Normen
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §22;
EStG §108e;
Wachstums- und StandortG 2003 Art2;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §22;
EStG §108e;
Wachstums- und StandortG 2003 Art2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte beantragte für 2004 eine Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 in Höhe von 583.273,30 EUR, die auch antragsgemäß gewährt wurde.
Anlässlich einer Betriebsprüfung erging ein - nach dem Beschwerdevorbringen auf die damals bestehende Norm des § 201 Abs. 3 Z 2 BAO gestützter - Bescheid, mit dem die bereits gebuchte Investitionszuwachsprämie zur Nachzahlung vorgeschrieben wurde. Begründend führte das Finanzamt u.a. aus, dass mit dem Ende des Jahres 2003 erfolgten Firmenneugründungen eine künstliche Auslagerung von Investitionen zwecks Optimierung der Investitionszuwachsprämie durchgeführt worden sei, die von der Zielsetzung des § 108e EStG 1988 nicht erfasst sei. Die Anschaffung durch die bisher damit betraute Gesellschaft hätte zu einer um mindestens 80% geringeren Investitionszuwachsprämie geführt. Unter Wegdenken der Effekte der Investitionszuwachsprämie erschienen die beiden Firmenneugründungen - ungeachtet der behaupteten zusätzlichen Rationalisierungs- und Synergieeffekte durch Konzentration der Technikereinheiten der involvierten Banken - betriebswirtschaftlich keinesfalls sinnvoll.
In ihrer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führte die Mitbeteiligte im Wesentlichen aus, dass es für die Gewährung der Investitionszuwachsprämie nicht Voraussetzung sei, dass ein Vergleichszeitraum von drei Jahren vorliege. Auch sei die Konzentration von Investitionen in einer einzelnen Konzerngesellschaft der Gewährung der Investitionszuwachsprämie nicht hinderlich, weshalb die von der Abgabenbehörde erster Instanz durchgeführte Vergleichsrechnung kein Beweis für das Vorliegen eines Missbrauchs gemäß § 22 BAO sein könne.
In der Stellungnahme der Betriebsprüfung zur Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mitbeteiligte im Jahr 2004 gegründet und dabei "zur Finanzierungsabwicklung ins Leben gerufen" worden sei: Der Konzern R kaufe die EDV-Hardware nicht mehr, sondern mache aus Gründen der Konzernbilanzierung eine Leasingfinanzierung über die Mitbeteiligte. Wären die EDV-Hardware-Anschaffungen (der Großteil betreffe Ersatzanschaffungen) wie in der Vergangenheit durch die hierbei bisher auftretenden Gesellschaften G und T abgewickelt worden, ergäbe sich in Ermangelung eines Zuwachses bei diesen beiden Gesellschaften kein Anspruch auf eine Investitionszuwachsprämie. Bei der gewählten Gestaltung sei ein Fall des Missbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 22 BAO zu erkennen.
In einer Gegenäußerung führte die Mitbeteiligte aus, dass es unerheblich sei, ob die Investitionen vom Unternehmer zur Erneuerung oder Erweiterung des Anlagevermögens getätigt würden. Die Firmenneugründungen seien aus betriebswirtschaftlichen Motiven mit dem Ziel der überregionalen Vereinheitlichung der Systeme gegründet worden.
Im Beiblatt zur Vorlage der Berufung führte das Finanzamt in der Folge unter Zitierung des hg. Erkenntnisses vom 19. Dezember 2006, 2006/15/0275, aus, dass auch neu gegründete betriebliche Einheiten die Voraussetzungen des § 108e EStG erfüllen könnten. Im gegenständlichen Fall liege jedoch ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 22 BAO vor. Dies ergebe sich bei der Prüfung, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheine, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenke oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, 95/15/0111). In weiterer Folge führte das Finanzamt aus, wie vor der Gründung der Mitbeteiligten die Anschaffung der EDV-Hardware im Konzern funktioniert habe: T habe die Güter angeschafft. Nun habe man 2004 die S gegründet, deren Dienstnehmer entweder bei T, G oder einer anderen zum Konzern gehörigen GmbH beschäftigt gewesen seien, weshalb sich 2004 an der faktischen Abwicklung des Ankaufs und der Durchführung der nötigen Aufbau- bzw. ergänzenden Installationsarbeiten nichts geändert habe. Es habe nur in formaler Hinsicht eine Aufspaltung der bisher für den oberösterreichischen Bereich durch die G ausgeübten Funktionen auf zwei Gesellschaften (S und die Mitbeteiligte) stattgefunden; diese Gestaltung sei im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg als ungewöhnlich und unangemessen anzusehen und könne nur im Hinblick darauf erklärt werden, eine möglichst hohe Investitionszuwachsprämie für 2004 geltend machen zu können.
In einer darauf ergangenen Stellungnahme führte die Mitbeteiligte im Wesentlichen aus, dass bei unverändert gebliebener Struktur G aufgrund des nachhaltig zu tätigenden Investitionsumfangs mit schlechteren Kennzahlen und in der Folge mit negativen Konsequenzen auf das Rating konfrontiert gewesen wäre. Durch die Neugründungen habe man selbständige, unabhängige Einheiten geschaffen, deren ausschließliche Aufgabe Beschaffung und Servicierung im Hardware-Bereich sei. Die Behauptung der Abgabenbehörde erster Instanz, wonach sich an Abwicklung und Anschaffung tatsächlich nichts geändert haben soll, treffe nicht zu: S habe überregional die Produktverwaltung und das Bestellwesen nach Vereinheitlichung der Hardware übernommen. Vor allem bei Bedarfsermittlung und Bestellungskoordinierung ergäben sich durch die überregionalen Ausrichtungen Ablaufänderungen, die Einsparungspotentiale mit sich brächten. Die Investitionstätigkeit von S und der Mitbeteiligten sei langfristiger Natur und keinesfalls auf den mit der Investitionszuwachsprämie begünstigten Zeitraum begrenzt, ja es sei im Gegenteil durch die überregionale Ausrichtung mit einem weiter steigenden Investitionsvolumen zu rechnen. Im Zuge der Harmonisierung im Hardware-Bereich habe man deshalb S als operative Gesellschaft und die Mitbeteiligte als Finanzierungsgesellschaft gegründet. Die Ausgestaltung als Leasingfinanzierung könne für sich isoliert betrachtet hinsichtlich der Investitionszuwachsprämie ebenfalls kein Missbrauch im Sinne des § 22 BAO sein, weil auch auf Ebene der S ein gleich hoher Investitionszuwachs vorgelegen wäre.
Die Abgabenbehörde erster Instanz entgegnete, dass auch ohne die beiden Firmenneugründungen eine Harmonisierung der Infrastruktur und Beschaffung möglich gewesen wäre, weil die EDV-Anschaffungen im Jahr 2004 lediglich in formaler Hinsicht durch die Mitbeteiligte erfolgt seien. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass die Mitbeteiligte über keine eigenen Dienstnehmer verfüge, sondern diese aus dem Konzernbereich kämen. Dem Nachschauorgan sei zudem weder eine wesentliche Kostenreduktion noch ein höherer "Service-Level" erkennbar gewesen.
Wie sich aus dem Akteninhalt ergäbe, sei die Mitbeteiligte mit Gesellschaftsvertrag vom 4. Dezember 2003, S mit Gesellschaftsvertrag vom 18. November 2003 gegründet worden.
Mit Berufungsentscheidung vom 10. Februar 2009 gab die belangte Behörde der Berufung Folge, änderte den angefochtenen Bescheid ab und setzte die IZP 2004 wie beantragt mit 583.273,30 EUR fest.
Gegen diesen Bescheid erhob das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der ihn mit Erkenntnis vom 26. April 2012, 2009/15/0056, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob, weil ein Bescheid betreffend die Festsetzung der IZP eine Festsetzung nach § 201 BAO darstellt und nur zu ergehen hat, wenn die Behörde von der eingereichten Erklärung abweicht. Wenn die belangte Behörde die IZP in dem von der Mitbeteiligten geltend gemachten Ausmaß gewährt, muss ihre Entscheidung sohin auf ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides lauten, nachdem § 201 Abs. 1 BAO eine Abgabenfestsetzung mit dem vom Abgabepflichtigen geltend gemachten Betrag nicht vorsieht. Da mit dem angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde eine in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehene Abgabenfestsetzung vorgenommen wurde, erwies er sich bereits deshalb als mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet, weshalb er schon aus diesem Grund aufzuheben war, sodass auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen war.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im fortgesetzten Verfahren erneut Folge und behob den bekämpften Bescheid zur Gänze. Begründend führte sie aus, gemäß § 22 Abs. 1 BAO könne durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Unbestritten sei, dass nicht die Neugründung der Mitbeteiligten der Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie im Jahr 2004 hinderlich sei (wie ursprünglich von der Abgabenbehörde erster Instanz vertreten). Es sei vielmehr zu klären, ob ihre Gründung einen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts darstelle. Missbrauchshandlung und -absicht seien dabei von der Behörde nachzuweisen. Eine ungewöhnliche Gestaltung sei kein Missbrauch im Sinne des § 22 BAO, wenn für sie außersteuerliche Gründe vorlägen, wobei es Sache des Abgabepflichtigen sei, diese darzutun. Es möge zutreffen, dass sich auf dem Gebiet Oberösterreich nichts Wesentliches an Beschaffung und Finanzierung der EDV-Hardware geändert habe, doch sei wesentlich zu erkennen, dass sich die Rationalisierungen auf dem Gebiet der Bedarfserhebung und Beschaffung im Bereich der EDV-Hardware überregional gestalten hätten sollen und durch Ausschöpfen von Synergiepotentialen im Konzern eine Kostenreduktion durch Harmonisierung eben bei Bedarfserhebung und Beschaffung durchaus logisch erscheine, vor allem wenn bestehende Infrastruktur genützt werde. Es sei offenkundig, dass bei Bedarfserhebung und Beschaffung für einen größeren Teil des Konzerns als bisher Potentiale frei würden, die anderweit schlagend würden, sei es nun im Weg der Kostenreduktion oder der anderen Verwendung wie u. a. intensiveren Servicierung.
Die Angaben der Mitbeteiligten seien - so die belangte Behörde - glaubhaft im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Kundmachung des WaStoG 2003, BGBI. I Nr. 133/2003 vom 31. Dezember 2003, in dem gemäß § 108e Abs. 3 EStG die befristete steuerliche Förderung um ein Jahr (2004) verlängert worden sei:
Die Mitbeteiligte sei mit Gesellschaftsvertrag vom 4. Dezember 2003 gegründet worden; es sei bei Unterstellung der Missbrauchsabsicht nicht vorstellbar, dass die Gründung einer GmbH & Co KG vor dem Inkrafttreten der für sie günstigen Gesetzesbestimmung erfolge. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Gesetzeswerdung des WaStoG politisch schon diskutiert worden sei und zur Zeit der Gesetzesbegutachtung im Konzern bereits bekannt gewesen sei, so entspreche es nicht der wirtschaftlichen Erfahrung, die Gründung einer Leasinggesellschaft in Form einer GmbH & Co KG im "Schnellverfahren" durchzupeitschen, um drei Wochen vor Gesetzeswerdung einen Gesellschaftsvertrag erstellen zu können, zumal bis zur Gesetzeswerdung nicht definitiv klar sei, ob das Gesetz tatsächlich überhaupt oder wie erwartet beschlossen werde. Dasselbe gelte hinsichtlich der Gründung der S mit Gesellschaftsvertrag vom 18. November 2003. Es sei sohin - auch bei Beachtung der Ausführungen der Mitbeteiligten zu den innerbetrieblichen Gründen der Umstrukturierung - davon auszugehen, dass die Gründung der Mitbeteiligten nicht erfolgt sei, um die Investitionszuwachsprämie 2004 zu lukrieren, sondern tatsächlich außersteuerliche Gründe (wie innerbetriebliche Umstrukturierung) vorgelegen seien. Auch der Hinweis, dass die Mitbeteiligte über keine Dienstnehmer verfüge, sei dieser Ansicht nicht hinderlich, ja bestätige vielmehr das Vorliegen von mit der Gründung der Mitbeteiligten und S geplanten Einsparung und Nutzung von Synergiepotentialen: Eben weil die Mitbeteiligte eine Finanzierungsgesellschaft darstelle und nicht im operativen Bereich tätig sei, sei der vermehrte Einsatz von Personal schon per se nicht erforderlich. Dass die nötigen Dienstnehmer dann aus dem Konzern eingesetzt würden, erscheine im Hinblick auf die erstrebte innerbetriebliche, überregionale Kostenreduzierung im Konzern durchaus erklärlich. Es sei daher nicht möglich, den Nachweis der Missbrauchshandlung und -absicht bei Gründung und Betrieb der Mitbeteiligten zu erbringen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Finanzamts, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen hat:
Nach § 22 Abs. 1 BAO kann die Abgabepflicht durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt ein Missbrauch vor, so sind gemäß § 22 Abs. 2 BAO die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.
Unter Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO versteht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine solche rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2006, 2003/13/0034, und vom 1. März 2007, 2006/15/0070).
Es ist demnach zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2006, 2003/13/0031, und das erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. März 2007).
Im Allgemeinen verwirklicht nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folge des § 22 Abs. 2 BAO verbunden ist (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, 2003/13/0034, und das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, 2003/13/0026).
Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise wiederholt die Ansicht vertreten, dass ein Zwischenschalten einer Tochtergesellschaft, ohne dass von dieser Gesellschaft insoweit eine wirtschaftliche Funktion erfüllt wird, unangemessen ist (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2006, 2003/13/0031). Dabei erfüllt nicht schon die Gesellschaftsgründung an sich den Tatbestand des Missbrauchs, sondern erst die hinzutretende wirtschaftlich unangemessene Umleitung von Geldern (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, 2003/13/0026, sowie das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2008, 2006/13/0036).
In diesem Sinne sind auch im Beschwerdefall weder die Gesellschaftsgründung noch die Nutzung einer Leasingfinanzierung an sich missbräuchlich (vgl. so schon das hg. Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0236, und zur Gewährung von Investitionszuwachsprämie an eine Besitzgesellschaft, die Wirtschaftsgüter an ein verbundenes Unternehmen überlässt, das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, 2006/15/0275).
Allerdings hat die Abgabenbehörde erster Instanz im Beschwerdefall eine Reihe von Indizien zusammengetragen, die gegenständlich für eine wirtschaftlich ungewöhnliche und unangemessene Umleitung von Zahlungsströmen mit dem Ziel der Geltendmachung einer höheren Investitionszuwachsprämie sprechen. So verfüge die Mitbeteiligte über keine eigenen Mitarbeiter, sondern kämen diese aus dem übrigen Konzernbereich. An der faktischen Abwicklung des Ankaufs und der Durchführung der nötigen Aufbau- bzw. ergänzenden Installationsarbeiten der EDV-Geräte habe sich durch die Zwischenschaltung der Mitbeteiligten nichts geändert. Eine Harmonisierung der Infrastruktur und Beschaffung wäre auch ohne die beschwerdegegenständlichen Firmenneugründungen möglich gewesen. Unter Wegdenken der Effekte der Investitionszuwachsprämie sei der betriebswirtschaftliche Nutzen der Firmenneugründungen nicht nachvollziehbar. Demgegenüber behauptete die Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren, dass sich vor allem bei Bedarfsermittlung und Bestellungskoordinierung durch die überregionale Ausrichtung Ablaufänderungen und Einsparungspotentiale ergäben, ohne diese jedoch ziffernmäßig zu belegen oder näher zu konkretisieren.
Die belangte Behörde hat sich mit den von der Abgabenbehörde vorgebrachten Indizien und den gegenläufigen Behauptungen der Mitbeteiligten (wie im Übrigen auch mit der Frage, ob die Voraussetzungen des § 201 Abs. 3 Z 2 BAO erfüllt sind, vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156) jedenfalls nicht in ausreichendem Maße beschäftigt. Die Indizien hat sie - entgegen der hg. Rechtsprechung (vgl. zB das Erkenntnis vom 9. Dezember 2004, 2002/14/0074) - nicht als Anhaltspunkte für eine ungewöhnliche und unangemessene Gestaltung, sondern irriger Weise umgekehrt als Beleg der Nutzung von Synergiepotentialen gewertet. So spricht die belangte Behörde davon, dass durch Ausschöpfen von Synergiepotentialen im Konzern eine Kostenreduktion durch Harmonisierung bei Bedarfserhebung und Beschaffung durchaus logisch erscheine, vor allem wenn bestehende Infrastruktur genützt werde. Auch der Hinweis, dass die Mitbeteiligte über keine Dienstnehmer verfüge, sei dieser Ansicht nicht hinderlich, ja bestätige vielmehr das Vorliegen von mit der Gründung der Mitbeteiligten und S geplanten Einsparung und Nutzung von Synergiepotentialen.
Mit derartigen Aussagen kann die belangte Behörde die gewichtigen Indizien der Abgabenbehörde für die Ungewöhnlichkeit und Unangemessenheit der gewählten Gestaltung nicht entkräften. Auch ist es für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, auf welche Feststellungen die belangte Behörde ihre Schlussfolgerung stützt, dass durch die neue Struktur tatsächlich zusätzliche Kostenreduktionen oder eine intensivere Servicierung ermöglicht worden wären, die über gewöhnliche Effizienzsteigerungsmaßnahmen hinausgehen.
Wenn die belangte Behörde die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu den Voraussetzungen für Missbrauch iSd § 22 BAO für unzureichend befunden hat, wäre es gemäß § 289 Abs. 1 BAO (idF vor dem FVwGG 2012) an ihr gelegen gewesen, durch ergänzende Ermittlungen die Ungewöhnlichkeit und Unangemessenheit der gewählten Gestaltung entweder weiter zu erhärten oder die Beurteilung der Abgabenbehörde fallbezogen und schlüssig zu entkräften. Mit allgemein gehaltenen Ausführungen, wie sie im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommen, ist sie dieser Anforderung nicht nachgekommen.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde und der Mitbeteiligten schließt auch der Umstand, dass die Gesellschaftsgründung der Mitbeteiligten noch während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens des WaStoG 2003 zur Verlängerung der Investitionszuwachsprämie erfolgt ist, das Vorliegen eines Missbrauchs iSd § 22 BAO nicht aus, indem er bereits eine fehlende Steuervermeidungsabsicht belegen würde. So mag es zwar zutreffen, dass eine Unternehmensgründung nicht auf den Akt der Errichtung des Gesellschaftsvertrages reduziert werden könne, sondern im Einzelfall umfangreiche betriebswirtschaftliche und rechtliche Überlegungen und Maßnahmen im Vorfeld der Unternehmensgründung und somit vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages erfordere. Ob eine solcherart - möglicher Weise auch vor dem Hintergrund des bestehenden § 108e EStG 1988 - schon länger erwogene Neustrukturierung dann allerdings tatsächlich auch umgesetzt wird oder nicht, kann jedoch sehr wohl von den künftig zu erwartenden rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig gemacht werden. Dass der Gesellschaftsvertrag der Mitbeteiligten nach Einbringung der Regierungsvorlage des WaStoG 2003 einen Tag nach deren Annahme in dritter Lesung des Nationalrats abgeschlossen worden ist, schließt ungeachtet des noch nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens nicht aus, dass die Erwartungshaltung hinsichtlich der Verlängerung der Investitionszuwachsprämie für die gewählte Strukturierung bestimmend gewesen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. April 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)