfrist und damit verspätet eingebracht wurde. Ebenso unstrittig wurde der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig im Sinn des § 46 Abs. 3 VwGG gestellt.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Büroorganisation von Gebietskörperschaften hinsichtlich der Einhaltung von Terminen und Fristen in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen. Dazu gehört insbesondere, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Prozesshandlungen sichergestellt ist und Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens durch entsprechende Kontrollen auszuschließen sind (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0192, vom 24. September 2003, Zl. 97/13/0224, und vom 20. Oktober 2010, Zl. 2008/08/0198, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 12. November 2002, Zl. 2002/05/0843, mwN).

Gemäß den begründenden Ausführungen zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist offensichtlich davon auszugehen, dass nach ständiger Praxis beim Amt der Kärntner Landesregierung bei Einlangen eines Schriftstückes (unverzüglich) der Rückschein und auch das dazugehörende Kuvert oder das Schriftstück mit einem Eingangsstempel versehen wird. Ein in dem Umstand, dass Geschäftsstücke nicht sofort nach ihrem Einlangen mit dem Eingangsstempel versehen würden, liegender Organisationsmangel ist im Kanzleibetrieb der Wiedereinsetzungswerberin daher nicht zu erkennen.

Allerdings legt der Revisionswerber nicht dar, in welcher Weise die in der zitierten Judikatur geforderte Überwachung und Kontrolle der Einhaltung von Organisationsvorschriften erfolgt, damit vorgesorgt wird, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems wird vom Revisionswerber nicht vorgebracht. Dies wäre im vorliegenden Fall aber nicht zuletzt auch deshalb erforderlich gewesen, weil in der vom Revisionswerber dargelegten Organisation, wonach jedem Mitarbeiter der Abteilung 8 des Amtes der Kärntner Landesregierung eine bestimmte Unterabteilung zur Durchführung der Kanzleiarbeit zugeteilt ist und die Belange des UIG fachlich der Unterabteilung Wasserrecht/Luftreinhaltung zugeordnet sind, jedoch die Kanzleiarbeit hierfür von einem anderen Mitarbeiter getätigt wird, eine potentielle Fehlerquelle zu liegen scheint, die auf die Weiterleitung eines einlangenden Schriftstückes an den für Belange des UIG zuständigen Kanzleimitarbeiter, der in Unkenntnis über die vorangegangenen Arbeitsschritte des Kollegen ist, zurückzuführen ist.

Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konkrete Angaben in Bezug auf das geforderte Kontrollsystem vermissen lässt, war der Antrag abzuweisen.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Revisionsfrist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 24. September 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte